Vierte Szene

[268] Getümmel, Angriffe. Hierauf kommen der König, Prinz Heinrich, Prinz Johann und Westmoreland.


KÖNIG HEINRICH.

Ich bitte dich,

Heinrich, geh in dein Zelt: du blutest stark.

Geht mit ihm, Lord Johann von Lancaster!

PRINZ JOHANN.

Ich nicht, mein Fürst, ich müßte selbst denn bluten.

PRINZ HEINRICH.

Ich bitte Eure Majestät, brecht auf:

Es schreckt die Unsern, wenn man Euch vermißt.

KÖNIG HEINRICH.

Das will ich auch.

Mylord von Westmoreland, führt ihn in sein Zelt!

WESTMORELAND.

Kommt, Prinz, ich will in Euer Zelt Euch führen.

PRINZ HEINRICH.

Mich führen, Herr? Ich brauche keine Hülfe.

Verhüte Gott, daß einer Schramme wegen[268]

Der Prinz von Wales verlassen sollt' ein Feld,

Wo blutbefleckt der Adel liegt im Staub

Und Aufruhr im Gemetzel triumphiert!

PRINZ JOHANN.

Wir ruhn zu lang: – kommt, Vetter Westmoreland!

Dort ruft uns Pflicht; um Gottes willen, kommt!


Prinz Johann und Westmoreland ab.


PRINZ HEINRICH.

Beim Himmel, Lancaster, du täuschtest mich;

Ich glaubte nicht dich Meister solches Muts:

Zuvor liebt' ich als Bruder dich, Johann,

Doch nun verehr' ich dich wie meine Seele.

KÖNIG HEINRICH.

Ich sah ihn Percy von der Brust sich wehren

Und rüst'ger stand ihm halten, als sich ließ

Erwarten von so unerwachsnem Krieger.

PRINZ HEINRICH.

Oh, dieser Knabe leiht uns allen Feuer.


Ab.


Getümmel. Douglas tritt auf.


DOUGLAS.

Ein andrer König noch!

Sie wachsen wie der Hydra Köpfe nach.

Ich bin der Douglas, allen denen tödlich,

Die diese Farben tragen. – Wer bist du,

Der du als König dich verkleidet hast?

KÖNIG HEINRICH.

Der König selbst, dem's herzlich leid ist, Douglas,

Daß du so viele seiner Schatten trafst

Und nicht den König selbst. Zwei Söhne hab' ich,

Die suchen dich und Percy rings im Feld;

Doch da du dich so glücklich dargeboten,

Nehm' ich es auf mit dir: verteid'ge dich!

DOUGLAS.

Ich fürcht', auch du bist nur ein Afterbild,

Und doch, mein' Treu', gehabst du dich als König.

Doch mein bist du gewiß, wer du auch seist,

Und so besieg' ich dich.


Sie fechten: da der König in Gefahr ist, kommt Prinz Heinrich dazu.


PRINZ HEINRICH.

Das Haupt auf, schnöder Schotte, oder nie

Hältst du es wiederum empor! Die Geister[269]

Des Shirley, Stafford, Blunt sind all' in mir.

Es ist der Prinz von Wales, der dich bedroht,

Der nie verheißt, wo er nicht zahlen will.


Sie fechten, Douglas flieht.


Getrost, mein Fürst! Wie steht's mit Euer Hoheit?

Sir Nicholas Gawsey hat gesandt um Hülfe,

Und Clifton auch; ich will zum Clifton gleich.

KÖNIG HEINRICH.

Halt! Atm' ein Weilchen auf!

Du hast gelöset die verlorne Meinung

Und dargetan, mein Leben sei dir teuer,

Da du so edle Rettung mir gebracht.

PRINZ HEINRICH.

O Himmel, wie mir die zu nahe taten,

Die stets gesagt, ich laur' auf Euren Tod!

Wär' das, so konnt' ich ja gewähren lassen

Die freche Hand des Douglas über Euch,

Die Euch so schleunig hätte weggerafft,

Als alle gift'gen Tränke in der Welt,

Und Eurem Sohn Verräter-Müh' erspart.

