[126] Hebe weg die Thränenblicke
Von dem Schimmer dieser Welt;
Monde schwinden, Jahre wechseln,
Auch des letzten Sandkorn fällt;
Unaufhaltsam eilt's von hinnen,
Und sein Abschied naht heran,
Sieh! die letzten Tropfen rinnen
In den grossen Ozean!
Fleug dann hin mit allen Leiden,
Die dir Krieg und Elend gab,
Sinke in den Strom der Zeiten,
Hin in deiner Brüder Grab;
Birg in deinen dunkeln Fluthen
Jede That, die Prüfung scheut;
Nur die Redlichen die Guten
Kröne mit Unsterblichkeit!
[127]
Auf der Hofnung goldnen Flügeln
Schwebe, neues Jahr! heran,
Schütze kräftig jede Tugend,
Scheuche Vorurtheil und Wahn;
Um die Unschuld zu erretten,
Sprich dem kühnen Frevler Hohn,
Brich der Tyrannei die Ketten,
Stürz' das Laster von dem Thron!
Dring' in öde Kerker-Grüfte,
Wo verjährtes Elend weint,
Reiche grossmuthsvoll die Rechte
Zur Versöhnung jedem Feind!
Schone nicht, wenn Neides Geifer
Frech verleumdet, schone nicht!
Reiss ihm mit gerechtem Eifer
Kühn die Larve vom Gesicht!
Zeige klar des Heuchlers Hülle,
Wenn er kriechend Lob erstrebt,
Winde dem Verdienste Kränze,
Das in stiller Grösse lebt!
Wecke himmlisches Erbarmen,
Das, Gott ähnlich, Hülfe bringt,
Wenn verzweiflungsvoller Armen
Wilder Schmerz die Hände ringt!
[128]
Ström' in die gebrochnen Herzen
Stillen Frieden – Seelenruh:
Führe lebensmüde Waller
Ihrer stillen Heimath zu.
Male, wenn der Sehnsucht Leiden
Von gebleichten Wangen spricht,
Ihr des Wiedersehens Freuden
In der Hoffnung schönstem Licht!
Nach zwölf Trauerjahren führe
Uns den goldnen Frieden zu;
Bringe mit der Friedenspalme
Ueber Deutschland Glück und Ruh;
Reife für der Traube Kelter
Süssen Most auf Rebenhöh'n;
Ueber blutgedüngte Felder
Müssen goldne Saaten wehn!
Hehr und hoch wird dann dein Name
Ueber deinen Brüdern stehn,
Nicht im grauen Strom der Zeiten,
Bald vergessen, untergehn;
Von beglückten Nationen
Werden Hymnen dir geweiht,
Die dich, würdig zu belohnen,
Krönen mit Unsterblichkeit!
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