Fünfte Szene

[717] Alexandrien. Zimmer im Palast.


Cleopatra, Charmion, Iras und Alexas treten auf.


CLEOPATRA.

Gebt mir Musik; Musik, schwermüt'ge Nahrung

Für uns verliebtes Volk! –

DIENER.

He! Die Musik!


Mardian kommt.


CLEOPATRA.

Laßt es nur sein! Wir woll'n zum Kugelspiel:

Komm, Charmion!

CHARMION.

Mich schmerzt der Arm; spielt doch mit Mardian!

CLEOPATRA.

Ein Weib spielt mit dem Hämling wohl so gut

Als mit 'nem Weibe. Wollt Ihr mit mir spielen?

MARDIAN.

Fürstin, so gut ich kann.

CLEOPATRA.

Wo guter Will' ist, käm' er auch zu kurz,

Muß man dem Spieler nachsehn. Doch was anders:

Gebt mir die Angel, kommt zum Flusse; dort,

Während Musik von fern erklingt, berück' ich

Den goldbefloßten Fisch, mit krummen Haken

Die schleim'gen Kiefern fassend, und bei jedem,

Den ich aufzog, denk' ich, es sei Anton,

Und sag: »Aha! dich fing ich!« –

CHARMION.

Lustig war;

Mit ihm das Wette-Angeln, als Eu'r Taucher[717]

Den Salzfisch hängt' an seine Schnur, den er

So eifrig aufzog.

CLEOPATRA.

Jene Zeit! O Zeiten!

Ich lacht' ihn aus der Ruh'; dieselbe Nacht

Lacht' ich ihn in die Ruh'; den nächsten Morgen

Noch vor neun Uhr trank ich ihn auf sein Lager,

Tat meinen Mantel ihm und Schleier um,

Und ich derweil trug sein Philippisch Schwert. –

O von Italien! –


Ein Bote kommt.


Stopf' mir fruchtbare Zeitung in mein Ohr,

Das lange brach gelegen!

BOTE.

Fürstin! Fürstin! –

CLEOPATRA.

Antonius tot? –

Sagst du das, Sklav', so mord'st du deine Herrin: –

Doch meld'st du ihn

Gesund und frei, nimm Gold, und hier zum Kuß

Die blausten Adern: eine Hand, die zitternd

Der Kön'ge Lippen küßten.

BOTE.

Er ist wohl.

CLEOPATRA.

Hier noch mehr Gold! – Doch, Mensch, wir sagen oft,

Wohl sei den Toten: wenn du's so gemeint,

Schmelz' ich das Gold, das ich dir gab, und gieß' es

In deinen Gott verhaßten Schlund.

BOTE.

Oh, hört mich!

CLEOPATRA.

Nun wohl, ich will's –

Doch sagt dein Blick nichts Gutes. Wenn Anton

Frei und gesund, – wozu die finstre Miene

Zu solcher frohen Post? Ist ihm nicht wohl,

Sollt'st du als Furie kommen, schlangumkränzt,

Und nicht in Mannsgestalt.

BOTE.

Wollt Ihr mich hören?

CLEOPATRA.

Ich möchte gleich dich schlagen, eh' du sprichst:

Doch wenn du meld'st, Anton sei wohl, er lebe,

Sei Cäsars Freund, und nicht von ihm gefangen,

Dann ström' ein goldner Regen dir, ein Hagel

Von reichen Perlen![718]

BOTE.

Er ist wohl.

CLEOPATRA.

Recht gut.

BOTE.

Und Cäsars Freund.

CLEOPATRA.

Du bist ein wackrer Mann!

BOTE.

Cäsar und er sind größre Freund' als je.

CLEOPATRA.

Begehr' ein Glück von mir!

BOTE.

Fürstin, und doch ...

CLEOPATRA.

Ich hasse dies »und doch«: es macht zu Nichts

Den guten Vordersatz: Pfui dem »und doch«:

»Und doch« ist wie ein Scherg' und führt heran

Fluchwürd'ge Missetäter. Bitt' dich, Freund,

Geuß mir die ganze Botschaft in mein Ohr,

Das Schlimm' und Gute. – Er ist Freund mit Cäsar,

Gesund und frisch, sagst du, und sagst, in Freiheit?

BOTE.

In Freiheit, Fürstin? Nein, so sagt' ich nicht:

Octavia bindet ihn.

CLEOPATRA.

In welchem Sinn?

BOTE.

Als Eh'gemahl.

CLEOPATRA.

Ich zittre, Charmion.

BOTB.

Fürstin, er ist Octavien vermählt!

CLEOPATRA.

Die giftigste von allen Seuchen dir!


Schlägt ihn.


BOTE.

Geduld, o Königin!

CLEOPATRA.

Was sagst du? Fort,

Elender Wicht! Sonst stoß' ich deine Augen

Wie Bälle vor mir her; raufe dein Haar,

Lasse mit Draht dich geißeln, brühn mit Salz,

In Lauge scharf gesättigt.

BOTE.

Gnäd'ge Fürstin,

Ich meldete die Heirat, schloß sie nicht!

CLEOPATRA.

Sag, 's ist nicht so: ich schenke dir ein Land,

Daß du im Glücke schwelgest; jener Schlag

Sei Buße, daß du mich in Wut gebracht,

Und ich gewähre jede Gunst dir noch,

Die Demut wünschen mag.

BOTE.

Er ist vermählt.

CLEOPATRA.

Schurke, du hast zu lang gelebt ...


Zieht einen Dolch.[719]


BOTE.

Dann lauf ich –

Was wollt Ihr, Fürstin, 's ist nicht mein Vergehn!


Ab.


CHARMION.

O Fürstin, faßt Euch! Seid nicht außer Euch! –

Der Mann ist schuldlos!

CLEOPATRA.

Wie manch Unschuld'gen trifft der Donnerkeil!

Der Nil ersäuf' Ägypten! Werdet Schlangen,

Ihr sanftesten Geschöpfe! – Ruf' den Sklaven:

Bin ich auch toll, ich beiß' ihn nicht. – Ruft ihn!

CHARMION.

Er fürchtet sich vor dir.

CLEOPATRA.

Ich tu' ihm nichts.

Ihr Hände seid entadelt, weil ihr schlugt

Den Mindern als ich selbst: denn nur ich selbst

War Ursach' meines Zorns. – Hieher denn, komm!


Bote kommt zurück.


Obwohl es redlich ist, war's nimmer gut,

Die schlimme Nachricht bringen: Freudenbotschaft

Verkünd' ein Heer von Zungen, doch die schlimme

Mag selbst sich melden, wenn man sie empfindet.

BOTE.

Ich tat nach meiner Pflicht.

CLEOPATRA.

Ist er vermählt?

Ich kann nicht mehr dich hassen, als ich tat,

Sagst du noch einmal ja.

BOTE.

Er ist vermählt.

CLEOPATRA.

Fluch über dich! So bleibst du stets dabei? –

BOTE.

Sollt' ich denn lügen?

CLEOPATRA.

O daß du es tät'st!

Und wär' mein halb Ägypten überschwemmt,

Ein Pfuhl für schupp'ge Nattern! Geh, entfleuch:

Hätt'st du ein Antlitz wie Narziß, für mich

Schienst du ein Ungeheuer! – Er vermählt? –

BOTE.

Ich bitt' Euch um Vergebung ...

CLEOPATRA.

Er vermählt?

BOTE.

Zürnt nicht, daß ich Euch nicht erzürnen will;

Mich dafür strafen, was Ihr selbst verlangt,

Scheint höchst unrecht. – Er ist Octaviens Gatte.

CLEOPATRA.

O daß dein Frevel dich zum Schurken macht,

Der du nicht bist! Wie! weißt du's sicher? Fort![720]

Die Ware, die du mir von Rom gebracht,

Ist mir zu teuer; bleibe sie dir liegen,

Und möge dich verderben!


Bote ab.


CHARMION.

Faßt Euch, Hoheit!

CLEOPATRA.

Antonius zu erheben, schalt ich Cäsarn ...

CHARMION.

Oft, gnäd'ge Fürstin.

CLEOPATRA.

Dafür lohnt er nun! –

Führt mich von hier!

Mir schwindelt. Iras, Charmion! – Es geht vorüber!

Geh zu dem Boten, mein Alexas, heiß' ihn

Octavias Züge schildern, ihre Jahre,

Ihr ganz Gemüt: er soll dir nicht vergessen

Die Farbe ihres Haars: gib schnell mir Nachricht!


Alexas ab.


Er geh' auf immer! – Nein doch! Liebe Charmion,

Wenn er auch Gorgo ähnlich sieht von hier,

Von dort gleicht er dem Mars; sag dem Alexas,

Er melde mir, wie groß sie ist. Hab' Mitleid,

Doch sag nichts, Charmion! – Führt mich in mein Zimmer!


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 717-721.
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