An die Schwaben

[143] Ihr lieben Schwaben insgesammt,

Wenn noch ein Fünkchen in euch flammt

Von Ahnenglut, so höret mich –

Denn biederb, frei und deutsch bin ich.

Unüberwindlich, groß und stark,

In ihrer Knochen Löwenmark

War eurer großen Väter Art;

Jetzt seid ihr zärtlich, winzig, zart;

Tragt statt der Waffe Degelein

Mit Bändern d'ran, gar hübsch und fein,

Und sprecht mit eurem lieben Sohn

Franzosensprach' im Nasenton!

Ihr lauft verbuhlt um eure Weiber,

Wie Maulwurf, Sperling, oder Täuber.

Wer Complimente schneiden kann,[143]

Wer schmeicheln, kriechen, heucheln kann,

Der ist bei euch ein ganzer Mann!

Ihr haschet nur nach Rauch und Dunst,

Und nicht nach Wissenschaft und Kunst:

Drum gilt bei euch der Gauch und Tropf

Mehr als der Weise und der Kopf!

Der Jüngling sitzt beim Wein so kalt,

Als wär' er achtzig Jahre alt,

Und säße auf der Alpen Höh

Mit bloßem A** im ew'gen Schnee.

– Ists Wunder, wenn man euch entehrt,

Als wenn ihr Yähoo wärt?

Schnipst euch der Sachs' und Breme doch

Verächtlich unters Nasenloch.

O denkt einmal im Ernste nach,

Was einst Bohemus von uns sprach:

Der Schwabe wird erst spät gescheid.

Ach denkt daran, 's ist hohe Zeit.

Seid klug, schon vor den vierzig Jahren,

Wie's eure braven Väter waren.

Wie schön, wenn einst der Enkel spricht:

Die Narrenkappe paßt mir nicht.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 143-144.
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