83


[820] Nie sah ich Farbe dich bedürfen; nie

Färb' ich dein Schönes drum mit Malertinten.

Für ödes Flitterlob der Poesie

Fand – oder glaubt' ich dich zu groß zu finden.

Und darum schildr' ich dich beredsam nicht,

Damit an dir, dem Lebenden, sich zeigt.

Wie weit ein heut'ger Dichter unterliegt,

Wenn er Verdienst malt, das dem deinen gleicht.

Dies Schweigen machtest du zur Sünde mir,

Und doch mein Stolz ist's eben; denn verkleinert

Wird vom Verstummenden kein Reiz an dir,

Wenn mancher, der beleben will, versteinert.

In einem deiner schönen Augen brennt

Mehr Leben als dein Dichterpaar erfänd.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 820.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sonette
The Sonnets/ Die Sonette [Zweisprachig]
The Sonnets / Die Sonette: Englisch/Deutsch
Sonette. Engl./Dt. Übersetzt von Tieck, Regis, u.a., Einleitung von Hanno Helbling.
Die Sonette: Zweisprachige Ausgabe
Shakespeares Sonette