Sechster Absatz

[192] Die Reisende werden von dem Edlen Mussard begleitet. Ihr Gespräche / von Duellen und Balgerey; und des Polyphylus / mit Julietten / auf dem Schlitten. Sie besuchen den Harpin / einen andern Edelman / auf seinem Schloße. Ihr Schertz Gespräche mit demselben. Agapistus und Tycheno spielen auf der Laute / darein Polyphilus / diesem neu-erbauten Schloß zu Ehren / ein Lied dichtet: welches von Julietten gesungen wird. Ihr Tisch-Gespräche vom Geitz / und von der Verschwenderey.


Nach genommenem höflichen Abschied / und dienstlicher Bedankung vor die erwiesene Ehre und gute Bewirtung / sassen unsere Reisende sämtlich zu Pferde: da Mussard die Juliette auf den Schlitten name / und /nachdem er seine Hertzliebste gesegnet / in ihrer Gesellschafft mit fortfuhre. Er hatte aber nicht lang gefahren / da beklagte er sich gegen Polyphilus / der neben dem Schlitten her ritte / daß sein Arm / von dem stäten Anhalten der Seile / fast müde werden wolte / und ihm diß orts gar geringe Dienste leisten könte. Polyphilus fragte: ob er sich nicht möchte belieben lassen / mit ihm einen Tausch zu treffen / und eine zeitlang zu reiten? Mussard name es zu Dank an / übergabe[192] ihm den Schlitten / und setzte sich auf dessen Pferd: womit er der Jungfer nicht einen geringen Gefallen erwiese.

Ehe sie aber fortfuhren / fragte Polyphilus den Edelmann / was ihm an dem Arme mangele? Ach! (sagte Mussard) das ist noch eine schmerzliche Frucht der unvorsichtigen Jugend. Ich habe / in einem Duell /einen Schuß im Arm bekommen / so unglückseelig /daß jederman / auch der Barbirer selbst / vermeinet /er würde erlahmen. Welche Zeitung mich dennoch nicht so sehr erschreckte / als die Verwundung meines Gegners / der in die Seite geschossen / und für todt hinweg getragen worden. Er wurde zwar gleich mir /glücklich geheilet: ich aber habe / wegen der höllischen Angst / in welcher ich vor seiner Genesung geschwebet / fast keinen Schmertzen empfunden; weiß auch / auser einer wenigen Empfindung bey unbeständigem Wetter / keinen Unterschied gegen dem andern / als daß er bald ermüdet. Ich habe (sagte Polyphilus) hier auch dergleichen / wiewol ohne Ermüdung: damit zeigte er eine grosse Narbe / vornen am Arm. Das muß gefärlich gewesen seyn! (sagte Mussard) und vielleicht ists auch in einem Zwey-Kampf geschehen? Er wird sich verblutet haben. Freylich! (erwiederte Polyphilus) und als ich das Blut gesehen /bin ich noch viel erhitzter auf meinen Widerpart (dann er hatte mich wieder recht verwundet) loß gegangen / biß der Arm mit mir gesunken / und ich mit dem Tod zu ringen angefangen: da man dann kümmerlich das Blut gestillet / und mir das Leben errettet.

Das thut die Jugend! sagte Mussard. Sind[193] wir aber nicht törichte Leute / daß wir unsre gesunde und gerade Glieder nicht lieber gegen den Feind / oder vor das Vatterland gebrauchen / sondern / offtmals von unsern besten Freunden / um einer liederlichen Ursache willen / uns verderben lassen. Ist demnach billig / daß diese Duelle von gerechter Obrigkeit scharff gestraffet werden. Man kan sich gleichwol (versetzte Polyphilus) nicht so ungerochen beschimpffen lassen. Diese Rache ist unnötig / (versetzte Mussard) und sind deßwegen Recht und Gerichte gesetzet. Das ist wol! (sagte Polyphilus) man hat aber keine Ehre davon Ach der elenden Ehre / (antwortete Mussard) welche man also / mit Verunehrung Göttlicher und weltlicher Rechte suchet! und was ist das vor Ehre / wann man deßwegen / als ein Mörder / durch die Hand des Henkers / mit höchster Schmach / stre ben / und mit einem verletzten Gewissen / vor den Augen des höchsten Richters erscheinen muß? welches in gemein der verwegenen Balger Ende zu seyn pfleget. Ich halte gänzlich davor / wer die Tugend liebet / und zur Einigkeit Lust hat / werde / entweder von solcher Versuchung befreyet / oder / da er aus Noht und Unvorsichtigkeit darein gerahten / durch den Himmel beschützet werden. Aber / wir verweilen uns im Gespräche! der Herr fahre zu: ich wil mich zu den andern / auf den Fußsteig wenden.

Also kamen sie von einander / und fuhre Polyphilus fort / biß er einen guten Weg voraus gekommen: da er dann still hielte / und seine Gefärtin fragte / was sie /bey einem so verdrießlichen Führer / für Gedanken habe? Ihre Antwort war: Sie bejammere sein Unglück / welches ihn von seiner Liebsten[194] entfernet /und eine Unwürdige zu führen nötigte. So hat meine schöne Jungfer (sagte Polyphilus) mehr beklaget / als ich leide / und wir hegen gar ungleiche Gedanken: dann ich habe hingegen meine Glückseeligkeit gerühmet / welche mich heute mit ihrer freundlichen Gegenwart beseeliget. Und ob gleich niemand gern in einem wissentlichen Irrtum verharret / würde ich doch /wann es ohn ihre so hohe Bemühung seyn könte / gar willig länger geirret haben. Wäre diß nicht seine Höflichkeit / (versetzte Julietta /) so würde er gewißlich nit so bald einen Ekel in unserm Hause empfunden /und also hinweg geeilet haben. Mein Eilen / (sagte Polyphilus) ist nicht einem Ekel / sondern vielmehr der Furcht / die ich / als ein Fremder / über der Verursachung so vieler Ungelegenheit fühlte / zuzuschreiben. Dann / weil ich bekennen muste / daß ich / mit der kühnen Einkehr / einen Fehler begangen / hat mich dedünket / je kürzer ich in diesen Fehler verharrete / je geringer würde mein Verbrechen seyn. Ach nein! (sagte die Jungfer) dieses ist nicht die rechte Ursach: sondern er hatte daselbst nicht gefunden /was er gesuchet. Ich wüste (erwiederte Polyphilus) nicht mehr zu suchen / weder ich albereit vor mir sehe.

Ja ja! (widerredte Julietta) zu Soletten ist schon ein mehrers zu finden. Ach! schöne Jungfer / (begegnete ihr Polyphilus /) sie schimpfe doch ihren Diener nicht mit Soletten / welche Insul ich vielleicht nicht mehr sehen werde. Ich baue mir keine solche Schlösser in die Lusst / und weiß gar wohl / daß ich viel zu unglückseelig / als daß ich von einiger Dame Liebe hoffen solte. Mich wundert /[195] (sagte hierauf Juliette) daß mein Herr also reden mag. Welche Weibs-Person könte so unempfindlich seyn / daß sie den schönen und höflichen Polyphilus / wann er sie liebte / nicht wieder lieben solte? Fürwar / man müste sie in die Zahl der allerundankbarsten setzen. Polyphilus / der die Gewogenheit Julietten / nichr nur aus diesen Worten / sondern auch aus ihren Gebärden / und aus deme / daß sie seine Höflichkeit / wie Agapistus angehöret / gegen dem Hausgesinde gerühmet / leichtlich ermessen können / küste ihr die Hände / und sagte: Wann doch diese Rede so warhafftig wäre / als schön und lieblich sie lautet / würde ich gewiß einen Trost in meinem Unglück empfinden. Aber die Erfahrung bezeiget das Gegentheil / und ich bin gewiß /daß sie selbsten Ursach hat / mehr Haß als Liebe gegen mir zu tragen. Ich trage gegen niemand keinen Haß / sondern suche jederman in Ehren zu lieben /(sagte Julietta) allermeist aber die jenigen / die es vor andern verdienen. Dieses ist wohl die Art der Tugend / (gab Polyphilus zur Antwort) daß sie mehr zur Gunst / als Feindschafft geneigt ist: aber also bleibe ich wieder dahinten / weil ich nichts solches verdiene.

Eben wolte die Jungfer antworten / als die andern geritten kamen / und Agapistus ihnen zurieffe: So /so / Polyphilus! ich sehe wohl / das Schlittenfahren schläget ihm besser zu / weder das Reiten. Das könnet ihr leicht denken! versetzte Polyphilus. Ihr habt mich lang im Gefängnus mit dem Schlittenfahren verspottet: aber heute gibt mir das Glück Gelegenheit /euer wieder zu spotten. Wohl! (sagte Agapistus) aber die Herrlichkeit[196] wird bald ein Ende nehmen: Wir sehen das Schloß schon von fernen. Das ist schlimm genug! gabe Polyphilus zur Antwort / saße damit wieder zu Schlitten / und fuhre vor / biß nahe an das Schloß / da Mussard seine Einkehr nehmen wolte. Selbiges war eines jungen Edelmans / welcher / sobald er das Geleut vom Schlitten gehöret / einen Jungen herab schickte / üm zu sehen / wer vorhanden wäre? Als er vernommen / daß es Julietta wäre / und Mussard hernach folgte / lief er eilends herunter /empfinge sie / neben dem Polyphilus / gar höflich /und bate / abzusitzen. Indem kamen die andern auch hernach / welchen er entgegen gieng / und sie sämtlich / sonderlich den Mussard / willkommen hieß.

Dieser sagte: Er hätte nun die lang verheissene Besuchung / in Begleitung dieser Herren / endlich ablegen wollen. Ich erfreue mich hertzlich / (antwortete der junge von Adel) daß ich das Glück habe / meinem geehrten Herrn Vettern in meiner Behausung auf zu dienen / und bitte dienstlich / sie wollen sich belieben lassen / eilends abzusteigen / und herauf zu spaziren. Wir folgen! (erwiderte Mussard) der Vetter weise uns nur den Weg. Also führte er sie in den Hof / da Polyphilus mit Julietta schon warteten / und sie eben fragte / wie der von Adel hiesse? Harpin heist er: (sagte die Jungfer) und ist eines guten Geschlechts / auch in unserm Hause / unter meines Vatters Pflegschafft / erzogen. Weil er aber wenig Mittel von seinem Vater gehabt / als ist er dem Krieg nachgezogen / in welchem er die Stelle eines Rittmeisters erworben. Als aber ihm unlängst ein alter Vetter gestorben / der ihm / nicht allein dieses Schloß / sondern[197] auch das dabey-ligende Dorff / und andere Güter / neben einem grossen Geld-Schatz hinterlassen / hat er den Krieg aufgeben / und mit Hülffe seiner Frau Mutter allhier eine Haußhaltung angefangen.

Also möchte ichs mir auch wünschen: sagte Polyphilus / als eben die andern ankamen; da er dann seinen Abschied nehmen / und mit seinen Gefärten fortreiten wolte. Aber Harpin / der allbereit von Mussard seinen Namen und Zustand erfahren / bate inständig /daß er doch ihme die Ehre seiner Freundschafft nicht versagen / noch die freundliche Gesellschafft zerreissen wolte. Als er sich mit der eilsamen Reise entschuldigte / sagte Mussard selber: Ey so lasse er sich doch erbitten! es wird ja ohne das nacht: wie weit werden sie heute noch reisen? Der Herr beglücke mich / noch diesen Abend / mit seinem Gespräche: Morgen frü will ich selbst seine Reise befördern. Polyphilus erwiederte: Sie hätten die vorige Künheit noch nicht genug entschuldiget / und würden nun eine Unhöflichkeit mit der andern häuffen. Doch wolte er sich seinem Befehl nicht widersetzen / und sich lieber der Grobheit / als des Ungehorsams schuldig machen. Ich finde keine Grobheit / (sagte Mussard) in so schönen Worten. Die Herren kommen nur mit herauf / und helffen mir besehen / was mein Vetter gebauet.

Also führte sie Harpin / einen sehr zierlichen Schnecken hinauf / erstlich in das Zimmer / welches er bewohnte. Nachdem sie sich in demselben ein wenig erholet / auch ihre Gewehr abgeleget / wiese er ihnen alle Gelegenheit des Hauses / die künstliche[198] (zwar damals stumme) Wasser. Wercke / stattliche Säle / und prächtige Zimmer / welche er zurichten und mit allerhand schönen Mahlwerk auszieren lassen. Als nun diese Gäste sich sehr darob verwunderten /und seine treffliche Angebung rühmten / sagte Mussard: Er müsse gewiß ein grosses aufgewendet haben / weil zuvor alles sehr haufällig und verwüstet gewesen. Freylich (antwortete Harpin) hat es viel gekostet / dieses Haus / daß zuvor einem Raub-Nest änlich gewesen / einem Wonhaus änlich zu machen. Ja /mein Vetter! (sagte Mussard) wann nun sein alter Vetter widerkommen solte / wie würde er sich verwundein über diese Veränderung. Ey! behüte Gott vor seinem Wiederkommen! (versetzte Harpin) Mein geehrter Herr Vetter solte mich bald furchtsam machen! Ich meyne ja / er würde mir das bauen gesegnen! habe ich doch kaum ein schlechtes Kleid / oder einen Ducaten Reise-Geld / von ihm jemals erhalten können.

Sie lachten sämtlich hierüber / und Mussard sagte: hätte ich / wie er einsmals begehrte / ihme meine Tochter verheuratet / so würde der Vetter auch wenig von ihm ererbet haben. Das will ich wohl glauben /(versetzte Harpin) und sage ich / wegen des Abschlags / schönen Dank: wiewol es auch Schade gewest / wann die Jungfer in so ein lebendiges Grab wäre gelegt worden. Weil ihr aber solchergestalt seine Güter vermeint gewesen / würde mein geehrter Herr Vetter wohl thun / wann er meine wenige Person mit ihrer Verlobung beglückte / so könte sie solche / auch ohne einen alten Mann / besitzen. Wer weiß / was geschicht? (widerredte Mussard) Schertz muß man mit Schertz[199] beantworten. Es werden wol andere Damen seyn / welche bey einem so reichen Edelmann Gunst suchen. Ach nein! (begegnete ihm Harpin) ich gebe gar keinen Frauenzimmer-Aufwarter / und bin bißher mehr der Feindschafft als Liebe gewohnt gewesen. Liebe und Krieg / (fieng Polyphilus an) sind nit wider einander: man findet oftmals die Venus in den Armen Martis / und seine Waffen vor ihren Füssen. So ist auch die Liebe selber nichts anders / als ein Krieg: nur daß sie nicht so gefährlich ist / und die Feinde ohne Todes-Gefahr überwunden werden. Weil mein Herr (sagte Harpin) vielleicht auch mit solchen freundlichen Feinden streitet / und die Art dieses Kriegs / so wohl beschreiben kan / hätte ich wohl Ursach zu bitten / mich in dieser Ubung zu unterrichten /und die Waffen glücklich führen zulehren. Wer noch nie keinen Sieg erhalten / und der Waffen ausschlag von dem Glück erwartet / (entschuldigte sich Polyphilus) darff sich nicht erkühnen / andere zu unterweisen. So sind auch die Feinde unterschiedlich / und wollen theils mit Gewalt überwunden werden: daß ich also vielmehr selbst Unterricht suchen / als andern ertheilen kan. Ich merke wohl / (erwiederte Mussard) der Herr will seine Kunst verborgen halten / und eine jeden selbst die Sache versuchen lassen / welches auch das bäste ist.

