An die Musen

[58] Wär' ich würdig, zu gewinnen

Eure Gunst, ihr Charitinnen,

Der Begeist'rung Sonnenflug,

Die mich oft in goldnen Träumen

Unter amaranth'nen Bäumen

Wie auf Rosenarmen trug;


Euch, ihr Holden! zu besingen,

Flög' ich dann mit kühnen Schwingen

Zum erhab'nen Helikon,

Wo im Lorbeerhain die Musen

Ruhen an der Götter Busen

Stimmt' ich meiner Lyra Ton.


Auch der Freundschaft süßen Freuden

Sollten jauchzend meine Saiten

Süße ew'ge Lieder weih'n!

Nicht um Thoren Lob zu singen[59]

Oder Güther zu erringen,

Wollt' ich, Harfe! dich entweih'n.


Oft sah' ich mit vollen Händen

Launenhaft Fortunen spenden

Manchem Thoren Glück und Gold;

Nie will ich nach Güthern dürsten,

Selbst das stolze Loos der Fürsten

Zahlt dem Tode seinen Sold.


Nur zu ruhen an dem Busen

Meiner lieben holden Musen,

Das ist meiner Wünsche Ziel!

Werd' ich diesen Wunsch erlangen,

Mögen stolze Thoren prangen

Mit Fortunens Schattenspiel!

Quelle:
Elise Sommer: Poetische Versuche, Marburg 1806, S. 58-60.
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