Bilder der Ruhe

[134] Stille Ruhe säuselt nieder

Von des Himmels goldnen Höh'n,

Einsam tönen meine Lieder,

Wie der Abendlüfte Wehn;

In der Dämm'rung Nebelschleier

Stirbt des Tages letzter Blick;

Meine Seele athmet freier

Stiller Ruhe süsses Glück.


In der Schöpfung weiten Kreisen

Herrscht sie segnend überall,

Sie verklärt den Blick des Weisen,

Winket sanft im Mondenstral.

Tröstend lispelt sie dem Müden:

Nur in meinen Räumen wohnt

Jener hohe Seelenfrieden,

Der ein rein Bewusstseyn lohnt!


Heil! dem Edlen, der dich immer

Sich zur Lieblingin erkohr;

Ueber seines Glückes Trümmer

Blickt er hoffnungsvoll empor!

An den heiligen Altären,

Wo er Opfer dir gebracht,

Nennt er täuschende Chimären,

Was den Thoren glücklich macht!
[135]

Lächle mir in deiner Schöne,

Ruhe, Himmels Königin!

Nimm zum Dank die leisen Töne

Meiner goldnen Harfe hin;

Lächle mir in deiner Milde,

Wenn ich matt vom Weltgewühl'

Schmachtend steh' vor deinem Bilde,

Mit gesunknem Selbstgefühl!


O dann winke mir zur Wonne,

Die den Weisen selig macht,

Ihm mit jeder Morgensonne

Himmlisch-mild entgegen lacht;

Heb' auch einst die sanften Flügel

Kühlend, wenn ein edler Freund

Mir auf meinen Schlummerhügel

Eine Sehnsuchts-Thräne weint!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 134-136.
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