Vater Unser

[241] Jehovah! den mit Zittern

Das Heer der Geister ehrt,

Und den aus Nachtgewittern

Der Sünder donnern hört,

Den Erd' und Himmel kennen,

Dich darf ich Vater nennen,

Dein Sohn hat mich's gelehrt.


Mein Vater! Himmelswonne

Liegt in dem Namen! Dich,

Den Schöpfer dieser Sonne,

Dich, Welterhalter, Dich

Darf ich als Vater loben,

Wie deine Geister droben;

Als Kind erhörst du mich!


Ihr Kinder, so versammelt

Euch um des Vaters Thron;

Gebete, die ihr stammelt,

Sind ihm ein süßer Ton.

Ja, Vater! hör uns singen;

Wann wir mit Ohnmacht ringen,

So sieh auf deinen Sohn.


Laß deines Namens Ehre

Uns Menschen heilig sein;

Ihn müsse falsche Lehre

Und Laster nie entweihn.[241]

O, unser Vater! flöße

Erkenntniß deiner Größe

In unsre Herzen ein!


O laß es kommen, kommen

Dein Reich voll Recht und Licht,

Zur Rettung deiner Frommen,

Den Frevlern zum Gericht,

Vertilge bald die Rotte,

Die mit verfluchtem Spotte

Von deinem Sohne spricht.


Herr! es gescheh' dein Wille,

Wie dort, so in der Zeit;

Mit Demuth, Herzensstille,

Und Engelschnelligkeit;

Erklär' es unsern Seelen,

Wann wir aus Schwachheit fehlen,

Was uns dein Wort gebeut.


Still' unsre Erdensorgen;

Gib Hülle, Trank und Brod,

Nur heute; denn der Morgen

Find't uns vielleicht schon todt.

Wann Noth und Mangel drücken,

Lehr' auf zu dir uns blicken,

Dem Stiller jeder Noth.


Vergib uns unsre Sünden,

Du bist ja voll Geduld;

Kein Engel kann ergründen

Die Tiefe deiner Huld.

Schenkst du uns Schuld und Leben,

So laß uns auch vergeben

Den Brüdern ihre Schuld.


Schwingst du die Vaterruthe,

Versucht uns Höll' und Welt,

So rüst' uns mit dem Muthe,

Der uns im Kampf erhält;[242]

Sei du des Schwachen Stütze,

Wann in des Kampfes Hitze

Ihm Muth und Kraft entfällt.


Erlös uns von dem Bösen

Durch sanften Christentod;

Wer kann uns sonst erlösen,

Als du, aus aller Noth?

Aus Armuth, Krankheit, Banden,

Verführung, Schmach und Schanden,

Und was uns Armen droht.


Dein ist das Reich, die Ehre,

Macht, Kraft und Herrlichkeit!

Dir jauchzen Engelheere,

Dir tönt das Lied der Zeit!

Preis deinem großen Namen,

Jehovah! Amen! Amen

Jetzt, und in Ewigkeit!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 241-243.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
S Mmtliche Gedichte, Volume 1
S Mmtliche Gedichte, Volume 3
Gedichte. Aus der

Buchempfehlung

Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich

Deutsche Lieder aus der Schweiz

Deutsche Lieder aus der Schweiz

»In der jetzigen Zeit, nicht der Völkerwanderung nach Außen, sondern der Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander bewegen und ein Land um das andre zum Vaterlande reift, wird auch der Dichter mit fortgezogen und wenigstens das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzo blos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen die Zeit zu kehren.« schreibt Jean Paul in dem der Ausgabe vorangestellten Motto. Eines der rund einhundert Lieder, die Hoffmann von Fallersleben 1843 anonym herausgibt, wird zur deutschen Nationalhymne werden.

90 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon