Dritte Szene

[775] Eine Straße. Antonio und Sebastian treten auf.


SEBASTIAN.

Es war mein Wille nicht, Euch zu beschweren,

Doch da Ihr aus der Müh' Euch Freude macht,

Will ich nicht weiter schmälen.

ANTONIO.

Ich konnt' Euch so nicht lassen: mein Verlangen,

Scharf wie geschliffner Stahl, hat mich gespornt;

Und nicht bloß Trieb zu Euch (obschon genug,

Um mich auf einen längern Weg zu ziehn),

Auch Kümmernis, wie Eure Reise ginge,

Da Ihr dies Land nicht kennt, das einem Fremden,

Der führerlos und freundlos, oft sich rauh

Und unwirtbar erzeigt. Bei diesen Gründen

Der Furcht ist meine will'ge Liebe Euch

So eher nachgeeilt!

SEBASTIAN.

Mein güt'ger Freund,

Ich kann Euch nichts als Dank hierauf erwidern,

Und Dank, und immer Dank; oft werden Dienste

Mit so verrufner Münze abgefertigt.

Doch wär' mein Gut gediegen wie mein Sinn,

Ihr fändet bessern Lohn. – Was machen wir?

Sehn wir die Altertümer dieser Stadt?

ANTONIO.

Auf morgen, Herr; seht erst nach einer Wohnung!

SEBASTIAN.

Ich bin nicht müd', und es ist lang' bis Nacht.

Ich bitt' Euch, laßt uns unsre Augen weiden

Mit den Denkmälern und berühmten Dingen,

So diese Stadt besitzt.

ANTONIO.

Entschuldigt mich:

Ich wandre mit Gefahr durch diese Gassen.

Im Seekrieg tat ich gegen die Galeeren

Des Herzogs Dienste; ja in Wahrheit, solche,

Daß, wenn man hier mich fing', ich könnte kaum

Darüber Rede stehn.

SEBASTIAN.

Ihr habt vielleicht

Ihm eine große Menge Volks erschlagen?[775]

ANTONIO.

Nicht von so blut'ger Art ist meine Schuld,

War Zeit und Zwist schon der Beschaffenheit,

Daß sie uns Stoff zu blut'gen Taten gaben.

Es hätt' indes geschlichtet werden mögen

Durch Wiederzahlung des genommnen Guts,

Was auch aus unsrer Stadt des Handels wegen

Die meisten taten; ich allein blieb aus:

Wofür, ertappt man mich an diesem Ort,

Ich teuer büßen werde.

SEBASTIAN.

Geht also nicht zu offenbar umher!

ANTONIO.

Es wär' nicht ratsam. Nehmt! Hier ist mein Beutel.

Man wohnt am besten in der Südervorstadt

Im Elefanten; ich will unsre Kost

Bestellen, während Ihr die Stunden täuscht

Und durch Beschauen Eure Kenntnis nährt:

Dort trefft Ihr mich.

SEBASTIAN.

Weswegen mir den Beutel?

ANTONIO.

Vielleicht fällt Euer Aug' auf einen Tand,

Den Ihr zu kaufen wünscht; und Eure Barschaft

Reicht, denk' ich, nicht zu müß'gem Einkauf hin.

SEBASTIAN.

Ich will Eu'r Säckelmeister sein und auf

Ein Stündchen gehn.

ANTONIO.

Im Elefanten –

SEBASTIAN.

Wohl!


Beide ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 775-776.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Was ihr wollt
Was ihr wollt: Komödie
Twelfth Night/ Was ihr wollt [Zweisprachig]
Was ihr wollt, Englisch-Deutsch
Was ihr wollt: Zweisprachige Ausgabe
Was ihr wollt (insel taschenbuch)

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Der Teufel kommt auf die Erde weil die Hölle geputzt wird, er kauft junge Frauen, stiftet junge Männer zum Mord an und fällt auf eine mit Kondomen als Köder gefüllte Falle rein. Grabbes von ihm selbst als Gegenstück zu seinem nihilistischen Herzog von Gothland empfundenes Lustspiel widersetzt sich jeder konventionellen Schemeneinteilung. Es ist rüpelhafte Groteske, drastische Satire und komischer Scherz gleichermaßen.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon