Vom Gral

[193] Nun schreiten wir in Abends leisem Leuchten

den Wiesenhang von Blumengold umschüttet

den Schatten zu die von erloschnen Hügeln

hinsinken über das entflammte Tal.


Uns ward die Mär von fernen Tempels Zinnen:

Gold sind die Türme silbern strahlt das Tor

weiß schimmern seine Alabastersäulen

aus schwarzem Lorbeer vor und Rosenbüschen.

Im Glühen und Verrieseln dunkler Dolden

bebt zag der Schritt durch die verwunschnen Beete

der Stufen Glanz von rotem Licht umflattert

wo tief in klingender Gewölbe Schauern

von Purpurnacht der Decken überströmt

auf runder Schale schläft der heilige Kelch.


Schon tropft das Dunkel über uns wie Tau.

Wann rinnt es golden durch umflorte Wipfel?

Wann lockt durch schwüle Stille süßer Ton?

Quelle:
Ernst Stadler: Dichtungen, Band 2, Hamburg o.J. [1954], S. 193-194.
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