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[133] Sonett
In der Abendröthe heil'ger Feier
Dacht' ich tiefbewegt voll Dank's an Dich,1
Und der Sehnsucht bange Thräne schlich
Leise nieder auf die goldne Leyer!
In den weissen, nassgeweinten Schleier
Dicht verhüllt, umarmten tröstend mich
Lunens Stralen, und der Schmerz entwich:
Herrlich schwamm ihr Licht im blauen Weiher;
Und die Genieen der Hoffnung zogen
Hold dahin auf stillen Friedenswogen,
Ach! sie trugen mich zu Dir zurück.
Nimm den Schleier! Freundin! den die Thränen
Meiner Liebe weihten, fühl' dies Sehnen,
Fühle ganz mit mir der Freundschaft Glück!
1 Ich hatte damals mehrere Wochen unter dem gastfreien Dache meiner Freundin geweilt, und alle Freuden des geselligen Umgangs in ihrer liebenswürdigen Familie, alle Wonnen der Freundschaft in ihren Armen genossen.