An meinen Freund, Herrn Superintendent K.W. Justi, zu Marburg

[192] Schon sank die Nacht im Sternenkleide

Hinab in's weite blaue Meer,

Aurora schwamm im Schmuck der Freude

Auf wolkenlossem Azur her.


Da floh im ungemessnen Raume

Umher die kühne Phantasie,

Und schuf für mich im schönsten Traume

Ein holdes Bild voll Harmonie.


Ich sah' Dich in dem holden Kreise

Der Deinen mit verklärtem Blick,

Der Wonne, Töne flehten leise

Für Dich um neues Lebensglück;


Die Liebe brachte ihre Rosen,

Die Freundschaft auch flocht' Blumen drein,

Das Glück trug, unter sanftem Kosen,

Dich hold in seinen Zauberhain.
[193]

Auf Silberwolken sank hernieder,

Mit sonnenrothem Angesicht,

Der Gott der Künste und der Lieder,

Der immer neue Kränze flicht.


Dir schlang er einen von den Blättern

Aus Pindus heil'gem Lorbeerhain,

Und weihte Dich vor allen Göttern

Zu Melpomenens Priester ein.


Urania gab Dir den Segen;

Ein Musenchor umtanzte Dich,

Sie warfen Blumen Dir entgegen; –

Hier dieses Blümchen haschte ich! –

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 192-194.
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