|
[28] Was will sich der Kunst vergleichen?
Was kan ihren Pracht erreichen?
Was giebt einen solchen Schein?
Wo uns Kunst und Tugend führet /
Alles eitle sich verlieret /
Nichts kan da verdunckelt seyn.
Ihr / mit unsern Blumen-Orden
Seyt der Kunst verschwestert worden /
Strom-weiß sie bey euch erquillt:
Da sie tröpfelt bey den andern /
Die zwar mit den Sinnen wandern /
Noch so hoch / als ihr bezielt.
Solche haben zwar den Willen:
Aber diesen zu erfüllen /
Und die That zu stellen dar /
Hindert / daß sie nicht erwägen
Ihr so grosses Unvermögen /
Das doch zu erwägen war.
[28] Wann auf Wünschen folgt erlangen /
Auf Begehren das Empfangen /
Wann auf Seufftzen folget Ja:
Wär auch deren Wunsch gestillet /
Ihr Begehren wär erfüllet /
Und die Frucht des Seufftzens da.
Selbst auch ich / (könt ich erreichen
Euren Sinn /) wolt mich vergleichen
Euch und eurem edlen Geist;
Den eur Buch mit Loben führet /
Welches euch mit Ewig zieret /
Und vor alles herrlich preist.
Aber weil das Werden spielet
Nicht so / wie das Wünschen zielet:
Bleibt der Wunsch gleich einem Wind /
Welcher ohne Frucht versteubet /
Und sich in die Lufft verleibet /
Da er endlich gar verschwindt.
Dennoch will ich mich befleissen /
Weil ich Sylvia soll heissen /
In der Künste-Hirten Schaar:
Daß ich mich der Lust vermähle /
Die ich durch Kunst-Tugend wehle.
Und du Himmel mach es wahr.
So wünschet und ehret
Sylvia.[29]
Buchempfehlung
»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.
162 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro