Zweyter Absatz

[14] Polyphilus führet seine Klage / im Wald / und unterredet sich mit dem Gegenschall / empfähet Macarien Antwort-Schreiben / und lässt darüber Freud-Worte schiessen. Sein Streit-Gespräche mit der Atychintida / von Macarie / und Schutz-Rede ihres Lobes. Seine Abreis-Entschliessung.


Polyphilus hatte / seine Einsamkeit zu kürtzen / und der noch übrigen Herbst-Lust zu geniessen / einen Spatzirgang erwchlet / und als er in demselben sahe /wie der neue Blumenstürmer den Feldern ihr grünes Kleid auszuziehen / und den Bäumen nicht allein ihre Früchte / sondern auch ihre Blätter abzuschütteln begunte: erinnerte er sich alsobald / wie er mit ihnen in gleichem Unglück lebte / weil er seiner Macarien /wie diese ihrer Zier / beraubet seyn muste. Ach! sagte er / schönste Macarie! wann wird mich das Glück so hoch würdigen / Eurer liebsten Gegenwart hinwieder zu geniessen? Ist es auch müglich / daß ich euer Abseyn länger mit gedultigem Hertzen ertrage? Diese entkleidete Felder / und entblöste Bäume / haben doch Hoffnung / sich / so bald der graue Winter vorbey /aufs neue auszuputzen: Aber wann habe ich Hoffnung / durch eure stäte Beywohnung gezieret zu wer den? Ihr habt zwar / mich einig zu lieben / verheissen: aber wer weiß / ob nicht meine Abwesenheit / als die ärgste Feindin der Liebe / solches[14] Gelübde ändert? Vielleicht hat Euch / die betrogne Hoffnung meiner Besuchung / zur Ungedult verleitet / und Eure Liebe in Haß verwandelt? Ach! hätte ich jetzt ein einiges Zeugnus euerer beständigen Liebe: so wolte ich mich leichter zu frieden geben. Unter diesen Gedanken kam er an ein kleines Wäldlein / in welchem er den Gegenschall / um seine Liebe / mit diesen Worten fragte.


Du beschwazte Nymfe / sage /

Diß / was ich dich jetzund frage!

E. Frage!

Liebt / wie sie versprochen nenlich /

Mich Macarie so treulich?

E. Freylich /

Aber / ach! was wird sie sagen /

Daß ich ihre Bitt verschlagen?

E. Klagen.

Wird sie nur im Klagen bleiben /

Und mir keinen Trost zuschreiben?

E. schreiben.

Schreiben? Ach! das brächte Freude.

Wann erlang ich solche Beute?

E. heute.


Kaum hatte Polyphilus diß Wort geendiget / als er von fern einen Knaben auf sich zu eilen sahe / und bald erkennte / daß es Servetus war. Er gieng ihme entgegen / und fragte um die Ursach seiner eilenden Ankunfft. Dieser zeigete ihm den Brief von Macarien. Polyphilus / der die Hand geschwind erkante / als er den Brief ersehen / ward sehr erfreuet / und als er Serveten beurlaubet / sagte er: Du edle Nymfe / hast doch noch recht / daß ich heute von meiner Liebsten Schreiben erhalte.[15] Wird deine übrige Weissagung /von Macarien getreuer Liebe / auch eintreffen / so bin ich dir doppelten Dank schuldig. Mit diesen Worten hertzte er den Brief / erbrach ihn begierig / und lase dieses.


Macarien Antwort an den Polyphilus.

Mein Kind!

Wie die Kräffte eures Verstands sich in allen Stücken herrlich erweisen / also bemühen sie sich sonderlich / durch die überschickte Liebes-Beschreibung sich verwunderlich zu machen. Dann je mehr ich eure kluge Erfindungen lese / je mehr ich mich in sie verliebe: also / daß ich billich mein Unglück zu beklagen hätte / wann ich / durch euren Verlust / auch dieser verhofften Ergötzung / die ich allezeit vor das gröste Kleinod gehalten / beraubt seyn solte. Dann ob gleich die einfältige und mangelhaffte Macarie / bey weiten so hohen Ruhm nicht verdienet / als ihr eure Höflichkeit beyleget / so ist sie dennoch eine Probe gewesen /daran sich euere subtile Vernunfft dergleichen Stärcke gebrauchet / daß ihr bey solchen Jahren keine zu vergleichen stehet. Derowegen ich ihr billich den Sieg überlasse / und wie euere Seele die meine beherschet /also auch von deroselben edelsten Theil / überwunden zu seyn / vor meine gröste Ehre schätze. Indessen nehmet freundlich auf den schuldigen Dank / welchen ich eurer schönen Hand / und verliebten Feder / vor ihre vielfältige Bemühungen / überreiche / biß ich von dem gütigen[16] Himmel / Gelegenheit erbitte / mein dankbares Gemüt durch das Werk selbsten sehen zu lassen. Belangend seine Entschuldigung / befinde ich dieselbe gantz gültig / meine Besuchung zu verhintern. Er darff auch keine Veränderung der Liebe bey mir fürchten / weil ich nicht zu dem angestellten Mahl komme. Und da ich mich gleich zu diesem erbitten ließ / würde mich doch die Tugend lehren / was die Treu / welche mich stets nach ihm sehnend machet / erfordere. Kan er also wohl ohne Sorg schlaffen / weil ich lebe und sterbe /

Mein Kind!

Seine gantz ergebne

Macarie.


Polypbilus! als er den Brief durchlesen / erstaunete fast vor Verwunderung und Freude. Freude machte ihme die Beständigkeit seiner Macarien / und das herrliche Lob / welches sie ihm ertheilet: Verwunderung aber / die Klugheit dieses Briesteins. Er satzte sich unter einen Baum / und lase ihn zum andern /zum dritten mahl. Endlich sagte er: Du zierliches Brieflein! bist ja recht ein aufrichtiger Zeuge / meiner Macarien unschätzbarer Würde / und aus deinen wenigen Tropfen / ist der Brunnen ihrer Weißheit unschwer zu ermessen. Ach kluge Macarie! niemals bin ich dem Glück höher verpflichtet worden / als an dem Tage / da ich eure schöne Augen zum ersten mahl gesehen. Ihr erhebet euren eignen Verstand / wann ihr meinen Verstand rühmet. Und ob gleich dieser eures Lobs nicht würdig / so erkenne ich doch daraus eure[17] unuerfälschte Liebe / deren Natur ist / ihren Liebsten auch wider Verdienst zu rühmen. Ich zwar wolte deßgleichen thun / wann ich nicht fürchtete / viel eher meine Vermessenheit / als eure Trefflichkeit darzustellen.

Aber schönste Macarie! warum handelt ihr so ungerecht wider euch selbsten / und nennet euch einfältig und mangelhafft? Warum mangelhafft / und nicht vielmehr vollkommen und Ruhm-verdienend? Ist nicht eure Tugend ehrens / eure Wissenschafft rühmens / euer Verstand verwunderens / und eure Schön heit liebens würdig? Aber dieses würket die edle Demut / die Kron und Zier aller Tugenden. Diese hat vorlängst deine schöne Seele so herrlich bekräntzet /ja so gar ümwunden / daß sie sich auch in der höchsten Würde nicht loß wickeln kan. Was ists dann Wunder / daß deren Befehl deinem Munde die Höflichkeit auspresset / welche allzudemütig meine Seele der deinen zur Beherscherin erwehlet. Ach du einfältige Seele! soltest du herschen / wo du schuldig bist zu gehorchen? Nein / nein Macarie! meine unwürdige Seele wird euerer Vollkommenheit willig das Scepter küssen / und sich seelig schätzen / wann sie in eurer Beywohnung nur dienen darff. Was meinet sie aber /kluge Macarie! durch das Werck selbsten / damit sie mir danken will? Vielleicht eine gleichmässige Liebes-Beschreibung? Ach Himmel! dörfft ich das wünschen und hoffen! oder die Freundlichkeit bey unserer künfftigen Zusammenkunfft? Ja / liebste Macarie! Um diese will ich mit euch den Himmel ersuchen / und indessen glauben / daß die Tugend euch lehre / was die Treue erfordere.[18] Ich will auch / eurem Befehl nach /ohne Sorgen schlaffen.

Mit diesen Worten stunde er auf / und wolte wieder nach Haus gehen: erinnerte sich doch seiner Schuld /und schnitte / dem Gegenschall zu Ehren / in die Rinde des Baums / folgendes.


Felsen-Tochter! der das Lieben

Hat den Leib so aufgetrieben /

Daß ein blosser Schall verblieben!

Dieses wird zu deinen Ehren

Stehen / weil der Baum besteht.

Jeder / der vorüber geht /

Soll von deiner Treue hören:

Weil du mir in dieser Stund

Unverhofft gemachet kund /

Meiner Liebsten Hertzengrund.


Als diß verfertigt / eilete Polyphilus nach seiner Wohnung; und weil es eben Zeit zu speisen war / verfügte er sich zur Tafel. Die Königin / deren der Solettische Bot das Hertz drückte / finge unter anderm Gespräche sehr behutsam an zu fragen: Was dessen Anbringen gewesen / und wie es zu Soletten stehe? Polyphilus /der sich hier nicht bergen durffte / sagte: man hätte ihm Briefe von Talypsidamus gebracht. Der wird vielleicht (begegnete ihm Atychintida) übel zu sprechen seyn / wegen eures neulichen Aussenbleibens? Mir ist leid / daß ich durch meine etwan untüchtige Vorsorge / euch solcher angenehmen Gesellschafft beraubet /in dem ihr zugleich von der Begrüssung eurer schönen und geliebten Macarie abgehalten worden. Was ich / (versetzte Polyphilus) an Macarien liebe / ist Tugend; und was ich an ihr rühme / ist Weißheit: haben[19] also E.M. ihren Befehl nicht zu entschuldigen / weil ich solche Gaben auch ohne ihre Gegenwart / ehren und verwundern kan. Aber dennoch / (widerredete die Königin /) wird in ihrer Abwesenheit das Verlangen /und in ihrer Gegenwart der Ruhm grösser: sonderlich beym Polyphilo / dessen verliebtes Urtheil sie bald gar aus der Zahl der Sterblichen schliessen dürffte /wo nicht ihre menschliche Eigenschafften solches Urtheil der Parteilichkeit anklagten.

Polyphilus hatte kaum das ende dieser Rede erwartet / als er voller Grimms der Königin fast verweißlich unterfuhre: E. M. werden ihren Diener nicht der Parteiligkeit beschuldigen können / wann ich Macarien über die gemeine Menschen erhebe; weil ich darinn nicht so wohl ein verliebtes / als gerechtes Urtheil sehen lasse / das einem jeden seine verdiente Ehre nicht abspricht. Der Macarie Person habe ich niemahl der Sterblichkeit entzogen: ihre Wissenschafft aber ist in Warheit ungemein / und ihre Tugend gautz himmlisch. Oder ist an ihrem Verstande nichts besonders / warum finden wir ihn dann nicht bey allen? Und ist ihre Tugend menschlich / wie daß wir sie dann nicht bey mehrern Menschen antreffen? Was sind die Götter / welche die Menschen verehret haben / und theils noch verehren / anders gewesen /als Menschen / die durch ihre Tugenden sich über andere Menschen erhaben. In warheit / welcher bey Macarien Kunst und Tugend / als Göttlich / in einem sterblichen Leibe verehret / kan weder der Ungerechtigkeit / noch der Thorheit beschuldiget werden. Die Königin / deren auch der Name Macarie verdrießlich war / gab mit zimlich erhitzten Gebärden diese[20] kurtze Antwort: Ihr bemühet euch umsonst / Polyphile! mich glauben zu machen / daß es recht sey / einem sterblichen Menschen Göttliche Ehre zu erweisen. Und da Macarie so ein vollkommenes Tugend-Bild ist / wie ihr rühmet / würde sie gewiß solche unbillige Ehre nicht annehmen.

Als Polyphilus dieses wieder beantworten wolte /fiel ihm Cosmarites in die Rede / mit dieser Entscheidung: Durchleuchtigste Königin! die Meynung Polyphili gehet / so viel ich vernehme / gantz nicht dahin /der schönen Macarie Göttliche Ehre zu erweisen /vielweniger solches / als rechtmässig zu behaupten /sondern er bemühet sich allein / selbige / als etwas sonderliches unter den Sterblichen / vorzustellen. Welches Beginnen / sofern nicht zu tadeln / als lang es in den schranken der Vorsichtigkeit bleibet / und nicht in eine sträffliche Beleidigung der Gottheit ausschlägt / wie E. M. vernünfftig erinnert. Dann daß Weißheit und Tugend Göttlich / ist gantz gewiß; daß auch solche die Menschen der Göttlichen Eigenschafften ähnlich machen / ist nicht zu zweiffeln. Daraus aber folget keineswegs / daß wir die Menschen / um solcher Gaben willen / als Götter verehren sollen: weil sie doch Menschen bleiben / und diese Güter /als ein blosses Geschenk / von der Gottheit geniessen / und also vielmehr der Geber / dann der Besitzer hierin zu verehren. Macarie auch / in welcher / aller Zeugnus nach / so viel herrliche Tugenden leuchten /würde solche sündliche Verehrung nimmermehr gut heissen / weil dadurch das Band aller Tugenden / die edle Demut verletzet / und sie einer greulichen Ungerechtigkeit würde schuldig erkennet[21] werden. Dennoch / weil zwar alle Menschen sich der Weißheit und Tugend befleissen / und also dem Göttlichen Ebenbild gleich werden / oder zum wenigsten nachstreben solten / selbige aber / leider! so selten anzutreffen: als ist es billich / daß solche Gaben / wann sie gefunden /desto mehr verehret werden. Und so lang Polyphilus die Macarie einen Menschen bleiben lässt / ihre Gaben aber / doch ohne Anbetung / als Göttlich bewundert: sehe ich nicht / wie er der Ungerechtigkeit zu beschuldigen sey.

Ich bin (sagte die Königin / die sich indessen ein wenig erholet) niemals willens gewesen / dieses zu bestreiten / sondern ich ergötzte mich in solchem Gespräche allein an des Polyphili Eysser / den er in Beehrung seiner Macarien sehen lässet / womit er zugleich die Hefftigkeit seiner Liebe / die er doch sonsten so verborgen halten will / erweiset. Ob ich / (widersprache Polyphilus) die Macarie schelte oder rühme / so bleibet sie doch die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie / und meine Vertheidigung ist mehr billig / als verliebt. So muß man auch / die Zeit zu kürtzen / bißweilen eine Streit-Frage auf die bahn bringen. Indessen wolle E. M. holdseligste Königin! meiner kühnen Widerredung gnädigst vergeben: Ich thue es nicht / dero Klugheit zu widersprechen / sondern meiner Unwissenheit Unterricht zu suchen / den ich auch von Cosmarites jetzt erhalten / deßwegen ihm auch schuldigen Dank zu sagen habe. Hiemit erhuben sie sich von der Tafel / und verfügten sich /nach beederseits Anwünschung eines sanfften Schlaffs / ein jedes nach seinem Gemach. Den Polyphilus aber ließ der Unmut / wegen der Königin boßhaffter Mißgunst /[22] die sie gegen Macarie spüren lassen / wenig schlaffen.

Weil Melopharmis solches mutmaßte / kam sie mit frühem morgen / neben dem Agapistus / in sein Zimmer / und fragte / nach abgelegtem Morgen-Gruß /wie er diese Nacht über geruhet? Polyphilus antwortete: Wie die jenige zu ruhen pflegen / welche Unmut und Verdruß ohne Aufhören bestreitet. Diß kunte ich wohl denken / (sagte hierauf Melopharmis) und habe ich deßwegen den Agapistus / euren liebsten Freund gebetten / euch mit mir zu besuchen / und in dieser Widerwärtigkeit zu trösten. Nicht nur zu trösten /(versetzte Polyphilus) sondern auch mir zu helffen. Ach kluge Melopharmis! und getreuster Agapistus! Ersinnet doch / bitte ich / ein vernünfftiges Mittel /mich aus diesem Gefängnus zu erlösen / und zu meiner Macarie zu bringen. Ich lebe in solcher Verwirrung / daß ich mir selbst nicht zu rahten weiß. Länger aber bey dieser ungerechten Königin zu verharren /fället mir unerträglich / weil ich doch förchten muß /daß mich einst ungefehr mein billiger Eiffer in ihre äusserste Ungnade stürtzen möchte.

