[177] Das Genus Sapphicum kan gleichfals in Teutscher Sprache gar wol gebrauchet uñ angeno en werdẽ /doch ist es von etzlichen mit schlechtem Glükke versucht worden / Die rechte Vorstellung ist diese:
– ∪ – – – ∪ ∪ – ∪ – ∪
– ∪ – – – ∪ ∪ – ∪ – ∪
– ∪ – – – ∪ ∪ – ∪ – ∪
– ∪ ∪ – ∪
Jetzt vermehret sich Ungelük und viel Jammer /
Böser Krieg uns schläget mit starckem Ha er:
Gott / den Krieg doch endlichen stürtze nieder /
Rette doch wieder.*
[177] Oder mit durchgehender gleicher Reimung / als:
1.
Liebster JEsu / Kindelein uns geboren /
Grosser Gott / von Ewigkeit uns erkohren /
Uns / die wir ja waren so gar verlohren /
Neige die Ohren:
2.
Laß uns jetz zur Wiegelein recht einkehren /
Deine Kripp' und Windelein recht verehren /
Unser Hertz von Eitelkeit gar ausleeren /
Böses abwehren.
3.
Grosses Liecht der Heiden und Christen Leute /
Unser Heil / uns bistu gebohren heute /
Bringest mit die Seligkeit uns zur Beute:
Laster außreute.*
Diese Sapphische Art möchte etwa in Teutscher Sprache eine Lieblichkeit finden / wan sie mit lebendigen Stimmen / wie auch Opitz erwehnet / und in Musicalische Instrumente gesungen würde: Welches die Sappho / von der diese Verse den Nahmen überkommen / auch also wird verrichtet haben / daß sie gantz verzükket / mit uneingeflochtenen fliegenden Haaren und lieblichem Anblikke der verbuhleten Augen in jhre Zitter oder Laute / mit liebreitzender Anmuhtigkeit / diese Verse wird gesungen haben. Welches / so es mit etwa einer bewegenden Nachfolge im Teutschen sol untersuchet werden / in sonderheit wol wird müssen / so wol im Verse / als in der Music / das dritte Glied / der Dactylus / und das anhangende Adonische Verslein / in acht genommen / und zierlich und leicht-fliessend gesetzet sein.[178]