Dritte Szene

[588] Saal in Paulinas Hause.


Es treten auf Leontes, Polyxenes, Florizel, Perdita, Camillo, Paulina, Hofherren und Gefolge.


LEONTES.

Oh, würdige Paulina, wie viel Trost

Empfing ich stets von dir!

PAULINA.

Was, gnäd'ger Herr,

Ich unrecht tat, meint' ich doch recht. Mein Dienst

Ist reich bezahlt, dadurch, daß Ihr geruht,

Mit Eurem Bruder und den Neuverlobten,

Einst Herrschern hier, mein armes Haus zu sehn:

Es ist ein Übermaß von Huld; mein Leben

Zu kurz, um Euch zu danken.

LEONTES.

Oh, Paulina,

Beläst'gung dünkt dich Ehre. Doch wir kamen,

Zu sehn der Kön'gin Standbild; deine Säle

Durchgingen wir, nicht ohne groß Ergötzen

An mancher Seltenheit; doch sahn wir nicht,

Was meine Tochter sehnlich wünscht zu schaun,

Der Mutter Bild.

PAULINA.

So wie sie unvergleichlich

Im Leben war, so, glaub' ich, übertrifft

Ihr totes Abbild, was Ihr je gesehn

Und Menschenhand je schuf: drum halt' ich's hier

Liebend gesondert: schaut, und seid gefaßt,

Zu sehn, wie dies lebendig höhnt das Leben,

Mehr als der Schlaf den Tod: hier; sagt, 's ist gut.


Sie zieht einen Vorhang weg, man sieht eine Statue,[588]


Recht, daß Ihr schweigt, es drückt am besten aus,

Wie Ihr erstaunt: doch sprecht – zuerst, mein König,

Ist's ihr nicht ziemlich gleich?

LEONTES.

Ganz ihre Haltung! –

Schilt mich, geliebter Stein; dann mag ich sagen,

Du seist Hermione: doch mehr bist du's,

Da du so freundlich schweigst; denn sie war mild,

Wie Kindheit und wie Gnade. – Doch, Paulina,

Hermione war nicht gealtert, so

Wie dieses Bildnis scheint.

POLYXENES.

Nein, wahrlich nicht.

PAULINA.

Um so viel höher steht des Bildners Kunst,

Der sechzehn Jahre überhüpft, sie schaffend,

Als lebte jetzt sie.

LEONTES.

Wie sie jetzt noch könnte,

Zum süßen Trost mir, so wie nun der Anblick

Mein Herz durchschneidet. Oh! so stand sie da,

In so lebend'ger Hoheit (warmes Leben.

Was kalt nun da steht), als zuerst ich warb.

Ich bin beschämt: wirft nicht der Stein mir vor,

Ich sei mehr Stein als er? – Oh, fürstlich Bild,

In deiner Majestät ist Zaubermacht,

Die meine Sünden neu herauf beschwört,

Dein staunend Kind der Lebenskraft beraubt,

Daß sie da steht, ein Stein wie du!

PERDITA.

Vergönnt:

Und nennt's nicht Aberglauben, wenn ich knie'

Und bitt' um ihren Segen! – Teure Kön'gin,

Die endete, als ich begann zu leben,

Reich' mir die Hand zum Kuß!

PAULINA.

Oh, nicht so rasch!

Das Bild ist kürzlich erst vollendet, noch

Sind nicht die Farben trocken.

CAMILLO.

Mein Fürst, Eu'r Schmerz ist allzu tief gewurzelt;

Da sechzehn Winterstürm' ihn nicht verweht,

Noch sechzehn Sommer ausgetrocknet: kaum

Lebt Freude je so lang', und Kummer nie,

Er bringt sich früher selber um.[589]

POLYXENES.

Mein Bruder,

Laßt ihm, der Ursach' hiezu gab, das Recht,

So viel des Grams Euch zu erleichtern, als

Er gerne mit Euch trägt.

PAULINA.

Gewiß, mein König,

Hätt' ich gewußt, daß dies mein armes Bild

Euch so bewegte (denn der Stein ist mein),

Ich hätt' es nicht gezeigt.

LEONTES.

Zieh' nicht den Vorhang!

PAULINA.

Ihr sollt nicht länger schaun; in der Verzückung

Glaubt Ihr am End', es regt sich.

LEONTES.

Laß, o laß!

Könnte mein Tod – doch sieh, – mich dünkt bereits –

Wer war es, der dies schuf? – O seht, mein Fürst,

Ist's nicht, als ob es atmet? warmes Blut

Durch diese Adern fließt?

POLYXENES.

Ein Meisterwerk:

Das Leben selbst spielt warm auf ihrer Lippe.

LEONTES.

Der Glanz in ihrem Auge hat Bewegung.

Kann uns die Kunst so täuschen?

PAULINA.

Ich verhüll' es;

Mein König ist so außer Fassung; endlich

Denkt er noch gar, es lebt.

LEONTES.

O teure Freundin,

Mach', daß ich immer zwanzig Jahr so denke;

Nicht die Vernunft der ganzen Welt kommt gleich

Der Wonne dieses Wahnsinns. Zieh' nicht vor!

PAULINA.

Es ängstet mich, daß ich Euch so erregt:

Ich könnt' Euch stärker noch erschüttern.

LEONTES.

Tu's;

Denn dies Erschüttern ist so süße Kost,

Wie je ein Labetrunk. – Mich dünkt noch immer,

Es atmet von ihr her: welch zarter Meißel

Grub jemals Hauch? Oh, spottet meiner nicht,

Ich will sie küssen.

PAULINA.

Nicht doch, teurer Fürst:

Die Röt' auf ihren Lippen ist noch naß;[590]

Eu'r Kuß verdirbt es, und gibt Euch von Öl

Und Farbe Flecken. Schließ' ich jetzt den Vorhang?

LEONTES.

Die zwanzig Jahre nicht.

PERDITA.

Auch ich ständ' hier

So lange wohl, es anzuschaun.

PAULINA.

Verlaßt

Die Halle jetzt; wo nicht, bereitet Euch

Auf größres Staunen: wenn Ihr's tragen könnt,

So mach' ich, daß das Bild sich regt, herab steigt,

Und Eure Hand ergreift: doch glaubt Ihr dann

(Was ich abschwören mag), ich steh' im Bund

Mit böser Macht.

LEONTES.

Was du sie heißest tun,

Das seh' ich an mit Freuden; was sie sprechen,

Das hör' ich an mit Freuden: denn so leicht

Machst du sie sprechen wohl, als gehn.

PAULINA.

Ihr müßt

Den Glauben wecken: und nun alle still;

Und die, so für ein unerlaubt Beginnen

Dies halten, mögen fort gehn.

LEONTES.

Säume nicht:

Jedweder bleibe!

PAULINA.

Wecke sie, Musik!


Musik.


Zeit ist's: sei nicht mehr Stein, komm, steig' herab;

Füll' alle, die dich sehn, mit Staunen! Nahe,

Dein Grab verschließ' ich: nun, so komm doch her;

Dem Tod vermach' dein Starrsein, denn von ihm

Erlöst dich frohes Leben. – Schaut, sie regt sich.


Hermione steigt herab.


Erschreckt nicht: heilig ist ihr Tun, und auch

Mein Zauberspruch ist fromm: nicht kehrt Euch von ihr,

Sonst seht Ihr wiederum sie sterben; dann

Habt Ihr sie zweimal umgebracht. Die Hand her:

Als sie noch jung, da warbt Ihr; jetzt, im Alter,

Muß sie das Frein beginnen.[591]

LEONTES indem er sie umarmt.

Sie ist warm!

Ist dies Magie, so sei sie eine Kunst,

Erlaubt wie Essen.

POLYXENES.

Sie umarmt ihn wirklich.

CAMILLO.

Sie hängt an seinem Hals;

Und lebt sie dann, so mag sie sprechen auch.

POLYXENES.

Ja, und verkünden, wo sie hat gelebt,

Wie sie dem Tod entronnen.

PAULINA.

Daß sie lebt,

Wenn man's Euch sagte, würdet Ihr's verlachen

So wie ein altes Märchen: doch Ihr seht,

Sie lebt, spricht sie gleich nicht. Nur noch ein Weilchen! –

Ihr, schönes Kind, müßt dies bewirken: kniet,

Um Eurer Mutter Segen! – Teure Fürstin,

Schaut her, gefunden unsre Perdita!


Perdita kniet vor der Königin.


HERMIONE.

Ihr Götter, blickt herab,

Und Gnade gießt aus euren heil'gen Schalen

Auf meiner Tochter Haupt! – O sprich, mein Einz'ges,

Wie du gerettet wardst, wo du gelebt?

Wie her zum Vater kamst? Dann wisse du,

Ich – durch Paulina hörend, das Orakel

Gab Hoffnung, daß du lebst, – verbarg mich hier,

Den Schluß erwartend.

PAULINA.

Spart dies andern Stunden;

Sonst fragt, erzählt im Schreck hier jeder, trübt

Den Wonnentaumel so. – Geht mit einander,

Ihr seligen Gewinner: nur Entzücken

Sprecht alle jetzt! Ich alte Turteltaube

Schwing' mi'ch auf einen dürren Ast und weine

Um meinen Gatten, der nie wieder kommt,

Bis ich gestorben bin.

LEONTES.

Paulina, nein;

Du mußt von meiner Hand den Gatten nehmen,

Wie ich von dir ein Weib: so war's beschlossen,

Beschworen unter uns. Du fandst die Meine,

Wie, muß ich noch erfahren: denn ich sah sie,[592]

So glaubt' ich, tot; und manch Gebet, im Wahn,

Sprach ich auf ihrem Grab. Nicht such' ich weit

(Da mir sein Sinn zum Teil bekannt) für dich

Den ehrenvollen Gatten: – Komm, Camillo,

Nimm ihre Hand: du, dessen Ehr' und Treue

So wohl bewährt und hier bekräftigt ist

Von zweien Königen. – Komm fort von hier! –

Wie? – Schau auf meinen Bruder – Oh, verzeiht,

Daß zwischen euren frommen Blicken je

Mein böser Argwohn stand, – dies ist dein Eidam,

Und dieses Königs Sohn, durch Himmelsfügung

Verlobt mit deiner Tochter. O Paulina,

Führ' uns von hier, daß dann mit beßrer Muße

Ein jeder frag' und höre, welche Rolle

Wir in dem weiten Raum der Zeit gespielt,

Seit wir zuerst uns trennten. Folgt mir schnell!

Alle ab.[593]

Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975.
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