Die Forelle

[365] In einem Bächlein helle,

Da schoß in froher Eil'

Die launige Forelle

Vorüber wie ein Pfeil.

Ich stand an dem Gestade,

Und sah in süßer Ruh'

Des muntern Fisches Bade

Im klaren Bächlein zu.


Ein Fischer mit der Ruthe

Wohl an dem Ufer stand,

Und sah's mit kaltem Blute,

Wie sich das Fischlein wand.

So lang dem Wasser Helle,

So dacht' ich, nicht gebricht,

So fängt er die Forelle

Mit seiner Angel nicht.


Doch plötzlich war dem Diebe

Die Zeit zu lang. Er macht

Das Bächlein tückisch trübe,

Und eh' ich es gedacht,

So zuckte seine Ruthe,

Das Fischlein zappelt dran,

Und ich mit regem Blute

Sah die Betrogne an.[365]


Die ihr am goldnen Quelle

Der sichern Jugend weilt,

Denkt doch an die Forelle;

Seht ihr Gefahr, so eilt!

Meist fehlt ihr nur aus Mangel

Der Klugheit. Mädchen, seht

Verführer mit der Angel!

Sonst blutet ihr zu spät.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 365-366.
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