KÖNIG HEINRICH.

Brich auf zum Clifton: ich zu Nicholas Gawsey.


König Heinrich ab. Percy tritt auf.


PERCY.

Irr' ich mich nicht, so bist du Heinrich Monmouth.

PRINZ HEINRICH.

Du sprichst, als wollt' ich meinen Namen leugnen.

PERCY.

Mein Nam' ist Heinrich Percy.

PRINZ HEINRICH.

Gut, so seh' ich

Den tapfersten Rebellen dieses Namens.

Ich bin der Prinz von Wales, und denk' nicht, Percy,

An Herrlichkeit mir ferner gleich zu stehn:

Zwei Sterne kreisen nicht in einer Sphäre;

In einem England können zwei nicht herrschen,

Du, Heinrich Percy, und der Prinz von Wales.

PERCY.

Gewiß nicht, Heinrich! Denn die Stunde kam,

Wo einer von uns endet; wollte Gott,

Dein Nam' in Waffen wär' so groß als meiner!

PRINZ HEINRICH.

Ich mach' ihn größer, eh' ich von dir scheide.[270]

Und alle Ehren, auf dem Helm dir sprießend,

Will ich zum Kranze pflücken für mein Haupt.

PERCY. Nicht länger duld' ich deine Prahlerei'n.


Sie fechten. Falstaff tritt auf.


FALSTAFF.

Recht so, Heinz! Dran, Heinz! –

Nein, hier gibt's kein Kinderspiel, das könnt ihr glauben.


Douglas kommt und ficht mit Falstaff, der niederfällt, als wenn er tot wäre. Hierauf Douglas ab. Percy wird verwundet und fällt.


PERCY.

O Heinrich, du beraubst mich meiner Jugend!

Mich kränkt nicht der Verlust des flücht'gen Lebens

Wie dein an mir ersiegter stolzer Ruhm:

Der trifft den Sinn, mehr als dein Schwert mein Fleisch.

Doch ist der Sinn des Lebens Sklav', das Leben

Der Narr der Zeit; und Zeit, des Weltlaufs Zeugin,

Muß enden. Oh, ich könnte prophezein,

Nur daß die erd'ge, kalte Hand des Todes

Den Mund mir schließt. – Nein, Percy, du bist Staub

Und Speise für –


Stirbt.


PRINZ HEINRICH.

Für Würmer, wackrer Percy! Großes Herz, leb wohl!

Wie eingeschwunden, schlecht gewebter Ehrgeiz!

Als dieser Körper einen Geist enthielt,

War ihm ein Königreich zu enge Schranke;

Nun sind zwei Schritte der gemeinsten Erde

Ihm Raum genug. – Kein beßrer Krieger lebt

In diesem Lande, wo du leblos liegst.

Wenn du gefühlig wärst für Freundlichkeit,

So würd' ich nicht so warmen Eifer zeigen.

Doch laß mich dein entstellt Gesicht verhüllen

Mit meinem Schmuck; und selbst in deinem Namen

Dank' ich mir diese holden Liebesdienste.

Leb wohl, und nimm dein Lob mit dir zum Himmel!

Es schlaf' im Grabe deine Schmach mit dir

Und sei in deiner Grabschrift nicht erwähnt!

Er sieht Falstaff am Boden liegen.[271]


Wie, alter Freund? Konnt' all dies Fleisch denn nicht

Ein bißchen Leben halten? Armer Hans, leb wohl!

Ich könnte besser einen Bessern missen.

Oh, bitter würde dein Verlust mich schmerzen,

Wenn mir die Eitelkeit noch läg' am Herzen!

Heut hat der Tod manch edles Wild umstellt,

Doch kein so feistes Wild als dies gefällt.

So lange, bis ich eingesargt dich sehe,

Lieg' hier im Blut, in edlen Percys Nähe!


Ab.


FALSTAFF langsam aufstehend. Eingesargt! Wenn du mich heute einsargst, so gebe ich dir Erlaubnis, mich morgen einzupökeln, und zu essen obendrein. Blitz, es war Zeit, eine Maske anzunehmen, sonst hätte mich der hitzige Brausekopf von Schotten gar zum Schatten gemacht. Eine Maske? Ich lüge, ich bin keine Maske; sterben heißt eine Maske sein, denn der ist nur die Maske eines Menschen, der nicht das Leben eines Menschen hat; aber die Maske des Todes annehmen, wenn man dadurch sein Leben erhält, heißt das wahre und vollkommne Bild des Lebens sein. Das bessere Teil der Tapferkeit ist Vorsicht, und mittelst dieses besseren Teils habe ich mein Leben gerettet. Wetter, ich fürchte mich vor dem Schießpulver Percy, ob er schon tot ist; wenn er auch eine Maske angenommen hätte und stünde auf? Ich fürchte, er würde seine Maske besser spielen. Darum will ich ihn in Sicherheit bringen, ja, und will schwören, daß ich ihn umgebracht habe. Warum könnte er nicht eben so gut aufstehen wie ich? Nichts kann mich widerlegen als Augen, und hier sieht mich niemand. Er sticht nach ihm. Also kommt, Bursch! Mit einer neuen Wunde im Schenkel müßt Ihr mit mir fort. Nimmt Percy auf den Rücken.


Prinz Heinrich kommt mit Prinz Johann.


PRINZ HEINRICH.

Komm, Bruder! Mannhaft hast du eingeweiht

Dein junges Schwert.

PRINZ JOHANN.

Doch still! Was gibt es hier?

Spracht Ihr nicht, dieser feiste Mann sei tot?

PRINZ HEINRICH.

Ich tat's; ich sah tot, atemlos und blutend

Ihn auf dem Boden –[272]

Sag, lebst du, oder ist es Phantasie,

Die das Gesicht uns blendet? Bitte, sprich!

Wir traun nicht unserm Aug' ohn' unser Ohr:

Du bist nicht, was du scheinst.

FALSTAFF. Ja, das ist gewiß, denn ich bin kein doppelter Mensch, aber wenn ich nicht Hans Falstaff bin, so bin ich ein Hanswurst. Da habt Ihr den Percy: Wirft den Leichnam nieder. Will Euer Vater mir etwas Ehre erzeigen, gut; wo nicht, so laßt ihn den nächsten Percy selbst umbringen! Ich erwarte, Graf oder Herzog zu werden, das kann ich Euch versichern.

PRINZ HEINRICH. Ei, den Percy brachte ich selbst um und sah dich tot.

FALSTAFF. So, wirklich? – Ach, großer Gott, wie die Welt dem Lügen ergeben ist! – Ich gebe Euch zu, ich war am Boden und außer Atem; das war er auch; aber wir standen beide in einem Augenblicke auf und fochten eine gute Stunde nach der Glocke von Shrewsbury. Will man mir glauben, gut; wo nicht, so fällt die Sünde auf deren Haupt, die die Tapferkeit belohnen sollten. Ich sterbe darauf, daß ich ihm diese Schenkelwunde versetzt habe; lebte der Mann noch und wollte es leugnen, so sollte er ein Stück von meinem Degen aufessen.

PRINZ JOHANN.

Nie hört' ich solche seltsame Geschichte.

PRINZ HEINRICH.

Dies ist ein seltsamer Gesell, mein Bruder. –

Komm, trag' die Bürde stattlich auf dem Rücken:

Für mein Teil, schafft dir eine Lüge Gunst,

Vergold' ich sie mit meinen schönsten Worten.

Trompeten.


Man bläst zum Rückzug, unser ist der Tag.

Kommt, Bruder, gehn wir auf der Walstatt Höhe,

Zu sehn, wer lebt, wer tot ist von den Freunden!


Beide ab.


FALSTAFF. Ich will hinterdrein, nach Lohn gehn. Wer mich belohnt, dem lohne es Gott! Wenn ich zunehme, so will ich abnehmen, denn ich will purgieren, und den Sekt lassen, und säuberlich leben, wie sich's für einen Edelmann schickt.


Geht ab mit der Leiche.[273]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 268-274.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon