Vierter Absatz

[45] Polyphylus wird / als ein Mörder / vermähret. Der Melopharmis Unruhe / wegen der Gefahr ihres Sohns. Der Königin Beratschlagung hierüber. Der Melopharmis hartes Schreiben an den Polyphilus /und böser Raht wider seine Liebe. Macarie singet /und tröstet sich mit ihres Polyphilus Andenken; empfähet ein Schreiben von ihm / und wird von der Königin / durch Phormena / vor seiner Freundschaft gewarnet. Ihre vernünftige Antwort / darauf folgende Klage / und Schreiben an den Polyphilus / darinn sie ihm ihre Gemeinschaft aufkündet.


In dieser Zuversicht lebte Polyphilus / biß das Glük eine neue Bestürmung wider seine Beständigkeit vornahm / und ihn gar nahe zur Aufgab nötigte. Dann es hatte inzwischen / das vielzüngige Gerüchte / die Zeitung von des Polyphilus Gefängnüs / mit so verhassten Umständen nach Sophoxenien gebracht / daß die Königin darüber nicht wenig bestürtzt / Melopharmis / aber fast aller Sinnen beraubt wurde. Weil man dieser vorgebracht / daß Polyphilus / wegen einer längst-begangnen Mordthat / samt dem Agapistus und ihrem Sohn / auf den Hals gefangen läge / gab sie ihre mütterliche Liebe / mit jämmerlichen[45] Gebärden zu verstehen / und fiel mit einem solchen Zetter-Geschrey in ihre Haare / daß Atychintida gnug mit ihrer Besänfftigung zu thun hatte. Und gleich wie aus dem süssesten Wein der scharfste Essig zu werden pfleget / also wurde auch die grosse Gunst der Melopharmis gegen den Polyphilus in so grimmigen Haß verwandelt / daß sie ihn gantz verfluchte. Ach! mein Kind / (sagte sie /) mein allerliebstes Kind! du einige Hoffnung meines betrübten Alters! solst du / um dieses boßhafftigen Mörders willen / deiner Freyheit beraubet werden / und so elendiglich gefangen ligen? Kan dieser Undankbare / alle die Gutthaten / welche ich ihm erzeiget / anderst nicht / als mit deinem Untergang / vergelten? O du unschuldiger Sohn! Warum hat dich deine unvorsichtige Mutter / diesem Verführer zu gefallen / so mutwillig dem Elend in den Rachen gestekt.

Atychintida wolte sie trösten / und sagte: Gebet euch zu frieden / Melopharmis! durch klagen wird das Unglük nicht geringert. Lasset uns vielmehr auf ein gutes Mittel denken / wie euer Sohn errettet werde. Ach! worauf soll ich denken? fragte Melopharmis: Das beste Mittel wird seyn / daß ich selbsten hin reise / und diesen Mörder wegen meines Sohns anklage: damit also selbiger errettet / er aber seine verdiente Strafe empfahe. Ich kan doch nicht hier bleiben /und die Gefahr meines liebsten Kindes dulten.

Der Königin wolte dieser Raht nicht gefallen / liesse demnach die beyde Weisen vor sich fordern / legte ihnen diese Zeitung / samt dem Anschlag Melopharmis vor / und begehrte ihr Bedenken. Cosmarites liesse sich also vernehmen: Durchleuchtigste[46] Königin! die eingekommene Zeitung erfordert grosse Vorsichtigkeit / weil das Leben einem Menschen leichtlich zu rauben / aber gantz nicht zu ersetzen ist. Das Vorhaben Melopharmis / dünket mich viel zu hitzig seyn: und kan der Zorn nicht schädlichere Kinder zeugen /als wann er mit der Ubereilung vermählet wird. Demnach scheinet das sicherste zu seyn / daß man eine geschwinde Botschafft sende: damit alle Umstände dieser Gefängnus erkundiget werden / (weil die Warheit und der Wein mit grosser Gefahr eines Zusatzes über Land reiset) und alsdann den Unschuldigen Errettung / den Schuldigen aber Bestraffung / widerfahre. Freylich (sagte Chlierarcha) soll man aus der äusserlichen Strafe / nicht allezeit einen Beweiß der Laster nehmen: weil das Unglük offt gegen die allerunschuldigsten am hefftigsten zu wüten pfleget. Es will mir gantz nicht zu Sinne / daß Polyphilus an dieser Mordthat schuldig / und heisset mich sein aufrichtiges Gesicht / und sein Tugend-begieriges Gemüt / viel ein besseres hoffen.

Die Königin liesse ihr diesen Raht belieben / und fertigte so bald einen von Adel ab / der vom Agapistus die rechte Ursach dieser Gefängnus erforschen /und damit eilends zurücke kommen solte. Melopharmis aber / kunte hierdurch ihren Zorn nicht stillen. Und weil sie sich der Königin nit widersetzen dürffte / gab sie / unwissend ihrer / dem Abgeordneten diesen Brief mit / an den Polyphilus lautend.


Undankbarer Polyphilus.


So nenne ich euch billig / wann ich die Wolthaten /welche ihr von mir genossen / und hingegen[47] die Boßheit / mit der ihr sie belohnet / bedenke. Kuntet ihr eure Mordthat nicht allein büssen / daß ihr meinen unschuldigen Sohn eurer billigen Gefängnus teilhafftig machet? Glaubet mir daß ich diese Ubelthat rächen / und / wie zuvor euer Glük / also auch nun eure Strafe befördern werde. Bildet euch nur von der Königin keine Hülfe ein: Dann sie nun euren Betrug merket / und wohl erkennet / daß ihr nicht unschuldig seit / weil ihr euer Elend ihr nicht entbieten dörffen. Die Uberzeugung der Laster macht verzagt / und die Rache / welche langsam komt / straffet viel härter. Dieses wenige vernehmet / als eine Verkündigung der Straffe / von

Melopharmis.


Nun hatte sich ja Melopharmis / an dem armen Polyphilus gnug gerächet / und solte sich billich zu frieden geben. Aber was ist ärger / was ist unersättlicher / als die Rache eines erzürnten boßhafftigen Weibes? Sie hatte nicht genug / daß sie seine Ehre geschändet /und ihn bey der Königin verhasst gemacht: sondern sie suchte ihn auch des jenigen zu berauben / welches ihme auf dieser Welt das liebste war. Sie beredete Atychintida / daß sie die Phormena nach Soletten schicken solte / um / die Gefängnus Polyphili der Macarie zu verkünden / und sie vor seiner fernern Freundschaft zu warnen. In dieses Begehren willigte die Königin um so viel leichter / weil sie dadurch eine heimliche Rache an Macarie zu üben / und ihre Liebe aufzuheben / gedachte. Wie sie dann der Phormena[48] solche Worte in den Mund legte / die Macarie schmertzlich gnug empfinden wird.

Was hat aber indessen Macarie gethan? Diese hatte sich / nach des Polyphilus Abreise / in Gedult und Hoffnung nach seiner Widerkunfft gesehnet / und indessen ihre Zeit mit Lesung gelehrter Schrifften verkürtzet. Einsmahls fasste sie ihre Lauten / und sang darein / nachgesetztes Lied.


1.

Niemals soll die Liebe seyn /

ohne Pein /

Niemals sollen wir geniessen

Ihrer Früchte Süssigkeit /

ohne Leid.

Darum soll mich nicht verdriessen /

Weil ich diese Ordnung weiß /

Liebster! deine kurtze Reiß.


2.

Meine Sinne kränket zwar

die Gefahr /

Die sich öffters pflegt zu finden /

Ja / mir komt im Schlafe für /

Wie man mir

Böse Zeitung woll verkünden:

Biß mir wieder fället bey /

Daß Betrug in Träumen sey.


3.

Meine Liebe tröstet mich

stätiglich /

Daß du werdest ruhig leben /

Und wie sie in kurtzer Zeit /

voller Freud /

Dich mir wolle wiedergeben.[49]

Diese Hoffnung macht allein /

Daß ich kan zu frieden seyn.


4.

Folge du / auf dieser Reiß /

meinem Fleiß /

In dem stäten Angedenken:

Und laß keine fremde Lust

deine Brust

Mit verliebten Sinnen kränken.

Wiß auch / wo dirs gehet wol /

Das dich niemand halten sol.


5.

Wie ich dir zu folgen pfleg /

auf den Weg /

Und begleite deine Reisen;

Wie dich mein Verlangen küst /

wo du bist:

Können meine Seufzer weisen /

Die ich dir entgegen schick /

Nach zuforschen deinem Glük.


Sie hätte weiter gesungen / wann sie nicht der Brief /welchen Polyphilus durch Agapistum bestellen lassen / hätte abgefordert. So bald sie selbigen empfangen / legte sie die Laute nieder / und hoffte durch ihn getröstet zu werden. Aber weit gefehlt! Als sie ihn erbrochen / wurde sie dieser Worte verständigt.


Allerliebste Macarie!

Wie mich ihr Befehl in einem stäten Gehorsam bleiben heisset / also muß ich auch dißmals demselben folgen / und mit gegenwärtigen Zeilen nach ihrer Gesundheit fragen. Es[50] zwinget mich aber mehr das brünstige Verlangen / welches zum öfftern mit einer heimlichen Furcht an meinem Hertzen anklopffet / es möchte das Geschrey von meinem Unglük / ihre Ruhe verstöret haben. Weßwegen ich sie / durch dieses Brieflein / berichten wollen / daß wir zwar / wegen eines Irrtums / etliche Tage angehalten worden / welcher aber so nichtig gewesen / daß ich ihn keiner Beschreibung würdige. Nur dieses solte mich schmertzen wann mein Kind einigen Schrecken darüber ausgestanden hätte. Wie mich aber der gütige Himmel alles gutes hoffen lässet / also giebet mir auch meine wieder-erlangte Befreyung / solchen Trost / gegen meiner ängstigen Sorge / daß ich mit völliger Zufriedenheit keine weitere Betrübnus fürchte. Solte mich nun diese Hoffnung nicht betrügen / würden sich meine Sinne gleich so mächtig aufrichten / als sie zuvor nidergeschlagen waren. Mein liebes Kind! bewahre sich / weil sie mein Tugend begieriges Gemüt erkundiget / mit dieser Nachricht / wider den Anfall des schändlichen Gerüchts / und lebe frey von aller Sorge / versichere sich auch / daß sie theils schon gefallen sind / theils noch fallen werden / die mich stürtzen wolten / Ich aber ewig verbleibe

Ihr Allergetreuster

Polyphilus.


Ob nun Macarie über diesem Brief erschrocken / stehet nicht zu zweiffeln. Sie wuste nicht / was sie[51] von dieser Gefängnus halten oder glauben solte: weil der gantze Brief auf Schrauben gestellet / und keine aufrichtige Eröffnung darinn anzutreffen war; ohne daß sie seine verhoffte Erledigung tröstete. Als sie aber noch in solchem Zweifel schwebte / wurde ihr angesagt / wie Phormena von Sophoxenien nach ihr fragte: welche Post sie noch mehr erschrekte / weil sie wohl merkte / welcher Ursache wegen sie gekommen. Doch bedekte sie ihr ängstiges Hertz mit dem Vorhang eines frölichen Angesichts / und gienge ihr entgegen /empfinge sie auch mit höflicher Ehrerbietung / und führte sie mit sich in ihr Zimmer.

So bald sie den Sitz genommen / thäte Phormena ihr Anbringen / mit diesen Worten: Tugend-gezierte Macarie! Unsre gnädigste Königin lässet sie / neben einem gnädigen Gruß / berichten / wie sie scheinbare Zeitung erhalten / daß ihr liebster Polyphilus auf dieser Reise / nach seinem Vatterland / wegen eines längst-begangenen Mords / mit seiner Gesellschafft in eine strenge Gefängnis gerahten sey. Ob er nun an dieser Mordthat schuldig / lässet Atychintida durch einen reitenden Boten erkundigen. Weil sie aber indessen grosses Mitleiden trägt / daß ihr / schönste Macarie / als eine so kluge Weibs-Person / den Ruhm eurer Tugenden / durch dieses beschreiten Menschen Liebe vertunkelt / als hat sie mich abgesandt / euch in diesem Unglük zu trösten / und vor seiner ferneren Freundschafft zu warnen.

Macarie hörte diesem hönischen Anbringen mit grosser Gedult zu. Und ob sie wohl der gifftige Haß der Königin sehr kränkte / hielte sie doch / wie schwer[52] es auch daher gieng / zimlich an sich / biß sie endlich in diese bedächtige Antwort heraus brach: Edle Phormena! Daß die Durchl. Königin vor die Wolfart meiner Wenigkeit so gnädig sorget / erkenne ich mit demütigem Dank. Mich wundert aber nicht wenig / warum sie Polyphilum meinen Liebsten nennet / und wegen seiner Gefängnus mit mir beyleid träget. Die Freund schafft / welche ich eine zeitlang mit ihme gepflogen / ist / seinem Vorgeben und meiner Meinung nach / bloß auf Kunst und Tugend gegründet gewesen: von Liebe aber / ist mein Hertz gantz frey / nicht allein gegen Polyphilus / sondern gegen allen andern. Irret demnach die Königin in ihren Gedanken / wann sie meinet / daß meine Tugenden (wann ich mir anderst eine beylegen darff) durch des Polyphilus Unglük beflekket worden. Dann wann die wenige Erkäntnus / so ich von ihme gehabt / meinen Ruhm verletzen solte / wie könte dann der Atychintida hohes Ansehen / durch die Gnaden / welche Polyphilus von ihr genossen / ungetadelt bleiben? Ist Polyphilus an diesem Mord schuldig / so wird die Liebe der Gerechtigkeit / bey mir bald alle Freundschafft auslöschen / und deßwegen keine Warnung vonnöten seyn. Ist er aber unschuldig / so erfordert die Tugend ein billiges Mitleiden / und kan ich / um unverdiente Schmach / meine Freundschafft nicht aufhehen.

O eine Antwort / allen Verleumdungen entgegen zu setzen! Lernet hier von der klugen Macarien / ihr Törichten! die ihr / falschem Geschwätze so leichten und sichern Glauben zu geben / gewohnet seyt. Spiegelt euch auch an der untreuen[53] Phormena / ihr leichtfertige Schwätzer / die ihr um den Lohn der Ungerechtigkeit so offt und gerne dienet; und erkennet / daß es euch endlich / wie dieser / ergehen werde. Dann auf solche Worte verstummte Phormena / und ward als zu Boden geschlagen / muste sich auch mit dieser Antwort befriedigen lassen. Und ob sie gleich / ihre Boßheit zu bemänteln / andere Gespräche auf die Bahn brachte /und des Polyphilus Unschuld hinwieder verthädigen wolte / wuste doch Macarie solche so klüglich abzuleinen / daß sie / sich höchst verwunderend / ihren Abschied nehmen / und den Spott zu ihrer Belohnung heimtragen muste / und wurde sie von Macarie einen zimlichen Weg begleitet.

