Die zwei Schwesterseelen

[430] Schön ist Ludovika's Seele,

Der Zauberin mit Farben;

Schön ist Regina's Seele,

Der Zauberin mit Tönen;

Zwei Flammen Gottes fuhren sie,

Einander traulich umschlingend,

Aus der Hand des Menschenbilders,

Um der Erde Schmuck zu sein.


Ha, da sind sie nun –

Die zwei sich traulich umschlingenden

Gottesflammen,

Und zaubern mit Farben

Und zaubern mit Tönen;[430]

Aber was ist der Farben Zauberei,

Der Töne Zauberei

Gegen Ludovika's Madonnablick?

Gegen Regina's Herrscherblick?

Was Farbengemisch und Tonsturm

Gegen die Flämmchen voll Engelgefühl,

Auf Ludovika's Wange spielend?

Gegen die himmlische Gluth,

Die Regina's Antlitz verklärt?


Wenn Regina liegt an Ludovika's Busen,

Wenn Ludovika niederblickt

Auf ihre freundschaftathmende

Engelschwester;

Dann liebäugeln die Sterne,

Und aus Düften des Monds blicken Geister des Himmels

Und belächeln die Schwesterseelen.


Gott aber, der Wonneschaffer,

Thaut Segen auf sie und spricht:

Ludovika, Regina,

Lebt miteinander,

Sterbt miteinander!

Einst einigt euch ewig mein Himmel!


O Glücklicher! dem Regina

Den Himmelsgedanken zuhaucht:

Ich liebe dich! ewig die Deine!

Beneide kein Königsdiadem,

Keinen Kaiserthron,

Denn, Regina liebt dich!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 430-431.
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