Zweite Szene

[274] Ebendaselbst.


Holofernes, Nathanael und Dumm treten auf.


HOLOFERNES. Satis quod sufficit.

NATHANAEL. Ich preise Gott für Euch, Sir; Euere Tischreden waren vielgekörnt und sentenzenreich, ergötzlich ohne Skurrilität, witzig ohne Affektation, kühn ohne Frechheit, gelahrt ohne Eigendünkel und paradox ohne Ketzerei. Ich diskurrierte an einem dieser quondam Tage mit einem Gesellschafter des Königs, welcher tituliert, benamset oder genannt wird Don Adriano de Armado.[274]

HOLOFERNES. Novi hominem tanquam te: sein Humor ist hochfliegend, seine Redeweise gebieterisch, seine Zunge pfeilscharpf, sein Auge ehrsüchtig, sein Gang majestätisch, und sein Betragen überall pomphaft, lächerlich und thrasonisch. Er ist zu erlesen, zu verschniegelt, zu zierhaft, zu absonderlich, sozusagen; ja, daß ich mich des Ausdrucks bediene, zu ausländerisch.

NATHANAEL. Ein höchst eigentümliches und auserwähltes Prädikat. Er nimmt seine Schreibtafel.

HOLOFERNES. Er zeucht den Faden seiner Loqua zität feiner, als es der Wollenvorrat seiner Gedanken verträgt. Ich abscheue dergleichen adrogante Phantasmen, solche ungeselligliche und zierausbündige Pürschlein, solche Folterknechte Ortographiae, als die da sagen: »kein« statt: »nicht ein«; – »Harfe« statt: »Harpfe«; er spricht statt: »er scheußet«, »er schießt«; »ich verleure«, vocatur »verliere«; er benamset einen »Nachbauer«, »Nachbar«; »Viech«, abbreviieret, »Vieh«; Pfui (welches er verunstalten würde in »fi«)! solches ist ein Scheuel und Greuel; es reget in mir auf Ingrimmigkeit; ne intelligis, domine? machet mich fast gallenerbittert, ja abersinnig.

NATHANAEL. Laus deo, bone intelligo.

HOLOFERNES. Bone? – bone, für bene: Priscianus einigermaßen geohrfeiget: muß hingehen.

Armado, Motte und Schädel treten auf.


NATHANAEL. Videsne qui venit?

HOLOFERNES. Video et gaudeo.

ARMADO. Bursch, –

HOLOFERNES. Quare Bursch? warum nicht Pursch? –

ARMADO. Männer des Friedens, willkommen!

HOLOFERNES. Höchst kriegerischer Herr, Salutationem.

MOTTE beiseit zu Schädel. Sie sind auf einem großen Schmaus von Sprachen gewesen und haben sich die Brocken gestohlen.

SCHÄDEL. Oh, sie zehren schon lange aus dem Almosenkorb der Worte. Mich wundert, daß dein Herr dich nicht schon als ein Wort aufgegessen hat; denn du bist von Kopf zu Fuß[275] noch nicht so lang als honorificabilitudinitatibus: man schlingt dich leichter hinunter als ein Mandelschiffchen.

MOTTE. Still, das Läuten fängt an.

ARMADO zu Holofernes. Monsieur, seid Ihr kein Literatus?

MOTTE. Ja, ja, er erklärt den Buben die Fibel. Was reimt sich auf Graf und trägt Hörner auf dem Kopf? –

HOLOFERNES. Auf Graf, pueritia?

MOTTE. Ihr selbst, o einfältiges Schaf, mit Euren Hörnern: da hört Ihr nun seine Gelehrsamkeit.

HOLOFERNES. Quis, quis, du Konsonant? –

MOTTE. Begreift Ihr's nicht? – Teilt euch einmal in den Namen Erich, laßt den die erste Hälfte sagen, und sprecht Ihr die zweite, da sollt Ihr's hören. Wer ist das Schaf?

ARMADO. Er.

HOLOFERNES. Ich.

ARMADO. Nun, bei der salzigen Woge des Mediterraneums, ein artiger Stoß, eine lebhafte Stoccata: tiktak, spitzig und witzig: es erfreut meinen Scharfsinn: es ist echter Humor, dem Sitz des Hauptes entsprossen.

MOTTE. Oder echte Sprossen, die auf dem Haupte sitzen.

HOLOFERNES. Was besaget diese Allusion? diese Figur?

MOTTE. Hörner.

HOLOFERNES. Du disputierest wie Infantia; geh, peitsche deinen Kreisel!

MOTTE. Leiht mir Euer Horn, einen draus zu drechseln und herumzupeitschen Eure infamia, circum, circa: ein Kreisel von Hahnreihorn! –

SCHÄDEL. Und hätte ich nur einen Pfennig im Sack, du solltest ihn haben, um dir Pfeffernüsse zu kaufen; halt, da ist noch dieselbe Remuneration, die ich von deinem Herrn bekam, du Hellerbüchse von Witz, du Taubenei von Manierlichkeit. Ei, wenn's der Himmel doch so gefügt hätte, daß du nur mein Bastard wär'st! Zu welchem freudigen Vater würdest du mich machen! – Geh, Kleiner, du triffst es ad unken, den Nagel auf den Kopf, wie man zu sagen pflegt.