Mit diesem Gespräche / gelangten sie wieder in das Zimmer / da sie zu erst gewesen / und daselbst Julietten / in Gesellschafft des Harpins Mutter / und einer Haus-Jungfer / hinterlassen. Massard / ersahe daselbst eine Laute / und fragte seinen Vettern / ob er darauf spielte? Ich spiele nicht darauf /[200] (erwiederte Harpin /) sondern ich lerne / die Zeit zu kürtzen: wiewohl sich die Finger etwas halsstarrig erzeigen wollen / weil die Säiten viel subtiler sind / als der Degen. Mussard lachte / und sagte: Ist dann sonst niemand unter uns /der sie zu zwingen weiß? Ja / (sagte Polyphilus) sie spielen beyde / Agapistus und Tycheno. Geschwind reichte Mussard auf diese Worte / dem Agapistus die Laute / und bate / ihre Gesellschafft mit seiner Kunst zu beehren. Dieser den Polyphilus etwas scheel hierüm ansehend / antwortete: Mein Herr! ich solte billig bedenken tragen / sein Begehren zu erfüllen / wegen der geringen Wissenschafft / so ich in dieser Kunst erlanget / und vielleicht / damit verspottet zu werden /vom Polyphilus bin angemeldet worden. Doch allen Argwahn der Widerspenstigkeit von mir abzuleinen /will ich / so gut ich es gelernet / seinen Befehl vergnügen.

Damit griffe er zur Lauten / spielte ein paar Stücke / und überreichte sie dem Tycheno: welcher sich zwar entschuldigte / doch / auf freundliches Anhalten / auch etliche Stücke hören ließe. Damit aber Agapistus an Polyphilo / der dieses Handels heimlich lachte / sich rächen möchte / sagte er: Wann ein Lied darein gesungen würde / solte es wol besser lauten /welches Polyphilus bald verfärtigen könte. Ach ja! (sagte Mussard) da will ich ihn gar schön um bitten. Ich / wann ich ein Poet wäre / hätte schon ein Lied gedichtet / von der Verneurung dieses Schlosses. Was konte hier Polyphilus anders thun / als daß er Papier und Feder begehrte / und dem rach-süchtigen Agapistus mit einem Blicke dankend / den Mussard zu vergnügen / folgende Zeilen setzete.


1.

[201] Ihr alle / die ihr habt geschauet /

Diß Hauß / in seinem alten Stand /

Das nun so zierlich ist erbauet /

Durch guten Raht / und kluge Hand!

Bedenket / wie es sey gewesen /

Als noch der Geitz darinn gesessen.


2.

Die Wände waren ganz zerrissen;

Die Stein erschwartzet von dem Rauch.

Die Winde durch die Fenster bließen.

Der Boden war zerbrochen auch.

Es stund die Kunst der Wasser-Spritzen

Verstopfft / und kunte niemand nützen.


3.

Die Küche war ohn Holtz und Feuer;

Der Keller / ohne Faß und Wein.

Wein war dem Alten viel zu theuer /

Er wolte lieber durstig seyn;

Sich kärglich speisen / und erfrieren /

Als etwas von dem Schatz verlieren.


4.

Den hat er / mit viel Sorg und Fasten /

Gesamlet eine lange Zeit.

Ihn er stäts in dem Goldes-Kasten

Verwachet hielte / mit dem Neid:

Biß ihn zu letzt der Geitz ersticket /

Und in die schwartze Grufft geschicket.


5.

O tolles Laster! wer beschreibet

Die Torheit / so dir wohnet bey?

Ein Geitziger in Unglück bleibet /

Und karget / biß die spate Reu[202]

Ihn heist mit Weh und Ach verderben;

Da andre seinen Reichtum erben.


6.

Viel herrlicher sind jetzt die Zimmer /

Viel prächtiger diß hohe Hauß:

Nachdem man hat die alte Trümmer /

Zusamt dem Herrn / geworffen aus.

Die Fenster gläntzen von Crystallen /

Die Wände von dem schönen Mahlen.


7.

Die Wasserröhren künstlich springen.

Auch Küch' und Keller ist gespickt.

Die Gäste fangen an zu singen /

Wie hoch der Erbe sey beglückt:

Der / was der Alte hat gesparet /

Mit Lust / und nicht mit Geitz / verwahret.


8.

Kein Mangel weiter ist vorhanden /

In diesem schön-gezierten Hauß /

Als eine / die mit Liebes-Banden /

Jag auch den letzten Kummer aus /

Und such den Erben zu erfreuen /

Der alles kunte so verneuen.


Als dieses verfärtigt war / überreichte es Polyphilus Julietten / und bate / diesem schlechten Liede ihre schöne Stimme zu leihen. Wiewol nun dieselbe sich schr wägerte / muste sie doch auf ihres Vatters Befehl endlich einwilligen. Also fange sie das Lied / in des Agapistus Laute / mit gar holdseeliger Stimme / und ergetzte damit ihren Vatter / und den Harpin dermassen / daß sie es nicht genug hören kunten. Wohl fein /(sagte Mussard zum Polyphilus)[203] hat der Herr den Geitz beschrieben / in diesen Versen. Ja fürwar! (ersetzte Harpin) ich will es meinem Vettern zu Ehren /nachschlagen lernen! Inzwischen sage ich meinem Herrn / für gehabte Mühewaltung / schönen Dank /und bitte dienstlich / nach verrichter dieser Lust-Arbeit / nun auch meine geringe Mahlzeit zu versuchen. Also führte er sie allesamt an einen runden Tisch /den Streit der Oberstell zu verhüten / und tractirte sie so köstlich / daß Mussard mit etwas Widerwillen sagte: Worzu soll dieser Uberfluß / mein lieber Vetter? Ich bin nicht kommen / eine so kostbare Gasterey / sondern bloß eine Freundes Kost zu finden. Mein geehrter Herr Vetter beschäme seinen Diener nicht mit solchen Worten! (war Harpins Widerrede) Ich möchte wünschen / daß ich etwas bey der Hand hätte / welches so angenehmen Gästen einigen Lust erwecken könte: Hoffe aber doch / es werde ihre Höflichkeit / bey so unvermuteter Einkehr / mit diesem wenigen vergnügt seyn. Ich sehe keinen Mangel / sondern eitel Lust-Uberfluß / (sagte Polyphilus) wie mein Lied anzeiget: nur das Letzte wird noch zu ersetzen seyn. Mit diesen Worten / sahe er die Jungfer nach der Seite an / als wolte er sagen: sie könte hier völliges vergnügen verschaffen. Sie aber stellte sich gar fremd / ob sie es gleich merckte. Und wiewol Harpin in ihrer Bedienung sehr bemühet war / gefiel ihr doch des Polyphilus Art viel besser: weßwegen er noch immer einen freundlichen Blick von ihr bekame.

Mussard sprachete hierauf mit dem Polyphilus /und sagte: Ich ergetze mich noch mit des Herrn Beschreibung / die er vom Geitz geführet.[204] Freylich ist dieses ein tolles Laster / dessen Unglück und Torheit nicht auszusprechen / und das eine böse Plage ist /wie ihn der Klügste unter denen / die jemalen Zepter und Kron getragen / nennet. Andere Laster führen doch noch den Schein einiger Freude. Also vermeint ein Wollüstiger / in Vergnügung seiner Begierde und Verpflegung des lüstrenden Fleisches / grosse Lust zu haben. Ein Zorniger fühlet / nach verübter Rache /eine Kühlung in seiner erhitzten Brust. Ein Ehrbegieriger sihet seine höchste Lust / wann er seinen Wunsch erfüllet / und sich über andre erhaben weiß. Aber ein Geitziger bleibet / bey alle seinem erworbenem Gut / voll Sorge und Kummer / ärmer als der geringste Bettler. Er hat nicht die geringste Ergötzung von seinem Geld zu hoffen / ausser dem blossen Ansehen. Ich weiß in Warheit nicht / (zwischen redete Harpin) ob mein alter Vetter auch nur die Freude des Ansehens von seinem Geld gehabt: weil etliches so tieff verborgen gelegen / daß er es / ohne große Mühe und Arbeit / nicht sehen können; anderes aber / dermassen verrost gewesen / daß es dem Anschauer keine Lust geben können. Demnach gläube ich / er habe mit der blossen Wissenschafft seines Reichtums / sich vergnüget.

Hat aber der Vetter (fragte Mussard lachend) den Rost abwaschen / und des Gelds geniessen können? O ja! (versetzte Harpin) auf diese Weise habe ich das Geld säubern gelernet: welches nach solchem Bad so sehr verlanget / daß es mit Gewalt heraus dringet /und alle Rigel entzwey stossen will. Sie lachten alle über diesen Schwank; doch sagte Mussard: Der Vetter sehe sich gleichwol vor! die[205] Verschwendung hat einen weiten Rachen / und hat nicht nur Kisten mit Golde / sondern auch Schlösser und Dörffer / offt verschlungen / und kan gantze Länder in ihrem Magen verdeuen. Ich weiß es / geehrter Herr Vetter! (gabe Harpin zur Antwort) und will deßwegen eine Liebste mir erwehlen / deren ich die Schlüssel zu diesem unruhigen Metall vertraue: Dann das Frauenzimmer ist allezeit glückseeliger / in Erhaltung der Gefangenen /weder die Manns-Personen.

Mit diesem und dergleichen kurtzweiligem Gespräche / verbrachten sie die Malzeit: biß die schon halb-verfloßne Nacht / den Aufbruch ursachend / einen jeden / nach allerseits Anwünschung eines sanften Schlaffs / zur Ruhe legte. Polyphilus fühlte bey sich etwas Ungedult / daß er so lang von seiner Macarie muste entfernet seyn / und bald durch Gewalt und Boßheit / bald durch List und Freundlichkeit / von ihrer Besuchung abgehalten wurde: deßwegen er ihm stark vornahme / mit frühem Morgen auf zu seyn /und sich nichtes mehr hintern zu lassen / welches er auch so ämsig zu Werck richtete / daß er den Agapistus und Tycheno / wie ungern sie auch daran kamen /auftriebe / also daß sie sämtlich mit anbrechendem Tag angekleidet und reißfärtig waren. Wie nun Harpin sehr bate / nur ein kleines Früstück zu erwarten /wolte sich doch Polyphilus nicht bereden lassen / sondern erinnerte den Mussard seiner gestrigen Zusage /mit Bitte / ihn derselben anjetzo geniessen zu lassen. Selbiger zog die Schultern und sagte: Ich muß bekennen / mein Herr! daß ich seine Reise zu befördern versprochen: wünsche ihm demnach / zu derselben /[206] erfreulichen Fortgang / und bitte / sie wollen die angefangne Freundschafft nicht in der Blüte ersticken lassen / sondern durch ein Gruß-Brieflein zuweilen aufwehen / biß ich mich selbsten erkühne / meine schuldige Aufwartung bey der Königin zu Sophoxenien abzulegen. Mein Herr darff um die Fortsetzung einer Freundschafft nicht bitten / (versetzte Polyphilus) die ich / als ein grosses Theil meines Glückes / zu erhalten / selbst verlange. Für dißmal aber danke ich dienstlich / für die bißher genossene hohe Begünstigung: nichts mehr wünschend / als daß ich einige Gelegenheit erleben möchte / mein dankbares Gemüt / in ihrer Bedienung / sehen zu lassen. Hierauf wendete er sich zu Julietta / küste ihr die Hand / und bate / seinem unhöflichem Geschwätze zu vergeben / auch derer Fehler / die er in seiner Aufwartung begangen /zu vergessen / und ihme künfftig nur die geringste Stelle unter denen zu gönnen / welche sie ihrer Gedächtnus würdigte. Nachdem diese hinwiederum vor geleistete Gesellschafft und höfliches Zusprechen sich bedanket / giengen sie sämtlich mit ihnen hinunter in den Hof des Schlosses: da diese nochmals höflich Abschied nahmen / zu Pferd sassen / und ihres Wegs ritten.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 192-207.
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