Meinem Schöpfer

[175] Zu deinem Ruhme jauchzt, erhabner Schöpfer,

Der Welten Heer, die auf dein Wort entstanden!

Dir wälzt der Ozean die lauten Wogen,

Wenn sie an stille Klippen tosend schlagen,

Und wildes Schrecken um sich her verbreiten.

Dir steiget golden auf des Tages Herold,

Wenn er, gleich einem Gott, entschwebt den Wellen,

Und prachtvoll am ätherischen Gewölbe

Durch Rosenwolken jagt die Flammenräder;

Zu deinem Preisse glänzen Myriaden

Von Sternen, hoch am blauen Abendhimmel,

Dir wallt der blasse Mond im Sternenkranze

Durch grauer Dämm'rung feuchten Nebelschleier,

Wenn die Natur den Schlaf der Schöpfung feiert!

Ernst ist dein Gang auf nachtumzognen Wolken,

Wenn Donner deinem Fusstritt laut entrollen,

Und deine Blicke furchtbar wetterleuchten.

Den Weltkoloss umspannen deine Arme,

Erhalten auch den Wurm zu meinen Füssen,

Der fröhlich sich im Sonnenglanze spiegelt,

Und seines kurzen Daseyns Wonne fühlet.

Du hörst den Frühgesang der frohen Lerche,[176]

Das Abendlied, das Philomele flötet,

Du wohnest in der Silberpappeln Säuseln,

Die leis' und hehr im Abendgolde wallend,

Die Seele des empfindenden Betrachters

Zu sanfter Rührung seligen Gefühlen

Erheben von dem Staube zu dem Schöpfer.

Du sprichst im weit verheerenden Orkane,

Der tausendjähr'ge Eichen niederschmettert,

Und wehest sanft im lauen Abendhauche,

Der die bethaute Rose küsst und Blüthen

Umher in blendend – weissen Flocken streuet.

Dir duftet diese niedrige Viole

Und jener Baum, der, ähnlich einem Walde,

Des Indus reiche Fluren überschattet;

Du gabst der anmuthsvollen Maienglocke

Den Wohlgeruch, der Unschuld schöne Farbe.

Zu einem Balle formtest du die Ströme

Der Sonnenglut im ungeheuren Raume,

Und schenktest Leben dieser kleinen Grille,

Die leicht und froh von Halm zu Halme hüpfet,

Bist hier und da, und dort und allenthalben.

Du hörst des Seraphs Lied an deinem Throne,

Wenn sein Gesang durch alle Himmel schallet,

Auch hörest du die leisen frommen Lieder,

Die dir geweiht von meiner Harfe tönen,

Du siehst die Thräne, die im Mondglanz zittert,

Die meiner hochentzückten Wang' entsinket;

Du hebst mein Herz zu frohen schnellern Schlägen,[177]

Wenn mir des höhern Lebens Freuden winken,

Wenn im Gebiete schöner Ideale

Erträumte Welten meinem Geist begegnen,

Und, wenn gestützt vom Glauben, hohe Ahnung

Der ew'gen Dauer meine Brust durchschauert.

O du! der du des Seraphs Gott dort oben,

Der Welten Schöpfer bist, und auch mein Vater-

Könnt' ich dir doch, im Jubel meiner Seele,

Unsterbliche und deiner würd'ge Hymnen

Empor zum Sternenplan, durch alle Räume,

Bis zu der Engel Stralenreihen jauchzen!

Mein schwaches Lied gleicht hier dem kühnen Schwung

Des Adlers mit gelähmten matten Flügeln,

Er strebt empor zu höhern Regionen,

Und sinkt in seiner Ohnmacht Schmerzgefühle.

Einst werd' ich dort – es wallet hoch mein Busen –

Verklärt am lichtumflossnen Throne jauchzen,

Da will ich dann mein Glück und deine Grösse

Durch aller Himmel weiten Raum verkünden!

Bis dieser goldne Morgen für mich dämmert,

Will ich empor voll froher Hoffnung blicken,

Und meine heiligsten Gefühle weihen

Dem Gott, der mich bestimmt, zu ew'gen Freuden.

Die Wonne, die in seiner schönen Schöpfung

Mein Herz durchbebt, mit göttlichem Entzücken

Die Thräne, die in meinem Auge zittert,[178]

Wenn ich am Busen edler Freunde ruhe,

Die himmlische, die namenlose Freude,

Die mir in wohlgerathnen Kindern blühet,

In deren Geist ich froh mich wiederfinde,

Die meinen Pfad mit Blumen überstreuen,

Versöhne mich mit den vergangnen Tagen,

Mit allen Leiden, die mein Leben trübten!

O Gott! der du des Seraphs Gott dort oben

Und ewig auch der meine bist, mein Vater,

Beglücke alle, alle meine Lieben

Mit reinem höhern Sinn für jedes Gute;

Für alles, was den bessern Menschen adelt,

Und lass mich einst, wo Geist dem Geist begegnet,

In ihren Stralenreihen selig wallen!

Dann sollen meiner goldnen Harfe Lieder

Laut in den allgemeinen Hymnus jauchzen.

Dies wonnige, dies göttliche Entzücken,

Und meines schwachen leisen Lieds Verstummen,

Sey dir, dem Weltenlenker, dir dem Schöpfer,

So lang' ich noch im Staube vor dir walle,

Der lauteste von meinen Lobgesängen!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 175-179.
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