Zweite Szene

[11] Ebendaselbst.


Es treten auf Cressida und Alexander, ihr Diener.


CRESSIDA.

Wer ging vorbei?

ALEXANDER.

Die Königin Hekuba

Und Helena.

CRESSIDA.

Wohin?

ALEXANDER.

Zum Turm nach Osten,

Des Höh' die ganze Gegend überschaut,[11]

Die Schlacht zu sehen. Hektor, des Geduld

Sonst unerschütterlich, ward heut bewegt:

Er schalt Andromache und schlug den Wappner;

Und gleich, als gölt' im Kriege gute Wirtschaft,

War er in Waffen vor dem Morgenlicht

Und zog ins Feld hinaus, wo jede Blume

Wie ein Prophet beweint, was sie voraussieht

In Hektors Zorn.

CRESSIDA.

Was reizte seine Wut?

ALEXANDER.

So wird erzählt: im Heer der Griechen kämpfte

Ein Fürst aus Troerblut, des Hektors Neffe,

Ajax mit Namen.

CRESSIDA.

Wohl; was sagt man weiter?

ALEXANDER.

Er ist, so heißt's, ein ganz besondrer Mann

Und steht allein.

CRESSIDA. Das tun alle Männer, wenn sie nicht betrunken oder krank sind oder keine Beine haben.

ALEXANDER. Dieser Mann, mein Fräulein, hat sich die Eigentümlichkeit von allerlei Tieren zugeeignet: er ist so kühn wie der Löwe, so täppisch wie der Bär, so langsam wie der Elefant: ein Mann, in dem die Natur so viele Launen gehäuft hat, daß seine Tüchtigkeit in Torheit untergeht, seine Torheit durch Verständigkeit gewürzt ist. Niemand besitzt eine Tugend, von der er nicht einen Anflug bekommen hätte, noch irgend jemand eine Unart, von der ihm nicht etwas anklebte; er ist melancholisch ohne Ursach' und lustig wider den Strich; er hat die Gelenkigkeit zu jedem Dinge, aber jedes Ding ist an ihm so ungelenk, daß er wie ein gichtischer Briareus hundert Hände und keine zum Gebrauch hat, oder wie ein stockblinder Argus lauter Augen und keine Sehkraft.

CRESSIDA. Wie kann aber dieser Mann, dermich lächeln macht, den Hektor in Zorn bringen?

ALEXANDER. Man erzählt, er sei gestern mit Hektor in der Schlacht handgemein geworden und habe ihn niedergeschlagen, und der Verdruß darüber und die Schmach habe den Hektor seitdem nicht essen noch schlafen lassen.


Pandarus kommt.[12]


CRESSIDA. Wer kommt? –

ALEXANDER. Fräulein, Euer Oheim Pandarus.

CRESSIDA. Hektor ist ein tapfrer Degen.

ALEXANDER. Wie nur irgend einer in der Welt, Fräulein!

PANDARUS. Was sagt Ihr? Was sagt Ihr? –

CRESSIDA. Guten Morgen, Oheim Pandarus!

PANDARUS. Guten Morgen, Muhme Cressida! Wovon sprecht Ihr? Guten Morgen, Alexander! – Wie geht's dir, Nichte? Wann warst du in Ilium?

CRESSIDA. Heute morgen, Oheim.

PANDARUS. Wovon spracht Ihr, als ich kam? War Hektor schon gewaffnet und ins Feld gezogen, als du nach Ilium kamst? Helena war wohl noch nicht aufgestanden, nicht wahr? –

CRESSIDA. Hektor war schon fort, aber Helena noch nicht aufgestanden.

PANDARUS. Ja, ja, Hektor war recht früh auf den Beinen.

CRESSIDA. Davon sprachen wir eben; und daß er aufgebracht sei.

PANDARUS. War er aufgebracht?

CRESSIDA. Das sagt mir dieser da.

PANDARUS. Freilich war er aufgebracht; ich weiß auch, warum; heut wird er's ihnen beibringen, das kann ich ihnen sagen, und Troilus wird ihm so ziemlich gleichkommen; sie mögen sich nur vor Troilus in acht nehmen: das mögen sie mir glauben!

CRESSIDA. Wie! Ist der auch aufgebracht? –

PANDARUS. Was, Troilus? Troilus ist der Beßre von beiden.

CRESSIDA. O Jupiter! Da ist gar kein Vergleich!

PANDARUS. Wie, nicht zwischen Troilus und Hektor? Erkennst du nicht einen Mann, wenn du ihn siehst?

CRESSIDA. Nun ja, wenn ich ihn sonst schon sah und kannte.

PANDARUS. Ganz recht; ich spreche, Troilus ist Troilus.

CRESSIDA. Da sprecht Ihr wie ich, denn ich weiß gewiß, er ist nicht Hektor.

PANDARUS. Nein, und Hektor ist auch nicht Troilus in gewissem Betracht.[13]

CRESSIDA. So tun wir keinem Unrecht: er ist er selbst.

PANDARUS. Er selbst? Ach, du armer Troilus! Ich wollte, er wäre –

CRESSIDA. Er ist es ja.

PANDARUS. Mit dem Beding ginge ich barfuß nach Indien!

CRESSIDA. Hektor ist er nicht!

PANDARUS. Er selbst? Nein, er ist nicht er selbst; – ja, ich wollte, er wäre er selbst. Nun, die Götter leben noch; die Zeit schafft's ihm oder entrafft's ihm; ja, Troilus, ich wollte, sie hätte mein Herz im Leibe! Nein, Hektor ist kein beßrer Mann als Troilus.

CRESSIDA. Verzeiht! –

PANDARUS. Er ist älter. –

CRESSIDA. Ich bitte um Entschuldigung!

PANDARUS. Der andre ist noch nicht so alt; Ihr sollt ganz anders sprechen, wenn der andre erst so alt sein wird. Hektor kann lange warten, ehe er seinen Verstand bekommt!

CRESSIDA. Den braucht er auch nicht, wenn er seinen eignen hat.

PANDARUS. Noch seine Eigenschaften –

CRESSIDA. Tut nichts!

PANDARUS. Noch seine Schönheit!

CRESSIDA. Sie würde ihn nicht kleiden, seine eigne ist besser.

PANDARUS. Du hast kein Urteil, Nichte! Helena selbst beteuerte neulich, daß Troilus, wenn von brauner Farbe die Rede sei – denn braun ist er allerdings – und doch nicht so recht eigentlich braun –

CRESSIDA. Nein; sondern braun.

PANDARUS. Die Wahrheit zu sagen, braun und nicht braun.

CRESSIDA. Die Wahrheit zu sagen, wahr und nicht wahr.

PANDARUS. Sie stellte sein Kolorit über das des Paris.

CRESSIDA. Nun, Paris hat Farbe genug.

PANDARUS. Das hat er auch.

CRESSIDA. So hätte Troilus denn zu viel Farbe; wenn sie sein Kolorit über das des andern stellt, ist er höher an Farbe; wenn nun Paris rot genug ist und Troilus hochrot, so ist das ein zu feuriges Lob für ein gutes Kolorit. Eben so gern hätte[14] Helenas goldne Zunge den Troilus wegen einer Kupfernase rühmen können.

PANDARUS. Ich schwöre dir, ich glaube, Helena liebt ihn mehr als den Paris.

CRESSIDA. Dann ist sie eine sehr verliebte Griechin.

PANDARUS. Nein, ganz gewiß, das tut sie. Neulich stellte sie sich zu ihm in das Bogenfenster, und du weißt, er hat nur drei oder vier Haare am Kinn –

CRESSIDA. O gewiß, eines Bierzapfers Rechenkunst würde hinreichen, diese Einheiten in eine Summe zu ziehn.

PANDARUS. Nun, er ist noch sehr jung, und doch sind seine Nerven so stählern, daß er dir bis auf zwei, drei Pfund eben so viel aufheben wird als sein Bruder Hektor.

CRESSIDA. Was! Ein so junger Mann, und schon solche Stehlergaben? –

PANDARUS. Um dir zu beweisen, daß Helena in ihn verliebt ist – denke nur, sie kam und legte dir ihre weiße Hand an sein gespaltnes Kinn –

CRESSIDA. Juno sei uns gnädig! Wer hat's ihm gespalten?

PANDARUS. Erinnerst du dich denn nicht seines Grübchens? Mir scheint, sein Lächeln steht ihm besser als irgend jemand in ganz Phrygien.

