Wechsel

[60] O Liebe, falsche Trügerin,

Mit Lust und Kosen Kriegerin,

In Demut stolze Siegerin,

Wie hast du mich betrogen!

Aus kühler Abgeschiedenheit,

Aus einsamer Zufriedenheit,

Aus aller Glut Vermiedenheit

Aufs neu herausgelogen!


Die dunkeln Locken mied ich schon,

Von bleichen Wangen schied ich schon,

Mit dem Verlangen stritt ich schon

Nach braunem Augensterne;

Ich von den regen Blicken süß

Nicht ferner mich berücken ließ,

Ich andern Sieg sie pflücken hieß,

Nur mir vom Herzen ferne.


Doch blonder Locken Helligkeit,

Doch blauen Aug's Gefälligkeit,

Doch schlanker Glieder Schnelligkeit,

Die däuchten mir nicht fährlich;

Die Blicke Glut nicht sprühende,

Die Wangen zart erblühende,

Die Lippen feucht erglühende,

Mir schien, sie meinten's ehrlich.
[60]

Nicht schmachtende Geduldigung,

Nicht eifernde Beschuldigung,

Nur Scherz und Gruß und Huldigung,

Nur Spiel und Lock' und Lippen!

Nicht dacht ich ach! der Freudige,

Mutwillig froh Geschmeidige,

Das heimlich bitter leidige,

Verliebte Gift zu nippen.


Wie höhnen nun die Brüder mich,

Wie brennt es durch die Glieder mich,

Wie stralt verderbend wider mich

Die leichte, schlanke Blonde!

So blauer Augen schnelle Glut,

So gelber Locken helle Flut!

Braus' auf mein Herz und schwelle Blut,

Wie Meereswell' im Monde!

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 60-61.
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