Der Bauer im Winter

[454] Ich leb' das ganze Jahr vergnügt!

Im Frühling wird das Feld gepflügt;

Da hängt die Lerche über mir,

Und singt ihr krauses Lied mir für.


Und kommt die liebe Sommerszeit,

Wie hoch wird da mein Herz erfreut,

Wenn ich vor meinem Acker steh,

Und so viel tausend Aehren seh!


Alsbald die Sicheln dengle ich,

Der Grille Lied ergötzet mich;

Dann fahr' ich in das Feld hinaus,

Schneid' meine Frucht und führ's nach Haus.


Im Herbst seh ich die Bäume an,

Schau' Aepfel, Birn und Zwetschgen dran;

Und sind sie reif, so schüttl' ich sie.

So lohnet Gott des Bauern Müh'.[454]


Jetzt ist die kalte Winterszeit,

Mein Schindeldach ist überschneit;

Das ganze Feld ist kreideweiß,

Mein Weiher ist bedeckt mit Eis.


Ich aber bleib' bei hellem Muth,

Mein Pfeifle Taback schmeckt mir gut.

Von mir wird mancher Span geschnitzt,

Wenn 's Weible bei der Kunkel sitzt.


Die Kinder hüpfen um mich 'rum

Und singen heisa dudeldum!

Mein' Urschel und mein kleiner Hans,

Die drehen sich im Schleifertanz.


Und kommt der liebe Sonntag 'ran,

Zieh ich mein Scharlachwammes an,

Geh' in die Kirch' in guter Ruh'

Und hör' des Pfarrers Predigt zu.


Und komm' ich heim, so wird verzehrt,

Was mir der liebe Gott bescheert;

Und nach dem Essen les' ich dann

Im Krankentrost und Habermann.


Und bricht die Abendzeit herein,

So trink' ich halt mein Schöpple Wein;

Da liest der Herr Schulmeister mir

Was Neues aus der Zeitung für.


Dann geh ich heim im Köpfle warm

Und nimm mein liebes Weib in Arm;

Leg' mich ins Bett und schlaf froh ein,

Kann wohl ein Mensch vergnügter sein?

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 454-455.
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