Sie gelangte noch selbigen Abend nach Sophoxenien / und erzehlete der Köaigm und Melopharmis ihre unselige Verrichtung: die sich über der Macarie Klugheit entsetzten / und hätte sonderlich Atychintida wünschen mögen / daß sie ihre Erinnerung wieder zu rück nehmen können / weil sie damit wenig Ehre erjaget / und den Schimpf / welchen sie Macarie aufzubürden gedachte / selbst tragen muste. Doch muste sie es geschehen lassen / biß sie hörte / was der Ausgesandte für Kundschafft von Polyphilus brächte. Macarie aber / als sie von der Begleitung Phormenen wieder zurücke kam / ward mit tausenderley Widerwärtigkeit umgeben. Sie zoge ihr die Verletzung ihres guten Namen so empfindlich zu Gemüt / daß sie aller Liebe gegen Polyphilus vergaße / und wünschte / ihn nie gesehen zu haben.

Ach! Macarie! (sagte sie) unbesonnene Maarie! wo ist nun das Gerücht deiner Klugheit /[54] und der Ruhm deiner Tugend? Sie sind verloschen / und an ihrer statt brennet eine törichte Liebes-Flamme. Habe ich nicht in meiner Einsamkeit ruhig / gegen den Himmel andächtig / mit den Menschen aber friedfertig / gelebet? habe ich nicht die edle Tugend / und ihre schöne Früchte erkennet / und geübet? Was hat mir gemangelt / als Beständigkeit? wie offt habe ich wider die Liebe geredet und geschrieben? wie viele habe ich vor ihrem tyrannischen Joch gewarnet? und ich lasse mich nun selbsten in ihre Fessellegen / und mit ihren Stricken binden / und welches das sträfflichste / von einem / der mich aus einer Widerwärtigkeit in die andere stürtzet? Bald verliebet sich seine Jugend in eine fremde; bald bringet mich sein hitziger Eifer in Sorge und Schrecken; bald beraubet mich die Strafe seiner Laster / meiner Ehre. Und wer weiß / was das vor ein Land seyn wird / darein er mich zu führen gedenket /und wie ich daselbst leben werde? Dann seinen Worten ist nicht allemal zu trauen / weil er sie nach meinen Ohren richtet: Wie ich ein Beyspiel an seinem letzten Brieflein habe. Heisset dann das nicht / Torheit vor Klugheit / Schande vor Ehre / Schmertzen vor Ruhe / und Laster vor Tugend erwählet?

O der Unsinnigkeit! aber also pflegt es zu gehn /wann man seinen eignen Kräfften zu viel trauet / die Gelegenheit zur Sünde liebet / und den Lastern eine Maß zu suchen gedenket. Ach Polyphilus! Polyphilus! deine Schönheit und Höflichkeit / und deine freundliche Bitte / hat meine Beständigkeit überwunden / und mein Glük zu Boden gerissen. Warum habe ich deine Gegenwart nicht geflohen?[55] da ich doch wuste / daß ich sie nicht unverliebt geniessen kunte. Einem mächtigen Feind ist ja viel sicherer ausweichen / als sich ihm vergeblich widersetzen. Ach! ihr /meine lüstrende Augen / seyd die unachtsame Thürhüter / welche die Liebe / als eine listige Feindin / bey mir einschleichen lassen. Ihr seyd die Fenster / durch welche sie mein Gemüt erstiegen / und sich nun viel vester gesetzt / als daß sie wieder auszujagen. Welche Vestung wird nicht zur Ubergab genötigt / wann ihre eigne Besatzung rebelliret / und mit dem Feind ein heimlich Verbündnus macht? Welches Schiff kan sich länger gegen die stürmende Wellen verteidigen / wann die See allbereit daran Lufft gefunden / und mit Gewalt hinein dringet? Wie solte dann meine Vernunfft siegen / da alle Sinne sie verlassen / und mit der Liebe geheuchelt haben?

