3. Dumme Leute sein dumm

[47] 1.

Ich hab' an Fozis kühlen Flüssen

dir Delia/ manch Lied zu Ehren auffgespielt.

Die Musen und Apollo wissen

wie offt der Sonnen-Licht mich brant' und Föbe kühlt

und wie ich manche Nacht gewacht

und einen Vers auff dich erdacht.


2.

Die Pallas hat mich offt geneidet/

daß ich nicht ihr zu Ruhm gebraucht der Poesie/

weil sie die Venus nimmer leidet

und sonder Liebe lebt in Keuschheit ie und ie.

Doch hab' ich stets die Nacht gewacht/

und einen Vers auff dich erdacht.


3.

Der Amor machte mir von Myrten

vor mein verliebt Gedicht so manchen Siegeskranz

die Musen sah' ich mich umgürten

mit dunkelm Efeu-laub und göldnem Lorbeer-glanz/

indehm ich manche Nacht gewacht

und einen Vers auff dich erdacht.


4.

Dir dummen geht zu beyden Ohren

der süssen Reime Schall bald auß/ bald wieder ein[47]

die Kunst hat ganz an dir verlohren/

ich muß bey dir umsonst des Föbus Lehrling sein/

wiewol ich manche Nacht gewacht

und einen Vers auff dich erdacht.


5.

Du/ Orffeus könnst die Hölle zwingen/

der wilde Zerber schwieg auff deinen Schall:

ich kan sie nicht zu rechte bringen

diß Mensch/ und spielet' ich trozz Föbus Zitter-hall

was hilfft es daß ich nu gewacht

und manchen Vers auff sie erdacht?


6.

Soll ich mein Dicht-werk nu verschweren

dieweil ich nur von ihr damit werd' außgelacht/

ô Nein! ich weiß/ daß ander' ehren

was du/ du Kunst-spott/ hast bißher an mir veracht.

Pfui! daß ich manche Nacht gewacht/

und keinen Schimpff auff dich erdacht.


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 47-48.
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