Das Glück der Empfindsamen

[387] Weg, Plutus, mit der goldnen Gabe!

Bin ich nicht reich genug? Ich habe

Ein Herze voll Gefühl.

Da nimm dein Gold! und gib's den Reichen,

Die steinernen Kolossen gleichen!

Ich habe schon zu viel.


Ein Frühlingstag, ein Sommermorgen

Zerstreuet alle meine Sorgen;

Es darf die Lerche nur

Hoch in den blauen Lüften trillern,

So wandl' ich froher in der stillern

Mit Thau bedeckten Flur.


Gedrückt vom widrigen Geschicke,

Lass' ich das Stadtgetös, und pflücke

Ein Blümchen auf der Au'.

Fällt auch ein Zährchen hin und wieder

Auf's weiße Wiesenblümchen nieder;

So denk' ich, es sei Thau.


Oft spiel' ich klagend auf dem Flügel,

Wenn Luna glänzt. Von Sions Hügel

Kömmt Göttin Harmonie,

Und haucht Begeistrung in die Finger,

Und jenes Lebens Trost. Geringer

Wird dann der Schmerz durch sie.[387]


Jüngst wünscht' ich mir den Tod. Da lauschte

Mein Mädchen in dem Busch und rauschte

Hervor im Sonnenhut;

Gleich seufzt' ich nimmer um mein Ende;

Denn ach, sie drückte mir die Hände

Und sprach: Ich bin dir gut.


Wenn Arme an den Dornenstäben

Gekrümmt vor meiner Hütte beben,

Da klopft mir zwar die Brust;

Doch, wenn ich eine kleine Gabe

Bei eigner Armuth übrig habe,

So fühl' ich Engellust.


Ich wohne gern in meiner Hütte.

Gewähre mir nur eine Bitte,

Wohlthätige Natur!

Nie will ich mich der Armuth schämen;

Du darfst mir alles, alles nehmen,

Mein Herze laß mir nur!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 387-388.
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