An dessen Frau Gemahlin, Philippine, geb. Gatterer, bei Uebersendung eines Schleiers

[133] Sonett


In der Abendröthe heil'ger Feier

Dacht' ich tiefbewegt voll Dank's an Dich,1

Und der Sehnsucht bange Thräne schlich

Leise nieder auf die goldne Leyer!


In den weissen, nassgeweinten Schleier

Dicht verhüllt, umarmten tröstend mich

Lunens Stralen, und der Schmerz entwich:

Herrlich schwamm ihr Licht im blauen Weiher;


Und die Genieen der Hoffnung zogen

Hold dahin auf stillen Friedenswogen,

Ach! sie trugen mich zu Dir zurück.


Nimm den Schleier! Freundin! den die Thränen

Meiner Liebe weihten, fühl' dies Sehnen,

Fühle ganz mit mir der Freundschaft Glück!

Fußnoten

1 Ich hatte damals mehrere Wochen unter dem gastfreien Dache meiner Freundin geweilt, und alle Freuden des geselligen Umgangs in ihrer liebenswürdigen Familie, alle Wonnen der Freundschaft in ihren Armen genossen.


Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 133-134.
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