CRESSIDA. O ja, er lächelt recht brav.

PANDARUS. Nicht wahr?

CRESSIDA. Freilich, wie eine Regenwolke im Herbst.

PANDARUS. O still doch! Ich wollte dir ja beweisen, daß Helena in Troilus verliebt sei!

CRESSIDA. Troilus wird Euch diesen Beweis nicht verweisen. Wenn Ihr ihn führen könnt.

PANDARUS. Troilus? Nun, der fragt nicht mehr nach ihr, als ich nach einem hohlen Ei frage.

CRESSIDA. Wenn Ihr die hohlen Eier so gern habt als die hohlen Köpfe, seid Ihr wohl schal genug, die Schalen ohne Eier zu essen.

PANDARUS. Wahrhaftig, ich muß noch immer lachen, wenn ich dran denke, wie sie ihm am Kinn kitzelte. Das ist doch gewiß, sie hat eine wundervoll weiße Hand; das muß man bekennen.[15]

CRESSIDA. Ohne Folter.

PANDARUS. Und da fällt es ihr ein, ein weißes Haar auf seinem Kinn zu entdecken.

CRESSIDA. Das arme Kinn! Ist doch manche Warze reicher!

PANDARUS. Aber das gab ein Gelächter! Königin Hekuba lachte, daß ihr die Augen übergingen –

CRESSIDA. Von Mühlsteinen.

PANDARUS. Und Kassandra lachte! –

CRZSSIDA. Aber es war unter dem Topf ihrer Augen wohl ein mäßigeres Feuer: liefen ihre Augen auch über?

PANDARUS. Und Hektor lachte! –

CRESSIDA. Und wem galt all dies Lachen?

PANDARUS. Ei, dem weißen Haar, das Helena an Troilus' Kinn erspäht.

CRESSIDA. Wär' es ein grünes gewesen, so hätt' ich auch gelacht.

PANDARUS. Sie lachten nicht so sehr über das Haar, als über seine hübsche Antwort.

CRESSIDA. Wie war seine Antwort?

PANDARUS. Sie hatte gesagt: »Hier sind nur einundfunfzig Haare an Euerm Kinn, und eins davon ist weiß.«

CRESSIDA. Das war ihre Frage?

PANDARUS. Jawohl, das bedarf keiner Frage. »Einundfunfzig Haare«, sagte er, »und ein weißes: das weiße Haar ist mein Vater, und die übrigen sind seine Söhne.« »O Jupiter«, sagte sie, »welches von diesen Haaren ist Paris, mein Gemahl?« »Das gespaltene«, sagte er: »reißt es aus und gebt's ihm!« Und nun entstand solch ein Gelächter, und Helena ward so rot, und Paris so böse, und die übrigen lachten so sehr, daß es ins Weite ging.

CRESSIDA. Da mag es auch bleiben, denn es ist nicht weit her.

PANDARUS. Nun, Nichte, ich sagte dir gestern etwas: das nimm dir zu Herzen.

CRESSIDA. Das tu' ich auch.

PANDARUS. Ich schwöre dir, es ist wahr, er weint dir, wie einer, der im April geboren ist.


Man hört zum Rückzug blasen.[16]


CRESSIDA. Und ich will in diesen Tränen so lustig aufwachsen, wie eine Nessel im Mai.

PANDARUS. Horch! Sie kommen aus dem Felde zu Haus; sollen wir hier hinauftreten und sie nach Ilium ziehn sehn? Tu' es, liebste Nichte; tu' es, liebste Nichte Cressida!

CRESSIDA. Wie es Euch gefällt.

PANDARUS. Hier, hier ist ein allerliebster Platz, hier können wir's recht schmuck mit ansehn. Ich will sie dir alle bei Namen nennen, wie sie vorbeiziehn; merke nur vor allen auf Troilus.


Äneas geht über die Bühne.


CRESSIDA. Sprecht nicht so laut.

PANDARUS. Das ist Äneas; ist das nicht ein hübscher Mann? Es ist eine rechte Blume unter den Troern, das kann ich dir sagen. Aber merke nur auf Troilus: gleich wird er kommen.

CRESSIDA. Wer ist das?


Antenor geht vorüber.


PANDARUS. Das ist Antenor, der ist recht kurz angebunden, das kann ich dir sagen, und ist ein guter Soldat; einer von den besten Köpfen in ganz Troja, und ein artiger Mann in seiner ganzen Person. – Wann kommt doch Troilus? Gleich sollst du Troilus sehn. Gib acht, wie er nicken wird, wenn er mich sieht.

CRESSIDA. Nickt er immer ein, wenn er Euch sieht? –


Hektor geht vorüber.

PANDARUS. Das ist Hektor, der da! Der da! Siehst du, der! Das ist ein Kavalier! Gott sei mit dir, Hektor; das ist ein wackrer Mann, Nichte. O du edler Hektor! Sieh, wie er um sich blickt! Das ist eine Haltung! Ist's nicht ein stattlicher Mann?

CRESSIDA. Ein recht stattlicher Mann.

PANDARUS. Nicht wahr? Es ist eine rechte Herzenslust, ihn zu sehn. Sieh nur, wie viel Beulen auf seinem Helm sind! Sieh nur hin, siehst du's? Sieh nur hin! Mit dem ist nicht zu spaßen; der versteht's; mit dem soll's einmal einer aufnehmen! Das nenn' ich Hiebe! –[17]

CRESSIDA. Sind die von Schwertern?


Paris geht vorüber.


PANDARUS. Von Schwertern? Von was sie wollen, das kümmert ihn nicht. Wenn auch der Teufel mit ihm anbände, das ist ihm alles gleich. Ja, beim Element, es ist eine wahre Lust; ach, dort kommt Paris, dort kommt Paris; siehst du dort, Nichte? Ist das nicht auch ein hübscher Mann? Nicht? – Ei, das ist ja allerliebst – wer sagte doch, er wäre heut verwundet? Er ist nicht verwundet. Nun, das wird für Helena eine rechte Freude sein. Oh, wenn ich doch nur den Troilus sähe! Gleich wirst du Troilus zu sehn bekommen.

CRESSIDA. Wer ist das?

Helenus geht vorüber.


PANDARUS. Das ist Helenus. Ich begreife gar nicht, wo Troilus bleibt, – das ist Helenus:- er wird wohl gar nicht zu Felde gezogen sein, – das ist Helenus.

CRESSIDA. Kann Helenus fechten, Onkel?

PANDARUS. Helenus? Nein; – ja, er ficht so ziemlich erträglich. – Ich begreife nicht, wo Troilus bleibt – Horch! Hörst du nicht, wie die Soldaten rufen: Troilus? – Helenus ist ein Priester.

CRESSIDA. Was für ein Duckmäuser kommt denn da heran?


Troilus geht vorüber.


PANDARUS. Wo, dort? Das ist Deiphobus: – nein, Troilus ist's. Ach, welche ein Mann! Nichte! Hem! O du wackrer Troilus! Du Fürst der Ritterschaft!

CRESSIDA. Still doch, ums Himmels willen, still!

PANDARUS. Gib acht auf ihn; faß ihn recht ins Auge – o du wackrer Troilus! Sieh ihn dir recht an, Nichte; siehst du, wie blutig sein Schwert ist, und sein Helm noch mehr zerhauen als der des Hektor. Und wie er um sich blickt, wie er einhergeht! – O wunderschöner Jüngling; und noch nicht dreiundzwanzig! Geh mit Gott, Troilus, geh mit Gott; hätte ich eine Grazie zur Schwester, oder eine Göttin zur Tochter, er sollte die Wahl haben. O wunderschöner Held! – Paris? – Paris[18] ist ein Quark gegen ihn, und ich wette, Helena tauschte gern, und gäbe noch Geld in den Kauf.


Mehrere Soldaten ziehn vorüber.


CRESSIDA. Dort kommen noch mehr.

PANDARUS. Esel! Narren! Spreu und Kleie! Spreu und Kleie! Suppe nach der Mahlzeit! In Troilus' Anblick könnt' ich leben und sterben. Sieh nicht weiter hin, sieh nicht weiter hin: die Adler sind vorüber; Krähen und Dohlen, Krähen und Dohlen! Lieber wär' ich solch ein Held wie Troilus, als Agamemnon mit ganz Griechenland!

CRESSIDA. Die Griechen haben ihren Achilles; der übertrifft den Troilus.

PANDARUS. Achilles? Ein Lastträger, ein Karrenschieber, ein rechtes Kamel.

CRESSIDA. Nun, nun! –

PANDARUS. Nun, nun? Hast du denn kein Urteil? Hast du denn keine Augen? Verstehst du, was ein Mann ist? Sind denn nicht Geburt, Schönheit, gute Bildung, Beredsamkeit, Mannhaftigkeit, Verstand, Artigkeit, Tapferkeit, Jugend, Freigebigkeit, und was dem gleicht, die Spezereien und das Salz, die einen Mann würzen?

CRESSIDA. O ja; ein Mengelmus von einem Manne, und so in der Pastete gehackt und gebacken gibt's ein Mus von lauter Mängeln.

PANDARUS. Was sind das nun wieder für Reden! Man weiß nie, auf welcher Lauer du liegst.

CRESSIDA. Auf meinem Rücken, um meinen Leib frei zu haben; auf meinem Witz, um meine Launen zu verteidigen; auf meiner Verschwiegenheit, um meinen guten Ruf zu sichern; meiner Maske vertrau' ich, um meine Schönheit zu bewahren; dann endlich Euch, um das alles zu schützen: und auf allen diesen Lauerplätzen lieg' ich und habe wohl tausend Wachen.

PANDARUS. Nenne mir eine deiner Wachen!

CRESSIDA. Das ist eben meine Hauptwache, die gegen Euch gerichtet ist. Denn wenn ich erst nicht mehr behüten kann, was niemand finden sollte, so kann ich Euch wenigstens[19] bewachen, daß Ihr nicht erfahrt, wie ich zu Schaden kam; es müßte denn so zunehmen, daß sich's nicht mehr verstecken ließe; und dann wär's ohnehin mit dem Wachen vorbei.

PANDARUS. Ihr seid mir die Rechte!


Der Page des Troilus kommt.


PAGE. Herr, mein Gebieter wünscht Euch gleich zu sprechen.

PANDARUS. Wo?

PAGE. In Euerm Hause, Herr; dort legt er seine Rüstung ab.

PANDARUS. Lieber Kleiner, sag ihm, ich komme gleich.


Der Page geht.


Ich fürchte, er ist verwundet. Lebe wohl, liebe Nichte, lebe wohl!

CRESSIDA. Lebt wohl, Oheim!

PANDARUS. Ich bin gleich wieder bei Euch, Nichte.

CRESSIDA. Und bringt mir ...

PANDARUS. Nun ja! Ein Liebespfand von Troilus. Geht ab.

CRESSIDA.

Bei diesem Liebespfand, du bist ein Kuppler! –


Wort, Gab' und Trän' und heil'gen Schwurs Beteuern

Läßt er nicht ab für jenen zu erneuern;

Zwar mehr in Troilus hab' ich gewahrt,

Als was mir Pandars Spiegel offenbart:

Doch weigr' ich. Frau'n sind Engel stets, geworben;

Ahnung ist Lust, doch im Genuß erstorben.

Nichts weiß ein liebend Mädchen, bis sie weiß,

Allein das Unerreichte steh' im Preis;

Daß nie, erhört, das Glück so groß im Minnen,

Als wenn Begier noch fleht, um zu gewinnen;

Drum folg' ich diesem Spruch der Liebessitte:

Gewähren wird Befehl, Versagen Bitte, –


Und mag mein Herz auch treue Lieb' empfinden,

Nie soll ein Blick, ein Wort sie je verkünden.


Ab.[20]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 11-21.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Troilus und Cressida
Troilus and Cressida
Troilus und Cressida: Zweisprachige Ausgabe
Troilus and Cressida. Troilus und Cressida
Troilus und Cressida

Buchempfehlung

Jean Paul

Die unsichtbare Loge. Eine Lebensbeschreibung

Die unsichtbare Loge. Eine Lebensbeschreibung

Der Held Gustav wird einer Reihe ungewöhnlicher Erziehungsmethoden ausgesetzt. Die ersten acht Jahre seines Lebens verbringt er unter der Erde in der Obhut eines herrnhutischen Erziehers. Danach verläuft er sich im Wald, wird aufgegriffen und musisch erzogen bis er schließlich im Kadettenhaus eine militärische Ausbildung erhält und an einem Fürstenhof landet.

358 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon