Morgenlied eines Handwerksmanns

[243] Großer Gott, mit diesem Morgen

Tret' ich vor dein Angesicht;

Denn du kennst ja meine Sorgen

Und mein Lied verschmähst du nicht.


Deine Sonnenblicke dringen

Auch in meine Werkstatt ein.

Sollte dir mein Beten, Singen,

Vater, nicht gefällig sein?


Ja du hörst es, was ich bete

Und du segnest meinen Fleiß,

Siehst hier meine Arbeitsstätte

Stets benetzt von meinem Schweiß.


Gerne eil' ich zum Geschäfte,

Arbeit ist der Menschen Pflicht,

Gib nur meinen Armen Kräfte,

Wisch den Schweiß vom Angesicht.[243]


Alle Lasten, die ich trage,

Guter Gott, die kennst du ja;

Mit dem ersten Morgenschlage

Steh' ich betend vor dir da.


Schütze meine kleine Hütte

Und erhalte dir zum Preis

Ordnung, Einfalt in der Sitte,

Redlichkeit, Geduld und Fleiß.


Kinder hast du mir gegeben,

Ach, so zeige mir die Bahn,

Wo ich sie zu diesem Leben

Und zum Himmel ziehen kann.


Ruh' ich einst im Erdenschooße

Und mein Geist fliegt himmelan,

O so bricht ja dort der große

Ew'ge Feierabend an.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 243-244.
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