Ohne ist es nicht / (begegnete ihme Melopharmis /) die Gunst vornehmer Leute / vergleichet sich denen Kräutern / welche / wann man sie gelind anrühret /lieblich riechen; wann man sie aber starck reibet /häßlich zu stinken pflegen. Wie die Münzen ihres Herren Bildnus / also muß man in seinen Handlungen solcher Leute Willen führen / will man anderst nicht /wie eine ungültige Münze verschlagen werden. Und weil euch solches / wegen der Liebe zu Macarien /welche die Königin nicht unbeeiffert[23] lassen kan / unmüglich ist / wäre freylich das sicherste / diesem Ungewitter beyzeiten auszuweichen. Aber durch was vor einen Vorwand kan solches geschehen? Ich meines theils unterwinde mich nicht / der Königin euren Abzug zu verkünden: weil ich weiß / daß sie eine ungemeine Gewogenheit gegen euch trägt / und dem jenigen keine gnädige Augen gönnen wird / der euch ihren Augen entziehet. Was rahtet ihr / Agapistus? helffet doch / wo es müglich / dißmal euren Freund erretten.

Ob ich wohl weiß / (liesse sich hierauf Agapistus vernehmen) daß ihr / geehrte Melopharmis / und liebster Polyphilus! viel zu klug seyt / als daß ihr von meiner Wenigkeit Hülffe erwarten soltet: so will ich doch / (weil der Kummer gemeinlich die Augen so verblendet / daß man auch die beste Mittel nicht ersihet) eurem Befehl gehorsamen / und meine einfältige Gedanken eröffnen. Die Königin / so viel ich sehe /wird wegen ihrer verborgenen Liebe / des Polyphilus gäntzlichen Abzug nimmermehr erlauben / vielweniger gestatten / daß Macarie / als das Liecht / welches ihren Schein verdunkelt / nach Sophoxenien komme. Auch die Solettischen Inwohner / als welche sämtlich dem Eusephilisto gewogen / werden eure Vermählung mit Macarie / nach allen Kräfften hindern. Will also vonnöten seyn / eurem Verlangen und dieser Vereinigung einen verborgenen Weg zu suchen. Meines theils hielte ich vor das beste / daß ihr eine Reise in euer Vatterland Brunsile vornehmet / einen Sitz zu suchen / alda ihr mit Macarie / die ihr alsdann der Solettischen Insul heimlich[24] entführen könnet / in Zufriedenheit zu leben hättet. Ich selbst will euch auf solcher Reise einen Gefärten abgeben. Der Königin aber kan dieses als eine Spazier-Reise / ein und andern lieben Freund zu besuchen / vorgetragen werden: welches sie vielleicht auch desto gefälliger eingehen möchte / als sie ihr die Hoffnung machen kan / ihr werdet in solchem Beginnen eurer Macarie vergessen.

Melopharmis ließ ihr bald diesen Anschlag belieben / und sagte: Ich will auch Gelegenheit suchen /der Atychintida solchen zu eröffnen. Und damit sie destoweniger an eurer Widerkunfft zweifle / will ich meinen Sohn in eurer Gesellschafft lassen / der gewissen Hoffnung / ihr werdet ihn auf dieser Reise vor allem Unfall beschützen / und mit Notturfft / wie euch selbsten / versorgen. Polyphilus / welcher über diesem Vorschlag aufs neue anfieng zu leben / danckte ihnen beeden vor ihren getreuen Raht und Beystand / mit weinenden Augen / und flehentlicher Bitte / dieses Vornehmen zu befördern: mit angehengtem Versprechen / daß er nicht allein auf dieser Reise den Sohn aller Gefahr befreyen / sondern auch ihre Freundschafft lebenslang rühmen / und nach allen Kräfften belohnen wolle. Also nam Melopharmis Abschied /mit der Zusage / daß sie / so bald sie die Königin zu diesem Anbringen bequem gefunden / Polyphilum zu ihr bitten lassen wolle. Agapistus aber / erinnerte den Polyphilus / diesen Vorschlag seiner Macarie durch ein Brieflein zu eröffnen / und ihre Einwilligung zu suchen. Welchem er alsobald nachkam / und folgendes verfärtigte.
[25]

Mein Kind!

Wie mein Hertz einig in ihrem Schoß ruhet / und alles mein Beginnen sich ihrer Gunst vertrauet / also finde ich mich schuldig / ihr nicht allein meine Betrübnis / sondern auch die erfreuliche Hoffnung zu entdecken / welche in mir der getreue Raht Agapistens erwecket / daß ich nemlich in mein Vatterland Brunsile einen Ort / der ihrer Gegenwart würdig / und unserer Wohnung nicht ungelegen / suchen sol. Derowegen nehme sie / liebstes Hertz! die gute Hoffnung zum Trost / biß die letzte Erfüllung / welche mein unruhiges Suchen nicht verlängern / sondern nach Müglichkeit befördern wird / eine erwünschte Freude gebähre / die das vorgesetzte erlangte Ziel mit freundlichem Anlachen küsse. Ich bin entschlossen / nach wenig Tagen / mit einer vertrauten Gesellschafft /diese Reise anzutretten. Solte ich wissen / daß mein Kind durch ihre Gedanken meine Begleiterin seyn /und meinem Vornehmen durch einen treuen Wunsch beystimmen wolte / würde ich nicht nur alles viel freudiger verrichten / sondern ihr auch meine Sinne /als die Verkürzer ihrer traurigen Einsamkeit / hinwieder zu schicken: daß / weil ich augenblicklich an sie gedencke / sie keine Zeit vorbey liessen / da sie nit den Namen Polyphilus meiner allerschönsten Macarie ins Hertz mahleten. Sie erkenne aber anbey / mein Kind! wie ich nichts unterlasse / was sie in stete Glückseligkeit / und mich in ihre Gewogenheit[26] setzen könne. Alles bin ich bereit zu thun und zu leiden / um der einigen Macarie willen. Und stärket meine Hoffnung nicht wenig / daß wir / ob gleich durch viel Widerwärtigkeit / dennoch sollen verbunden bleiben /weil gleichwol alles unser Vornehmen befördert. Will sie mich vor meiner Abreise noch mit einem Brieflein erfreuen / muß solches bey zeiten geschehen / weil ich bald aufseyn werde. Ich will auch mit der Wiederkunfft eilen / so viel unser Vornehmen es leidet: Damit meine zweiffelhaffte Hoffnung desto eher in ein vestes Vertrauen verwandelt / und ich ohne Hinternus lieben dörffe. Sie nehre indessen ihre Liebe mit der Gewißheit meiner Beständigkeit / gleich wie ich mich ergötze mit der Hoffnung ihrer Gewogenheit. Mich soll nichts reuen / wann ich nur das einige erhalte / daß ich mich nennen darff / der Kunst- und Tugend-gezierten Macarie

beständigsten

Polyphilus.


Diesen Brief gab er dem Servetus / mit Befehl / solchen der Macarie einzuhändigen / und / wo müglich /eine schrifftliche Antwort wieder zu bringen. Dieser nahm den Befehl freudig an / eilete mit dem Brief nach Soletten / und kame mit einbrechender Nacht zur Macarie: welche über seiner spaten Ankunfft erschrocken / geschwind fragte / ob es wohl stünde? So viel mir wissend / (gab Servetus zur Antwort) ist keine Gefahr zu fürchten. Damit überreichte er des Polyphilus Brief /[27] welchen Macarie erbrache / ablase /und über den Innhalt ihr kein geringes Nachdenken machte. Sie fragte den Diener / aus was Ursachen Polyphilus diese Reise vornehme? weil der sich aber mit der Unwissenheit entschuldigte / als muste sie mit des Polyphilus Bericht zu frieden seyn / und auf die Antwort / um welche Servetus inständig anhielte / sich bedenken. Es kam ihr zwar diese Reise in ein fremdes Land / sehr nachdenklich vor. Weil sie aber in der Insul Soletten sich mit dem Polyphilus zu vermählen /keine Hoffnung hatte / als dachte sie durch dieses Mittel aller Gefahr ein Ende zu erwarten / und ergab sich seinem Willen / durch folgendes Brieflein.


Mein Polyphilus!

Wie ich die Beständigkeit und Aufrichtigkeit eurer Liebe billich rühme / also bin ich hingegen verpflichtet / euch vor so vielfältige Mühe und Ungelegenheit /die ihr meiner Wenigkeit halben erdultet / schuldigen Dank zu sagen. Weil ich auch aus euren Brieflein verstanden / wie ihr / auf Einrahten und Beförderung vieler vornehmer Freunde / gesonnen seyet / eine Reise in euer Vatterland anzutretten: als habe ich Ursach /hierzu einen Glücks-Wunsch zu übersenden. Dafern ihr meiner Vorbitte einige Krafft beymesset / will ich versuchen / was dieselbe zu würken vermöge. Ich wünsche demnach hierzu alles das Gedeyen / welches ihr von der Gütigkeit des Himmels hoffen und wünschen könnet: daß / wie ihr diese Reise / nach eurer beywohnenden Vernunfft / unschädlich[28] anfahet / also werde die Allmacht des Himmels / / einen solchen Ausgang ersehen / der eurer Klugheit rühmlich / und unserer Zufriedenheit beförderlich sey. Wofern euch auch meine Gewogenheit die Reise erleichtern kan /verspreche ich selbige zu einen getreuen Gefährten: mit der Hoffnung / daß ihr sie / wegen fremder Schönheit / nicht zurück jagen / sondern ihr eure Gesellschafft beständig gönnen werdet. Zeit / Ort und Geschäffte / in derer verstrickung ich dieses schreibe /erlauben mir dißmal nicht ein mehrers zu schreiben. Lebet indessen versichert / daß ich eure Tugend rühme / euer Gedächtnus ehre / eure Beständigkeit liebe und unverruckt verbleibe

Eure / biß in den Tod ergebne

Macarie.


Mit diesen kehrte Servetus des andern Morgens wieder zum Polyphilus: der eben von Melopharmis zu der Königin gefordert ward / um bey ihr die Zeit mit kurtzweiligen Gesprächen zu verbringen. Melopharmis fragte endlich Polyphilum / ob ihme sein Vatterland Brunsile / oder diese Landschafft annehmlicher sey zu bewohnen? Polyphilus antwortete: Ob ich wohl / wegen der Liebe zu dem Vatterland / welche die Natur allen Menschen in den sinn gegraben / billich die Lufft ehre / welche ich am ersten geschöpffet; so erfordert doch die Schuld der Dankbarkeit / diese herrliche Wohnung / in welcher mir die Vorsehung des Himmels / zum zweyten mahl das Leben erhalten / so lang[29] ich selbiges besitze / über alles zu erheben. Meinem Vatterland habe ich das zeitliche Leben / diesen Göttlichen Tempeln aber die Wissenschafft / Tugend / und alles das / was zum rechten Leben gehöret / zu danken. Demnach setze ich meine jetzige Art zu leben / jenem Verlangen so weit vor /als weit der Kunst- und Tugend-Wandel / dem einfältigen Schäfer-Orden vorzuziehen ist. Doch aber auch das Gesetz der natürlichen Liebe zu erfüllen / und ihrem mächtigen Befehl nicht zu widerstreben / möchte ich noch eine einige Reise in mein Vatterland wagen / von meinen Freunden völligen Abschied zu nehmen / und hernach desto emsiger und beständiger den Kunst- und Tugend-Ubungen bey diesen Künste-Tempeln obzuliegen.

Da ihr solches willens seyt / (sagte Melopharmis /) warum nehmet ihr dann nicht die Reise bey gegenwärtigem bequemen Wetter vor / ehe der unfreundliche Winter den Reisenden / mit der Sonne / zugleich alle Ergetzlichkeit raubet? Die rechte Warheit zu bekennen / geehrte Melopharmis / (antwortete Polyphilus) die angenehme Gesellschafft / welcher ich hier geniesse / hat meinem Verlangen so süsse Fessel angeschlagen / daß ich mich loßzuwürken mir nicht getraue. Die Gesellschafft (versetzte Melopharmis) könnet ihr ja mitnehmen / theils im Gemüte / theils mit dem Leibe. Ich weiß / Agapistus schläget euch diesen Spazir-Ritt nicht ab. Und ich selbst will euch meinen Sohn zum Gefärten geben: damit er allmählich lerne /daß die Erde in allen Ländern / auch seines gleichen nähre. Polyphilus sahe hierauf die Königin an / und sagte: Wann E. M. Einwilligung / Durchleuchtigste[30] Königin / mit dem Raht der Melopharmis übereinstimmte / so möchte ich leichtlich zu bereden seyn. Atychintida bedachte sich hierüber ein wenig / weil sie des Polyphilus Gegenwart nicht wohl entbären kunte. Aber verhoffend / daß er auf solcher Reise der Macarie vergessen möchte / sagte sie mit lachendem Munde: Wann ich schon diese Reise gern erlaubte /was würde eure Macarie sagen? würde sie mirs nicht übel danken? Die Macarie (antwortet Polyphilus) ist nicht mein / ob gleich ich und ein jeder / der Kunst und Tugend liebet / ihre hohe Beschaffenheiten rühmen muß. Demnach kan mich kein Verbot / ausser E. M. an diesem Vorhaben hintern. Nun wohl dann! (sagte die Königin) weil Melopharmis selbst diese Reise befördert / und euch ihren einigen Sohn vertrauet / so will auch ich nicht darwider seyn. Ihr / Melopharmis bestellet alles / was hierzu vonnöten. Und ihr / Polyphilus / eilet / die Reise anzutretten / damit wir eure Wiederkunfft desto eher zu hoffen haben. Hierauf bedankte sich Polyphilus neben Melopharmis / vor die gnädige Bewilligung / und giengen nach des Agapistus Zimmer / selbigem ihre glückliche Verrichtung frölich zu verkünden.

Sie waren noch im Erzehlen begriffen / als Servetus von Soletten zu rücke kam / und der Macarie Brief dem Polyphilus überreichte: welcher ihn so bald erbrache / und / als er darinn die Glückwünschung zu seiner Reise vernahme / von Freuden so eingenommen ward / daß er gedachte / aller Gefahr trotz zu bieten /und das Glück beständig zu seinen diensten zu haben. Er kleidete[31] sich zur Reise / aber / nach seiner Jugend gewonheit / mehr prächtig als vorsichtig. Nachdem Agapistus und Servetus / welchen sie zu ihrer Bedienung mitnahmen / wegfertig / Melopharmis ingleichen alle Notdurfft verschaffet / und ihren Sohn zur Reise ausgerüstet hatte / kamen sie des dritten Tags sämtlich / von der Königin Abschied zu nehmen. Als nun Polyphilus ins Zimmer trate / dessen natürliche Schönheit / ansehliche Leibs-Länge und höfliche Sitten / durch die graue mit Silber belegte Kleidung nicht wenig vermehret / und also kräfftig genug war /unvorsichtige Augen und vorhin entzündete Gemüter /vollends in Brand zu stecken: entfärbte sich die Königin dermassen / daß man die besiegende Liebe auf ihren Wangen lesen kunte.

Er neigte sich mit tiefster Ehrerbietung / und sagte: Durchleuchtigste Königin! nach dem E.M. mir vor etlichen Tagen / gnädigst erlaubet / eine Spatzir-Reise vorzunemen / und mit dieser wehrten Gesellschafft /mein geliebtes Vatterland zu besuchen / oder vielmehr zu gesegnen / als habe ich hiemit schuldigen Abschied nehmen wollen / mit Unterthänigen Dank / vor so vielfältige Gnad-Wolthaten / welche ich nun eine geraume Zeit / von dero Mildigkeit / wider Verdienst genossen / demütig bittende / in solcher Gütigkeit zu verharren / und nicht nur dero gehorsamstem Diener in seinem Abwesen / Gnad-gewogen zu verbleiben /sondern auch ihn bey seiner ehesten Widerkunfft / mit Gnaden anzusehen. Mein Polyphilus! (antwortete Atychintida) was ihr bey uns genossen / habt ihr mit unser Erlösung überflüssig verdienet / und daher[32] nicht Ursach / deßwegen zu danken. Wir wünschen euch auf diese Reise beständiges Wolergehen. Der gnädige Himmel wolle die Strassen beglücken / euer Vornehmen segnen / und uns mit eurer erwünschten Wiederkunfft / in kurtzen erfreuen. Mit diesen bote sie ihm die Hand / mit einem so verliebten Anblick / daß Polyphilus / Höflichkeit halber / einen dagegen schicken muste.

Hierauf wendete er sich zu Melopharmis / und dankte selbiger vor ihre Hülffe / mit dienstlicher Bitte / ihme ferner günstig zu verbleiben / und sein Glück befördern zu helffen. Diese hingegen / wünschte ihm Glück / und befahl ihme ihren Sohn / solchen als seine eigne Seele zu bewahren: welches er auch versprache / und so fort allen übrigen die Hand bote. Deßgleichen als auch Agapistus und der Sohn Melopharmis gethan / dieser aber vor andern von seiner Mutter mit vielen Threnen gesegnet wurde / satzten sie sich zu Pferd / und wurden von den Augen der Königin und Melopharmis / so lang begleitet / biß ein kleines Gebüsche sie ihrem Gesicht entnommen: Daher sie / mit wehmütiger Betrübnus / zurücke kehren / und sie der gnädigen Vorsorge des Himmels befehlen musten.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 14-33.
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