Jägerlied

[59] Moorburg den 8ten April 1814.


Was blitzt in den Büschen so hell, was schallt

In dem grünen Gehege so munter?

Was zieht hervor aus dem dunkelen Wald

Und fern von den Bergen herunter?

Wir sind die Jäger, wir ziehn von Haus

Und wollen zum Feind in das Feld hinaus,

Zum Krieg,

Zum Sieg

Und zum Siegesschmaus.


Von dem lustigen Harzwald kommen wir her,

Wo nach Gold und nach Silber sie graben.

Uns frommet das Gold und das Silber nicht mehr,

Nur die Freyheit wollen wir haben.

Drum ließen wir Andern den thörigten Wahn

Und haben mit Eisen uns angethan;

Nur das Schwert

Hat Werth

Auf der blutigen Bahn.
[60]

Schön ist's, zu lieben, zu trinken schön,

Schön ist's zu schlummern im Grünen;

Doch fröhlicher ist's in der Schlacht zu stehn

Und sich Beut' und Kranz zu verdienen;

Hell lodert wie Liebe des Kampfes Gluth,

Und wo Viele schlummern, da schläft sich's gut,

Und es trinkt

Wer sinkt,

Sey's Wein, sey's Blut.


Oft haben wir wohl in der dunkeln Nacht

Bey Stürmen und Regenschauern

Hoch auf dem Fels und in Schluchten gewacht,

Um das streifende Wild zu belauern;

Jetzt ziehen wir muthig im Sonnenlicht

Und sehen dem Feind in das Angesicht.

Sey's Jagd,

Sey's Schlacht,

Uns kümmert's nicht.


Mag fliehen der Feige durch Wald und Feld,

Wenn die stärkere Zahl ihn bestreitet;

Wo das Wild uns in Schaaren entgegenprellt,

Da wird was Rechtes erbeutet.

Und wenn auch unzählig der Feind uns droht,

Uns blitzt aus den Händen der sichere Tod.

Ein Knall

Ein Fall,

Das ist Jägergebot.
[61]

Drum haltet zusammen und stehet fest,

Der Eine den Andern zu decken;

Wenn nur vom Freunde der Freund nicht läßt,

Kann wenig der Feind uns erschrecken.

Doch steht dein Nam' auf dem tödtlichen Bley,

So fliegt dir auch nimmer die Kugel vorbey;

Vom Freund,

Vom Feind,

Es ist einerley.


Denn der größte Jägersmann ist der Tod,

Der will an der Lust nur sich laben;

Wohl färbt er mit Blute die Haiden roth,

Doch die Beute läßt er den Raben.

Und er saust und braust mit Sturmes Gewalt

Hoch über die Berg' und über den Wald,

Und es bebt

Was lebt,

Wenn sein Jagdhorn schallt.


Doch was frommt's, vor dem mächtigen Jäger zu fliehn,

Der nimmer vorübergeschossen?

Viel rühmlicher ist es uns, mitzuziehn,

Dem Starken als starke Genossen,

Und wenn er auf uns auch den Bogen spannt,

Wer kühn ihm das Angesicht zugewandt,

Der fällt

Als Held

Von des Helden Hand.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 59-62.
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