3. Scene.

[5] TROILA.

Recitativ.


Sieh', o sieh, mein Sohn!

Wie die Liebe dieser guten Leute

Die Wiederkehr des Tages feiert,

An dem wir verlassen und hilfesuchend hier erschienen.

Doch du nimmst keinen Antheil

An dem reinen Glücke, das mein Herz erfüllt.

ALFONSO.

Mich drückt Dein streng Gebot,

Daß ich aus diesem Thale mich nicht entfernen soll.[5]

TROILA.

So lautet das Gesetz und noch muß es besteh'n.

ALFONSO.

Ach, länger kann ich nicht die Schranken mehr ertragen,

Es liegen diese Berge wie lastend auf der Seele.

Arie.


Schon wenn es beginnt zu tagen,

Wird in mir die Sehnsucht wach,

Vögel fliegen, Wolken jagen

Und mein Herz will ihnen nach.

Mittags lieg' ich an der Quelle

An dem hellen Silberbach,

Welle sendet er auf Welle

Und mein Herz eilt jeder nach.

Seh' ich dann den Abend glühen

Und das Licht stirbt allgemach,

Möcht' ich mit der Sonne ziehen

Ihren gold'nen Strahlen nach.

Nachts erglänzen tausend Sterne

An des Himmels blauem Dach,

Mächtig zieht's mich in die Ferne

Ihrem süßen Schimmer nach.

Und so rufet jede Stunde

Heißes Sehnen in mir wach,

Aus des Herzens tiefstem Grunde

Tönt's: Gib meinem Drängen nach.

TROILA.

Recitativ.


Wohl begreif' ich Deinen Schmerz,

Doch kann ich ihn nicht lindern;[6]

Es herrscht in jenem Land, das an das uns're grenzt,

Ein mächtiger Tyrann.

Vor seinem kühnen Schwert

Schützt uns der Felsen Wall und unser stilles Leben.

ALFONSO.

So laß' mich zu ihm ziehen

Und ihn zum Kampfe fordern.

TROILA.

O zähme, lieber Sohn, den Muth in kühner Brust,

Noch ist die Zeit nicht da,

Doch bald – bald wird sie erscheinen.

Duett.


Schon schleichen meine Späher

Auf sich'rer Feindesspur,

Die Rache schreitet näher

Und dringt zur stillen Flur.

Die Ketten werden fallen,

Die Dich so lang gedrückt,

Im Lichte wirst Du wallen,

Bewundert und beglückt.

ALFONSO.

Noch kann ich nicht verstehen,

Was Deine Lippe spricht.

TROILA.

Viel' Dinge wirst Du sehen,

Noch ahntest Du sie nicht,

Doch glaub', daß ich Dich rette

Aus diesem düstern Ort.


Gibt Alfonso eine goldene Kette.
[7]

Empfange diese Kette,

Zum Pfande für mein Wort.

ALFONSO.

O Vater, ja errette

Mich aus dem düstern Ort,

Ich nehme diese Kette

Zum Pfande für Dein Wort.

TROILA.

Es knüpft an dies Geschmeide

Das Schicksal Deine Bahn,

Es sei in jedem Leide

Dein Hort, Dein Talisman.

ALFONSO.

Es leuchte dies Geschmeide

Als Stern auf meine Bahn,

Es sei in jedem Leide

Mein Hort, mein Talisman.


Ein Hornruf ertönt vom Thale herauf.


TROILA.

Recitativ.


Das Horn des Rufers ertönt,

Huldigend nahen die Freunde.


Quelle:
Franz Schubert: Alfonso und Estrella. Wien 1881, S. 5-8.
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