7. Treugeliebt/ unbetrübt

[113] 1.

Es ist ein Ort in düstrer Nacht/

wo Pech und blauer Schwefel brennet/

deß holer Schlund nie wird erkennet/

als wenn ein Blizz ihn heitermacht/

mit Schlamm und schwarzen Wasserwogen

ist sein verfluchter Sizz umzogen.
[113]

2.

Megera denkt dar Martern auß

mit ihren Schwestern/ denen Schlangen

um die vergifften Schläffe hangen.

Dar ist die Grausamkeit zu Hauß/

da wohnet Neid und Wiederwillen/

man höret dar des Zerbers Brüllen.


3.

Ixions Marter-rad ist da

und Tantalus zum Durst verbannet.

der Tizius steht außgespannet

und wüntscht/ sein Ende were nah.

Dar sind die außgehölten Fässer

in Letens dunkelm Tod-gewässer.


4.

Zu dieser Hölen ist bestimmt/

wer mit der zarten Liebe spottet/

wer gegen Amorn auff- sich -rottet/

und wieder Venus/ Waffen nimt/

treibt mit Verliebten/ Scherz und Possen:

wird hier in Ketten eingeschlossen.


5.

Hergegen ist ein grünes Tahl

wo die beblühmten Weste kühlen.

Hier höret man von Seiten-spielen

von Lust und Freuden ohne Zahl.

die Felder blühn in bunten Nelken

und Rosen/ welche nie verwelken.


6.

Hier wehet eine Zimmet-Lufft/

man höret dar ohn Ende schallen[114]

den Schlag der muntern Nachtigallen/

hier ist kein Frost/ kein Nebel-dufft/

kein Blizz/ kein Donnerschlag noch Regen

zieht schwarzen Wolken hier entgegen.


7.

Hier ist ein milder Liebes-streit/

das junge Volk spielt mit Jungfrauen

auff Elis bunten silber-auen.

Scherz/ Liebe/ Lust und Fröligkeit

Vergnügung/ Ruh und süsses Lachen

verkürzt ihr unauffhörlichs Wachen.


8.

Wol dehm/ der sich der Lieb' ergiebt!

der wird bekrönt mit Myrten-kränzen

geniessen dieses steten Lenzen.

Wol dehm/ der keusch und treulich liebt!

Ihn wird mit Sieg/ Triumff und singen

der bleiche Charon überbringen.


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 113-115.
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