Zehnter Period.

[82] Und nun war' ich in allem Ernst auf meine Beförderung bedacht. Einige Versuche waren mir bereits fehlgeschlagen; ich grif also nach der Leier, um mir bei dem Fürsten von Ellwang, der nicht nur die Pfarreien in Aalen, sondern noch verschiedener ungemein einträgliche lutherische Predigerdienste zu vergeben hatte, den Weg zu meiner Versorgung zu eröfnen. Ich macht' ein Gedicht auf ihn, ließ es druken, und überreicht' es ihm mit sehr schmeichelhaftem Erfolge. Ein deutsches Gedicht von gutem Tone, war damals, wie vielleicht noch jezt, in Ellwang eine große Seltenheit. Die Gelehrten versprizten ihren Wiz in schaalen lateinischen Kronodistichen, und wenn zuweilen deutsch geschrieben wurde; so war es barbarisches Deutsch. Der damalige Fürst, aus dem Hause Fugger, der wohlthätigste Herr und eifrigste Freund und[82] Beschüzer von jeder Art der Gelehrsamkeit. – Er ist nun heimgegangen der gottselige Fürst, den großen Lohn zu empfahen – beschenkte mich nicht nur großmüthig, sondern versprach mir auch Beförderung bei der nächsten Gelegenheit. Aber Gott, der mein Leben auch im Sturme lenkte, hatte es anders beschlossen. Ich war kaum zu Hauße angelangt, als ich den Ruf zum Präzeptorate und Organisten in Geißlingen erhielt. So wenig mir Ort und Stelle anfangs gefallen wollten, und so klein und nothdürftig der mir ausgemachte Gehalt war: so nahm ich doch die Stelle an, um meinen Eltern vom Brode zu kommen. Ich nahm also meinen Abschied in Aalen, wurd' allgemein beklagt, und reißte mit dem schwersten Herzen nach Geißlingen – denn ich hinterließ nebst so vielen theuren Freunden, auch ein Mädchen, das mich aufs zärtlichste liebte, und welche ihre Eltern, die sehr wohlhabend waren, nicht aus den Augen lassen wollten. Sie ist hernach durch eine sonderbare Schikung die Gattin meines Bruders geworden, und kürzlich[83] in ihrem Blüthenalter gestorben. Ein Roßmarinstengel auf dein Grab, Katharine, von deinem dir so lieben Schubart – und dann gute Nacht bis aufs Wiedersehen! Nach ausgestandener Prüfung in Ulm trat' ich also mein Amt an, voll Widerwillen, und mehr als einmal entschlossen, mich in die weite Welt hineinzuwerfen, und von ihr die Entscheidung meines Glüks zu erwarten. So wenig wußt' ich damals, daß unter allen Geschäften des Lebens kaum eines edler und verdienstvoller ist, als das Geschäft eines würdigen Schulmannes; – die Welt mag ihm einen noch so niedrigen Rang und schlechten Gehalt anweisen. – Fühlt er nur die Würde seines Amtes vor Gott; so ist er geehrt und belohnt genug. Oft hab' ich schon gedacht: ihr guten Schulleute habt schlechten Weltsold, damit euch Gott im Himmel an seinem großen Lohne nichts abrechnen darf. Aber ich wilder Mensch war damals nicht fähig, eine so ruhige Betrachtung anzustellen.[84]

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Schubartߣs Leben und Gesinnungen. Erster Theil, Stuttgart 1791, S. 82-85.
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