Dreizehntes Kapitel.

[41] Der Leser dieses rhapsodischen Werkes hat die Hebamme schon so lange aus den Augen verloren, daß es jetzt hohe Zeit ist, ihrer wieder zu erwähnen, blos um ihn daran zu erinnern, daß es überhaupt noch solch eine Person in der Welt giebt, die ich hiemit, soweit ich nämlich meinen Plan übersehen kann, in aller Form einführen will; denn es könnte plötzlich etwas Neues aufspringen, ein unerwartetes Geschäft könnte sich zwischen mir und dem Leser aufwerfen, das augenblickliche Erledigung forderte, und da ist es nur billig, wenn ich dafür sorge, daß das arme Weib unterdeß nicht verloren geht, um so mehr, als wir sie, wenn sie nöthig wird, durchaus nicht entbehren können.

Ich glaube bereits gesagt zu haben, daß diese gute Frau in unserm ganzen Dorfe wie in der Umgegend ein nicht geringes Ansehn genoß und eine Person von Wichtigkeit war; daß ihr Ruf sich bis zur äußersten Grenze und Peripherie jenes Geltungskreises erstreckte, den jedes Menschenkind, mag es nun ein Hemd auf dem Leibe haben oder nicht, um sich beschreibt, welchen Kreis ich, nebenbei gesagt, sobald von seiner großen Wichtigkeit und Bedeutung die Rede ist, Ew. Herrlichkeit bitte je nach der Stellung, dem Berufe, den Kenntnissen und Fähigkeiten, der Höhe und Tiefe der betreffenden Personen (denn beides muß gemessen werden) in Dero Phantasie zu erweitern oder zusammenzuziehen.

Im vorliegenden Falle setzte ich ihn, wie ich mich erinnere, auf etwa vier bis fünf Meilen fest, was so viel sagen will, daß er nicht allein das Kirchspiel in sich begriff, sondern sich sogar[41] noch über zwei oder drei angrenzende Weiler des benachbarten Kirchspiels erstreckte, wodurch er sehr beträchtlich wurde. Dabei muß ich ferner erwähnen, daß die gute Frau außerdem in einem großen Meierhofe und in einigen einzelliegenden Ansiedelungen und Pächterhäusern, welche, wie gesagt, zwei oder drei Meilen von ihrer Wohnung lagen, höchst angesehen war: doch will ich hier ein- für allemal die Nachricht mittheilen, daß dies Alles viel deutlicher und übersichtlicher auf einer Karte dargestellt werden wird, die sich jetzt unter den Händen eines Kupferstechers befindet und die nebst andern Beweisstücken und Ausführungen dem zwanzigsten Bande dieses Werkes angehängt werden soll, – nicht etwa um dasselbe dadurch dickleibiger zu machen, – schon der Gedanke daran ist mir ein Gräuel, – sondern als Kommentar, Scholie, Illustration, als ein Schlüssel zu solchen Stellen, Umständen, Inuendas, die entweder verschiedenartig ausgelegt werden könnten, oder deren Sinn dunkel und zweifelhaft ist, nachdem »mein Leben und meine Meinungen« von aller Welt (erwäge man die Bedeutung dieses Wortes wohl!) gelesen sein werden, was, unter uns gesagt, sämmtlichen Herren Recensenten in Großbritannien zum Trotz, und mögen diese Würdigen dagegen schreiben und sagen was sie wollen, sicherlich der Fall sein wird.

Ich brauche Ew. Wohlgeboren wohl nicht zu bemerken, daß dies eine konfidentielle Mittheilung ist.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 1, Leipzig, Wien [o. J.], S. 41-42.
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