Erste Szene

[705] Messina. Ein Zimmer in Pompejus' Hause.


Es treten auf Pompejus, Menecrates und Menas.


POMPEJUS.

Sind sie gerecht, die Götter, schützen sie

Die Taten der Gerechten.

MENECRATES.

Denkt, Pompejus:

Was sie verzögern, nicht verweigern sie's.

POMPEJUS.

Indes wir flehn vor ihrem Throne, welkt

Die Gab', um die wir flehn.

MENECRATES.

Wir Blinden bitten

Oft unser eignes Land, das weise Mächte

Zu unserm Wohl versagt: so sind wir reicher

Durch des Gebets Verlust.

POMPEJUS.

Ich muß gedeihn!

Mich liebt das Volk, mein ist das ganze Meer,

Mein Glück ist Neumond, mein prophetisch Hoffen

Sieht schon die volle Scheibe. Marc Anton

Hält Tafel in Ägypten, wird nicht draußen

Zu Felde ziehn: Cäsar macht Geld, wo Herzen

Er einbüßt: beiden schmeichelt Lepidus,

Läßt sich von beiden schmeicheln, und liebt keinen,

Und keiner hält ihn wert.

MENECRATES.

Cäsar und Lepidus

Stehn schon im Feld, mit großer Macht gerüstet.

POMPEJUS.

Wer sagt Euch das? 's ist falsch.

MENECRATES.

Das sagte Silvius.

POMPEJUS.

Er träumt: ich weiß, sie sind in Rom zusammen,

Und harren auf Anton: doch Liebreiz würze

Der üpp'gen Cleopatra dünne Lippen,[705]

Zauber erhöh' die Schönheit, Wollust beide;

Den Schwelger bind' ein Heer von Festgelagen,

Sein Hirn umnebelnd: Epikur'sche Köche

Schärfen mit kräftig neuen Brüh'n die Eßlust,

Daß Schlaf und Schwelgen seinen Ruhm vertagen,

Bis zur Betäubung Lethes! Was bringt Varrius?


Varrius tritt auf.


VARRIUS.

Was ich zu melden hab', ist zuverlässig:

Antonius kann zu jeder Stund' in Rom

Eintreffen; seit er Afrika verließ,

War Raum für weitre Reise.

POMPEJUS.

Mir wäre kleinre Zeitung weit willkommner.

Menas, ich glaube nicht,

Daß um so dürft'gen Krieg der Liebesschwärmer

Den Helm sich aufgesetzt: sein Feldherrngeist

Ist zwiefach der der beiden: doch erheb' uns

So höher das den Mut, daß unser Zug

Den nimmer lustgesättigten Anton

Dem Schoß der Witw' Ägyptens konnt' entreißen.

MENAS.

Ich glaube nie,

Daß Cäsar und Anton sich freundlich grüßen.

Sein Weib, nun tot, hat Cäsarn schwer gereizt,

Sein Bruder kriegte gegen ihn, obwohl

Nicht auf Antons Geheiß.

POMPEJUS.

Ich weiß nicht, Menas,

Wie bald der größern Feindschaft kleinre weicht:

Ständen wir jetzt nicht gegen alle auf,

Gerieten sie ohn' Zweifel an einander;

Denn Anlaß haben alle längst genug,

Das Schwert zu ziehn: doch wie die Furcht vor uns

Ein Leim wird ihrer Trennung und verknüpft

Die kleine Spaltung, wissen wir noch nicht. –

Sei's, wie's die Götter fügen! Unser Leben

Steht auf dem Spiel, wenn wir nicht mutig streben.

Komm, Menas!


Alle ab.[706]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 705-707.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Antonius und Cleopatra
Antonius und Cleopatra.
Antony and Cleopatra/ Antonius und Cleopatra [Zweisprachig]
Antonius und Cleopatra (Theatralische Werke in 21 Einzelbänden, Bd.10)
Julius Cäsar /Antonius und Cleopatra /Coriolanus
Antony and Cleopatra / Antonius und Kleopatra: Englisch-deutsche Studienausgabe (Engl. / Dt.) Englischer Originaltext und deutsche Prosaübersetzung

Buchempfehlung

Anonym

Schau-Platz der Betrieger. Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln

Schau-Platz der Betrieger. Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln

Ohnerachtet Schande und Laster an ihnen selber verächtlich / findet man doch sehr viel Menschen von so gar ungebundener Unarth / daß sie denenselben offenbar obliegen / und sich deren als einer sonderbahre Tugend rühmen: Wer seinem Nächsten durch List etwas abzwacken kan / den preisen sie / als einen listig-klugen Menschen / und dahero ist der unverschämte Diebstahl / überlistige und lose Räncke / ja gar Meuchelmord und andere grobe Laster im solchem Uberfluß eingerissen / daß man nicht Gefängnüsse genug vor solche Leute haben mag.

310 Seiten, 17.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon