Vierte Szene

[105] Vor Troja.


Schlachtlärm. Thersites tritt auf.


THERSITES. Nun hämmern sie auf einander los, und ich will mir's ansehn. – Der heuchlerische, boshafte Bube Diomed hat jenes lumpigen, verliebten, dummen, trojanischen, jungen Gelbschnabels Ärmelkrause an seinen Helm gesteckt: ich wollte, sie gerieten an einander, und daß unser junger[105] Esel aus Troja, der die Metze dort liebt, den schurkischen, griechischen Dirnenjäger mit seiner Krause zu der heuchlerischen, lüderlichen Hure zurückschickte und ihn einmal recht kraus auszackte. Und nun auf der andern Seite, die Staatsweisheit dieser ränkevollen, hochbeteuernden Schurken, – des alten, abgestandenen, mauszerfressenen, dürren Käse Nestor und des Schelmenfuchses Ulysses ist nun, wie sich's ausweist, keine Heidelbeere wert. Da hetzen sie in ihrer Staatskunst den Blendlings-Bullenbeißer Ajax gegen den eben so schlechten Köter Achilles auf, und nun ist Köter Ajax stolzer als Köter Achilles und will heut nicht ins Feld: so daß die Griechen anfangen, es mit der Barbarei zu halten, und die Staatsweisheit in Verruf kommt. Still! Hier sehe ich Ärmel und den andern.


Diomedes und Troilus treten auf.


TROILUS.

Flieh' nicht! Denn schirmte dich die Flut des Styx,

Ich schwömme nach!

DIOMEDES.

Rückzug ist keine Flucht;

Ich fliehe nicht; aus guter Vorsicht nur

Entzog ich mich der überlegnen Zahl.

Nun sieh dich vor! –


Sie gehn fechtend ab.


THERSITES. Wehr' dich für deine Metze, Grieche! Ficht für deine Metze, Trojaner! Nun gilt's die Krause! Nun gilt's die Krause!


Hektor tritt auf.


HEKTOR.

Wer bist du, Grieche? Bist du Hektors würdig?

Von echtem Blut und Ehre?

THERSITES. Nein, nein, ich bin ein Schuft, ein schäbiger, schmähsüchtiger Bube, ein recht armseliger Lump.

HEKTOR. Ich glaube dir, drum lebe! Hektor geht ab.

THERSITES. Gott Lob und Dank, daß du mir glauben willst; aber die Pest breche dir den Hals, daß du mich so erschreckt hast. – Was ist aus den lüderlichen Bengeln geworden? Ich denke, sie haben einander aufgefressen: über das Wunder wollt' ich mich totlachen. Und doch frißt sich auf gewisse Weise die Lüderlichkeit selbst auf. Ich will sie suchen.


Er geht ab.[106]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 105-107.
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