Am Grabe meiner Kousine, von Bülov

[115] Im Namen ihrer Mutter.


In den düsteren Zypressenhainen,

Wo die Tochter meines Herzens liegt,

Will ich einsam meine Klagen weinen,

Meinen Schmerz, den keine Zeit besiegt!


Ernst und hehr in stiller hoher Feier

Liegt die Nacht auf meiner Holden Grab,

Mit dem weißen, naßgeweinten Schleier

Wisch' ich bang' der Wehmuth Thränen ab.


In des Lebens schönster Jugend-Blüthe

Sank sie hin, – der frischen Rose gleich, –

War an Schönheit, war an Seelengüte

Schon auf Erden höhern Geistern gleich!


Brich, o Mond! durch graue Wolkenhülle,

Blicke mitleidsvoll auf mich herab,[116]

Führe mich in deines Glanzes Fülle

Zu der Heißgeliebten frischem Grab;


Daß ich durch die öden Schattengänge

Dieser Wohnung niegestörter Ruh,

Mich mit bangem, wundem Herzen dränge

Ihrem kleinen stillen Hügel zu; –


Diesem Hügel, der in seinen Schatten

Meines Lebens höchstes Glück enthält!

Mit mir weint der Schmerz des besten Gatten; –

Ach Du warst sein Glück und seine Welt!


Mit mir trauren Freunde, edle Brüder

Mit gesenktem thränenschwerem Blick,

Und in ihre Mitte rufen wieder

Deine holden Kinder Dich zurück.


Doch vergebens ist dies bange Sehnen,

Und gerecht der Schmerz, den Liebe lehrt!

Würdig bist Du unsrer heißen Thränen,

Bist der Trauer aller Edlen werth!
[117]

Wenn auch mir der lezte Tropfen rinnet,

Der aus Gottes Lebensquelle fleußt,

Meinem hellern Blick' der Tag beginnet,

Dessen Glanz den Nebelflor zerreißt,


O! dann komm in Deiner Siegerkrone,

Eile Deiner Mutter Armen zu,

Sag mir: daß ich nun an Gottes Throne

Mit Dir, unter Palmensäuseln, ruh'.

Quelle:
Elise Sommer: Poetische Versuche, Marburg 1806, S. 115-118.
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