HOLOFERNES. Oho, ich wittere falsches Latein; – für ad unguem.[276]

ARMADO. Kunstmann, praeambula; wir wollen uns abscheiden von den Barbaren. Diszipliniert Ihr nicht pueritiam in dem Scholarchengebäude auf dem Haupte des Gebirges?

HOLOFERNES. Oder auf mons, dem Hügel.

ARMADO. Je nach Eurem gütigen Wohlgefallen, statt des Gebirgs.

HOLOFERNES. Also tue ich, senza dubbio.

ARMADO. Sir, es ist des Königs allerliebstes Wohlmeinen und Affektation, die Prinzessin zu beglückwünschen in ihren Pavilionen, in den Posterioribus des Tages, welche der rohe Pöbel nennt – Nachmittag.

HOLOFERNES. Die Posteriora des Tages, höchst edelmütiger Ritter, sind adäquat, kongruent und anfügsam für den Nachmittag; das Wort ist selekt, erlesen süß und würzig, das beteuere ich, hochansehnlicher Herr, das beteuere ich.

ARMADO. Herr, der König ist ein wackrer Edelmann, und mein vertrauter, ich darf sagen, mein sehr guter Freund, – was innerlich unter uns vorgeht, dessen sei nichts erwähnt; ich bitte dich, gedenke nicht dieses Zeremoniells, ich bitte dich, laß dein Haupt gedeckt, – und benebst andern gewichtvollen und höchst ernstlichen Entwürfen – und gewiß von nachdrücklichem Gewicht –, aber dessen sei nichts erwähnt –: denn ich muß dir sagen, es ist Seiner Majestät gefällig – beim Sonnenlicht! –, manchmal sich zu lehnen auf meine unwürdige Schulter, und mit ihren königlichen Fingern so zu tändeln mit meinem Auswuchs, meinem Knebelbart: allein, süßes Herz, dessen sei nichts erwähnt. Beim Licht des Äthers! ich trage dir keine Fabeln vor; manche sonderliche und ausbündige Ehren gefällt es seiner Machtvollkommenheit zu erweisen dem Armado, einem Soldaten, einem Vielgewanderten, einem, der die Welt gesehn, aber dessen sei nichts erwähnt. Der eigentliche Kern des allen ist – aber, süßes Herz, ich flehe um Verschwiegenheit –, daß der König verlangt, ich solle die Prinzessin, sein holdes Lamm, regalieren mit einer vorzüglichen Ostentation, Prunkschau, einem Aufzug, Mummenschanz oder Feuerwerk. Nun, wohlwissend, wie der Pfarrer und Euer süßes Selbst tüchtig seid[277] für dergleichen Ausbruch und plötzlichen Erguß der Hilarität, habe ich Euch hievon verständiget, in Absicht, Euren Beistand in Ansprache zu nehmen.

HOLOFERNES. Ritter, dann müsset Ihr die neun Helden vor ihr agieren. Sir Nathanael – was da anbelanget eine Zeitkürzung, eine Schaustellung in den Posterioribus dieses Tages, welche aufgeführet werden soll durch unsre Mitwirkung, auf der Majestät Gebot, und dieses höchst galanten, illustrierten und gelahrten Edelmannes vor der Prinzessin, – behaupte ich nicht eines so angemessen als eine Darstellung der neun Helden.

NATHANAEL. Wo finden wir Männer, die heldenhaft genug sein, sie darzustellen? –

HOLOFERNES. Den Josua, Ihr selbsten; ich oder dieser dapfre Edelmann, den Judas Makkabäus; dieser Schäfer hier vermöge seiner großen Struktur und Gliederfügung soll Pompejus den Großen übernehmen; der Page den Herkules.

ARMADO. Verzeiht, Herr, ein Irrtum: er hat nicht Quantität genug für jenes Helden Daumen; er ist nicht so dick als der Knopf seiner Keule.

HOLOFERNES. Vergönnet man mir Anhörung? Er soll den Herkules agieren in seiner Minorennität, sein Auftreten und sein Abschreiten soll sein die Erdrosselung des Lindwurmes; und ich werde eine Apologie für diesen Endzweck in Bereitschaft halten.

MOTTE. Vortrefflich ersonnen! Wenn dann einer von den Zuhörern zischt, so könnt Ihr rufen: »Recht so, Herkules, nun würgst du die Schlange«; so gibt man den Fehlern eine Wendung, obgleich wenige gewandt genug sind, das mit Anstand auszuführen.

ARMADO. Und das Residuum der Heldenzahl?

HOLOFERNES. Drei will ich selbsten spielen.

MOTTE. Dreimal heldenhafter Mann! –

ARMADO. Soll ich euch etwas anvertrauen?

HOLOFERNES. Wir horchen auf.

ARMADO. Wann dies nicht erkleckt, agieren wir einen Mummenschanz. Ich ersuch' euch, kommt![278]

HOLOFERNES. Animo, Gevatter Dumb! du hast die ganze Zeit kein Wort gesagt.

DUMM. Auch keins verstanden, Herr.

HOLOFERNES. Andiamo, wir wollen dich anstellen.

DUMM. Ich will eins tanzen, oder so; oder ich will den Helden eins auf der Trommel spielen, dann sollen sie den Bauerntanz drehn.

HOLOFERNES. Ja, du ehrlicher, dümblicher Dumb; wir wollen an die Arbeit gehn.


Sie gehn ab.[279]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 274-280.
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