Doch was nutzet das Eisen wieder in die Wunden zu stossen / als daß man sie damit verunreinige? Klagen ist bey einer Sache / die nicht zu ändern / nur ein Zeuge der Schwachheit. Vielmehr will ich mich mit einer hertzhafften Entschliessung waffnen / und sehen / ob ich durch diese letzte That meine vorige Fehler austilgen könne; denn ich kan nicht leben / und wissen / daß man meiner Unbesonnenheit gedenke. Ich will das Band mit gewalt zerreissen / daß sich sonst nicht will füglich trennen lassen / und dem Polyphilus meine Gegenwart allerdings verbieten / biß ich sehe / wie es mit seinem Glük ablauffen will: damit also den schwätzigen Zungen der Lauf gehemmet / und die Ursach zu meiner Verleumdung aufgehoben werde. Meine Zusage wird dadurch nicht gebrochen / weil ich keinen andern[56] erwähle. So wird auch meiner Beständigkeit nicht abgethan: dann die Abwesenheit kan meine Liebe nicht ändern. Komt ihme diese Verfahrung befremdlich vor / so gedenke er / daß mich die Beschimpfung meines Ruhms ingleichen schmertzet / und bemühe sich / künfftig bedachtsamer zu handeln. Dieser Meinung schriebe sie an den Polyphilus / und überschikte ihme / durch einen eilenden Boten / nachfolgenden Brief.


Geehrter Polyphilus!

Daß ihr so sorgfältig nach meiner Gesundheit fraget /habe ich billig zu rühmen: wie ich nicht weniger gerne gehöret / daß eure unglükliche Gefängnus nicht so gefährlich / als man vorgibt. Aber nichts destoweniger bat es solche Früchte hinterlassen / daß man billig den Baum verflucht: in deme zu Sophoxenien das Gerücht erschollen / wie ihr / wegen eines längst-begangenen Mords / auf den Hals gefangen liget. Ob ich nun solche Zeitung mit Verdruß angehöret / könnet ihr unschwer ermessen: sonderlich / weil ich deßwegen / von der Königin / eine hönische Warnung vor eurer Liebe anhören müssen. Ich werde demnach gezwungen / die Widerwärtigkeiten / welche ich wegen unser Freundschafft albereit überstanden / die auch je länger je grösser werden / (wie ich bey unsrer ersten Zusammenkunfft gar recht geweissaget) mit gewalt aufzuheben / und dem treuen Himmel mein künfftige Handlungen lediglich heimzustellen. In ein fremdes Land mit euch zu ziehen / stehet[57] mir / wegen allerhand weit aussehender Bedenken / gantz nicht zu rahten. Bitte euch demnach / um aller eurer Liebe willen / die ihr so offt und hoch gegen mir gerühmet / Ihr wollet ins künfftige / meinen guten Namen (gegen welchem das Leben selbst gering zu schätzen) zu verschonen / meine Gegenwart meiden / und euren Begierden ein rühmlichers Ziel setzen / auch diese Bitte nicht der Verachtung / welche mir nie zu Sinne kommet / sondern der äussersten Noth beymessen. Ich kan zwar leichtlich errahten / mit was Ungedult ihr dieses unseelige Brieflein werdet annehmen und beantworten. Ihr werdet aber / unter euren Tugenden / der Gedult die Oberstelle geben / das himmlische Geschick erkennen / und mich meiner Vergessenheit Vergebung erlangen lassen. Ich bedanke mich / vor alle Ehre /Freundschafft und Liebe / die ihr meiner Wenigkeit jemahls erwiesen: um dieses zugleich bittende / daß ihr aller derer Fehler / die ich in unserer Freundschafft begangen / vergessen / und glauben wollet / das ich die gantze übrige Zeit meines Lebens in dem Gedächtnus eurer Tugenden zubringen / euch allein meine Freyheit schenken / und biß an mein Ende verbleiben werde

Eure beständige Freundin

Macarie.[58]

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 45-59.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Clementine

Clementine

In ihrem ersten Roman ergreift die Autorin das Wort für die jüdische Emanzipation und setzt sich mit dem Thema arrangierter Vernunftehen auseinander. Eine damals weit verbreitete Praxis, der Fanny Lewald selber nur knapp entgehen konnte.

82 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon