Bei einem Wetter

[240] Wolkensammler, der im Himmel thronet,

Der so gerne seine Menschen schonet,

Sprich zum Wetter, das uns droht:

Werde Segen, und nicht Tod!


Unter mancher strohbedeckten Hütte

Winselt ja des armen Waisen Bitte:

Straf uns nicht in deinem Zorn,

Vater, laß uns unser Korn!


Wenn die schwarze Wolke donnerträchtig,

Unsre Saaten zu verwüsten, mächtig

Ueber unsre Gauen zeucht;

Ach, so werde sie verscheucht.


Winke, daß ein Schlauch die Wolke werde,

Segen zu verspritzen auf die Erde;

Leuchte mit des Blitzes Licht

Irrenden, nur tödte nicht.


Standest du nicht auf dem Regenbogen

Einst vor Noah? sprachest: Euch gewogen

Bleib' ich, Wasserfluthgericht

Straf' euch Menschen fürder nicht![240]


Laß dies auch von deinem Donner gelten;

Spar aufs Weltgericht sein grimmes Schelten;

Laß des Hagels schwere Wuth

Schmelzen in der Liebe Gluth.


Anm. »Der Sommer dieses Jahres war fruchtbar an Hochgewittern. Zerknickt ist an manchen Orten der Halm und die herzerfreuende Traube. Mancher Wandrer wurde auf dem Wege vom zuckenden Blitze getroffen und die Flamme des Himmels röstete jüngst zu Landsee in Elsaß den Bräutigam an der Seite der Braut. Auch in andern Provinzen wurden ganze Dörfer vom Wetterstrahl verödet und die Felder zu Steppen gemacht.«

Schubart.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 240-241.
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