Vierte Szene

[523] London. Der Garten des Tempels.


Die Grafen von Somerset, Suffolk und Warwick; Richard Plantagenet, Vernon und ein andrer Rechtsgelehrter treten auf.


PLANTAGENET.

Ihr großen Lords und Herrn, was soll dies Schweigen?

Will niemand reden in der Wahrheit Sache?

SUFFOLK.

Wir waren allzulaut im Tempel-Saal,

Der Garten hier ist schicklicher dazu.

PLANTAGENET.

So sagt mir eins, ob Wahrheit ich behauptet,

Ob nicht der Zänker Somerset geirrt?

SUFFOLK.

Traun, ich war Müßiggänger in den Rechten:

Ich konnte nie darnach den Willen fügen

Und füge drum das Recht nach meinem Willen.

SOMERSET.

So richtet Ihr, Lord Warwick, zwischen uns.[523]

WARWICK.

Von zweien Falken, welcher höher steigt,

Von zweien Hunden, welcher tiefer bellt,

Von zweien Klingen, welche beßrer Stahl,

Von zweien Pferden, wessen Haltung besser,

Von zweien Mädchen, welche muntrer äugelt,

Hab' ich wohl einen flachen Sinn des Urteils:

Doch von des Rechts Praktik und spitzen Kniffen

Hat wahrlich eine Dohle mehr begriffen.

PLANTAGENET.

Pah, welche höfliche Zurückhaltung!

Die Wahrheit steht so nackt auf meiner Seite,

Daß selbst das blödste Aug' sie finden kann.

SOMERSET.

Auf meiner Seit' ist sie so wohl gekleidet,

So klar, so strahlend und so offenbar,

Daß sie durch eines Blinden Auge schimmert.

PLANTAGENET.

Weil Redescheu die Zungen denn euch bindet,

Erklärt in stummen Zeichen die Gedanken.

Es pflücke, wer ein echter Edelmann

Und auf der Ehre seines Bluts besteht,

Wenn er vermeint, ich bringe Wahrheit vor,

Mit mir von diesem Strauch 'ne weiße Rose.

SOMERSET.

So pflücke, wer kein Feiger ist noch Schmeichler

Und die Partei der Wahrheit halten darf,

Mit mir von diesem Dorn 'ne rote Rose.

WARWICK.

Ich liebe Schminke nicht; ohn' alle Schminke

Der kriechenden gewandten Schmeichelei

Pflück' ich die weiße Rose mit Plantagenet.

SUFFOLK.

Mit Somerset pflück' ich die rote Rose

Und sag', ich halte recht, was er behauptet.

VERNON.

Noch haltet, Lords und Herrn, und pflückt nicht mehr,

Bis ihr beschließt, daß der, auf dessen Seite

Vom Baume wen'ger Rosen sind gepflückt,

Des andern rechte Meinung soll erkennen.

SOMERSET.

Mein guter Meister Vernon, wohl bemerkt!

Still geb' ich nach, hab' ich die mindre Zahl.

PLANTAGENET.

Ich auch.[524]

VERNON.

Dann, für der Sache Recht und Wahrheit pflücke

Ich die jungfräulich blasse Blüte hier,

Den Ausspruch gebend für die weiße Rose.

SOMERSET.

Stecht nicht den Finger, wie Ihr ab sie pflückt,

Sonst färbt Ihr, blutend, rot die weiße Rose

Und fallt auf meine Seite wider Willen.

VERNON.

Mylord, wenn ich für meine Meinung blute,

So wird die Meinung auch den Schaden heilen

Und mich bewahren auf der jetz'gen Seite.

SOMERSET.

Gut, gut: nur zu! Wer sonst?

RECHTSGELEHRTER zu Somerset.

Wofern nicht meine Kunst und Bücher lügen,

So habt Ihr unrecht Euren Satz geführt:

Zum Zeichen des pflück' ich die weiße Rose.

PLANTAGENET.

Nun, Somerset, wo ist nun Euer Satz?

SOMERSET.

Hier in der Scheide; dies erwägen, wird

Die weiße Rose blutig rot Euch färben.

PLANTAGENET.

Indes äfft Eure Wange unsre Rosen,

Denn sie ist blaß vor Furcht, als zeugte sie

Für unsre Wahrheit.

SOMERSET.

Nein, Plantagenet,

's ist nicht aus Furcht, – aus Zorn, daß deine Wangen,

Vor Scham errötend, unsre Rosen äffen

Und deine Zunge doch dein Irren leugnet.

PLANTAGENET.

Stach dir kein Wurm die Rose, Somerset?

SOMERSET.

Hat deine keinen Dorn, Plantagenet?

PLANTAGENET.

Ja, einen scharfen, wahr sich zu behaupten,

Indes dein Wurm an seiner Falschheit nagt.

SOMERSET.

Wohl, Freunde find' ich für mein Rosenblut,

Die da behaupten, daß ich wahr gesagt,

Wo sich Plantagenet nicht sehn darf lassen.

PLANTAGENET.

Bei dieser reinen Blüt' in meiner Hand,

Ich spotte, Knabe, dein und deiner Tracht.

SUFFOLK.

Kehr' sonst wohin den Spott, Plantagenet.

PLANTAGENET.

Nein, stolzer Poole, ich spotte sein und dein.

SUFFOLK.

Mein Teil davon werf' ich in deinen Hals.

SOMERSET.

Fort, guter William de la Poole! Wir tun

Dem Bauern zu viel Ehr', mit ihm zu reden.[525]

WARWICK.

Bei Gott, du tust ihm Unrecht, Somerset.

Sein Urgroßvater war ja Lionel,

Herzog von Clarence, und der dritte Sohn

Des dritten Eduard, Königes von England.

Treibt solche Wurzel wappenlose Bauern?

PLANTAGENET.

Er macht des Platzes Vorrecht sich zu Nutz,

Sein zaghaft Herz ließ' ihn das sonst nicht sagen.

SOMERSET.

Bei dem, der mich erschuf, ich will mein Wort

Auf jedem Fleck der Christenheit behaupten,

Ward nicht dein Vater, Richard Graf von Cambridge,

Zur Zeit des vor'gen Königs um Verrat gerichtet?

Und hat nicht sein Verrat dich angesteckt,

Geschändet und entsetzt vom alten Adel?

In deinem Blut lebt seine Missetat,

Und, bis zur Herstellung, bist du ein Bauer.

PLANTAGENET.

Mein Vater war beklagt, nicht überwiesen;

Starb, um Verrat verdammt, doch kein Verräter:

Und das beweis' ich Höhern noch als Somerset,

Reift meinem Willen erst die Zeit heran.

Was Euren Helfer Poole und Euch betrifft,

So zeichn' ich Euch in mein Gedächtnis-Buch,

Um Euch zu züchtigen für diese Rüge.

Seht Euch denn vor und sagt, daß ich Euch warnte.

SOMERSET.

Nun wohl, du sollst bereit uns immer finden

Und uns an dieser Farb' als Feind' erkennen,

Die meine Freunde tragen dir zum Trotz.

PLANTAGENET.

Und diese bleiche und erzürnte Rose,

Als Sinnbild meines blutbedürft'gen Hasses,

Will ich, bei meiner Seele! künftig tragen,

Ich selber und mein Anhang immerdar,

Bis sie mit mir zu meinem Grabe welkt

Oder zur Höhe meines Rangs erblüht.

SUFFOLK.

Geh vorwärts, und ersticke dich dein Ehrgeiz!

Und so leb wohl, bis ich dich wieder treffe.


Ab.


SOMERSET.

Ich folge, Poole. Leb wohl, ehrgeiz'ger Richard!


Ab.


PLANTAGENET.

Wie man mir trotzt, und doch muß ich es dulden.

WARWICK.

Der Fleck, den sie an Eurem Hause rügen,[526]

Wird ausgelöscht im nächsten Parlament,

Das Winchester und Gloster soll vergleichen;

Und wenn man dann dich nicht zum York ernennt,

So will ich länger nicht für Warwick gelten.

Indes, zum Pfand, daß ich dich vorgezogen

Dem stolzen Somerset und William Poole,

Trag' ich auf deiner Seite diese Rose

Und prophezeie hier: der heut'ge Zank,

Der zur Parteiung ward im Tempel-Garten,

Wird zwischen roter Rose und der weißen

In Tod und Todsnacht tausend Seelen reißen.

PLANTAGENET.

Euch, guter Meister Vernon, sag' ich Dank,

Daß Ihr die Blume mir zu Lieb gepflückt.

VERNON.

Beständig will ich, Euch zu Lieb, sie tragen.

RECHTSGELEHRTER.

Das will ich ebenfalls.

PLANTAGENET.

Kommt, gehn wir vier zur Mahlzeit; ich darf sagen:

Blut trinkt noch dieser Streit in andern Tagen.


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 523-527.
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