Neunter Absatz

[578] Beschreibet die unversehene Zusammenkunfft Polyphili mit Macarien / die Bereuung seines begangenen Fehlers / und dessen Verbesserung /zusambt der Unterredung dieser beyden / und wie er /ihr seine Gedicht zu übersenden / versprochen: Lehret / wie die Tugend-gezierte / ob sie gleich von einem Fehlübereilet werden / doch nicht in der Laster-Versenckung bleiben / sondern dieselbe zu einer grössern Krafft / Tugend zu gewinnen /gebrauchen / daher solche Verführungen / die jenige auch nicht[578] so bald des Tugend-Ruhms beraubet / ob sie ein oder mehrmal dawider handeln. Dann ein Fehl ist kein Fehl.


Nun kommen wir wieder zur Macarien / diese / je öffter sie das letzte Brieflein Polyphili durchsahe / je mehr wurde sie / in ihrer Freundschafft / gegen Polyphilo gestärcket / dergestalt / daß sie ihn stets / in ihren Sinnen und Gedancken / behielt / auch nichts mehr verlangte / als ihn wieder zu sehen. Es begab sich aber / daß sie um etzlicher nöthiger Geschäffte halber / auf eines ihrer Land-Güter verreisete / so auch an dem Peneus-Strande gelegen / und schön erbauet / auch mit erfreuender Lieblichkeit / und grünender Garten-Lust wohl umzieret war: daher sie verursachet wurde / ein geraume Zeit allda zu verweilen /und in diesen beliebten Feldern / der Lust-blühenden Sommer-Frucht zu geniessen. Was geschicht? Polyphilus / der nunmehr seiner Macarien fast vergessen /und mehrentheils seine Bemühungen auf Apatilevcheris gerichtet / kommt in Erfahrung / durch seinen Freund Agapistum / (der ihm / ingleichen / mehr zu der Liebe Apatilevcheris / als Macarien / rathen dorffte) daß jene / an dem Ort seye / wo Macarie sich aufhielt. Es kam aber der Irthum von einem Weibe her /die / von dannen / gen Sophoxenien kommen war /und einen Gruß an Phormenam brachte / von Macarien / deren Agapistus begegnet / und sie gefraget /aber entweder / aus bößlichem Betrug / oder sonst einem Fehl / unrechten Bericht erhalten.

So bald nun Polyphilus / von der Gegenwart seiner hertzlich-geliebten Apatilevcheris / höret / wie[579] sie so nahe sey / setzet er sich zu Pferd / und eilet behende dem Ort zu / trifft aber an statt deren / die er suchet /Macarien an. Noch zur Zeit war sie ihm / auch er ihr /nicht zu Gesicht kommen / dann den Bericht hatte er /von einer ihrer Dienerinnen erhalten / ehe er vollend in den Hof gelanget. Männiglich kan leicht schliessen / was die Gedancken Polyphili müssen gewesen seyn. Es wird ihm der Nam Macarie / ein Donnerknall / in seinem Hertzen / der die eisenveste Riegel /seiner Laster-hafften Begierde / zerschmetterte / und auflösete das Schloß / seiner verdammten Untreu. Er konte bald ermessen / daß ihn die wunderbahre Fügung des gerechten Himmels so ziehen heissen / seine Verblendung zu erkennen / und die verübte Boßheit zu berenen. Wie bald war die Liebe Apatilevcheris erloschen? Er wolte wieder zu ruck / aber die Tugend-Liebe / so mit dem Namen der Macarien / allgemählig wieder zu glimmen anfieng / ließ ihn / ohne ihre Begrüssung / nicht von dannen.

Wie aber? Treuloser und Pflicht-vergessener Polyphile! Darffst du dich wohl unterstehen / deren Aufrichtigkeit zu beschauen / die du / mit dem Gifft deiner Falschheit / biß daher ertödtet? Meynest du wohl /daß du werth seyest / unter die Augen Macarien zu tretten / welche du / nicht ohne Zittern / ansehen /noch / mit freyem Hertzen / wirst verehren können? Würdiger wärest du / und deiner Ubelthat verdienter Lohn / daß sie dich / mit Füssen / von ihr hinaus stossen / und ohne Gnad / gantz verstossen seyn lasse. Wie wirst du / du falsches Hertz! sie anreden / die Warheit darffst du nicht bekennen / vor Furcht: nicht verbergen / vor dem / sich selbst verklagenden /[580] bösen Gewissen: wie wirst du denn deine Wort bilden? Zwar fehlet dir nichts an Betrug und betrüglichen Worten / damit du deine Laster beschönen / und deine unverantwortliche Boßheit entschuldigen könnest: aber der Himmel wird dir / den verdienten Lohn /durch die Hand Macarie / geben.

Doch was wollen wir Polyphilum noch mehr beschwehren? Die Angst seines Hertzens war so groß /und die Verdamnus des Gewissens / so erschröcklich / daß wir billiger / ein gebührend Mitleiden / mit seinem Jammer / haben. Eben kam er / mit seinem Pferd / unter einen begrünten Eichbaum / als ihn die Angst dermassen ans Hertz stieß / daß er vom Pferd herab sincken / und die Erde zum Lager annehmen muste. Er fiel aus einer Ohnmacht / in die ander / und konte sich nicht trösten. Offt hub er an kläglich mit Macarien zu reden / aber die Thränen verschlossen den Mund: offt hub er an zorniglich / und mit einem Eyfer / auf Apatilevcheris zu schelten / aber die Angst druckete das Hertz / daß er sie nicht mehr nennen mochte. Sein Pferd weidete / mit aufgelösetem Zügel /im Graß: Er aber waltzete sich darinnen hin und wieder. Niemals hat Polyphilus grössere Schmertzen empfunden / als anjetzo. Wo er sich hinwandte / hatte er keinen Freund. Die Götter waren erzürnt / daß er wieder Tugend geliebt: denen Menschen war er verhasset / wegen der schändlichen Untreu: alle Creaturen entsetzten sich gleichsam / über seiner Boßheit /und die Erde klagte / daß sie eine so Sünden-schwere Last und unnützes Pfund tragen solle.

Was machet nun der / von allen verlassene / Polyphilus? Was bedrangte Hertzen zu machen pflegen.[581] Seine Hoffnung stunde dennoch zu der Barmhertzigkeit der gnädigen Götter und Macarien / derowegen er / nach wiederholter Krafft / dieselbe zu flehen anfieng / auch so beklagte Wort führete / daß kein Zweifel / wann Macarie zugegen gewesen / daß sie ihn nicht zu Gnaden angenommen / und all seines Verbrechens gäntzlich vergessen hätte. Wir wollen uns aber / mit der Abbitt und Bereuung seiner Missethat /nicht aufhalten / weil sie sonderlich mehr im Hertzen gesprochen / und mit Seuffzen vollbracht wurde: sondern wollen sehen / wie sich Macarie befriedigen lasse.

Eben da Polyphilus so schmertzlich sich behegte /kam die Dienerin der Macarien eilends zu ruck / den Polyphilum einzuholen. Denn / nach dem sie Macarien seine Gegenwart angesagt / aber dabey vermeldet / wie er alsobald wieder zuruck geritten / da er vernommen / daß sie zugegen sey / fürchtete Macarie seinen Haß / und gab geschwinden Befehl / ihm nachzusetzen und zu ersuchen / daß er sie nicht unbesprochen verliesse. Polyphilus / als er der Dienerin wahrnahm / stund behende auf / und gieng ihr entgegen /empfieng auch den Gruß Macarien / zusammt der Einladung / welche er gehorsamlich annahm / und der Dienerin folgte.

Die ersten Gedancken waren / was er Macarien vorbringen wolle / wie er daher komme / und was er verlange? hernach / ob er die Untreu bekennen und abbitten / oder verhälen müsse? welchem aber beyderseits / mit gutem Rath / abgeholffen wurde. Dieses verhälete er / und jenes bekannte er nicht. Er grüssete Macarien / nicht wie er sonst pflegte / sondern wie die Höflichkeit / einer gemeinen Freundschafft[582] / erfordert / so / daß dieselbe daher bewogen wurde / weiß nicht / soll ich sagen / aus Liebe oder Furcht / ihr neulichstes Brieflein / aller gefärbten Mißfälligkeiten halber / zu entschuldigen: Polyphilus hingegen entschuldigte sein unhöfliches Begehren. Und weil der Anblick Macarien / das Hertz Polyphili / nach seinem Begehren / richten konte / nahm sie selbiges alsobald wieder gefangen / und reinigte es gleichsam von aller unsaubern Liebe / so gar / daß es auch aller Furcht und Schrecken entnommen / gleichsam ein neues Himmel-Leben in Polyphilo erweckte / daß er / alles andern vergessend / seine tausendschöne Macarien /den Kern und Ausbund aller Tugenden / das Himmelreich aller Kunst und Klugheit / den unermäßlichen Schatz höflicher Sitten und Bescheidenheit / einig und ewig zu lieben hinwieder erwählte / auch alle verdammliche Lust-Liebe aus seinem Hertzen verbannete / und heimlich bey sich gedachte: O für allen Lob-und Lieb-würdige Macarie! wie ein grosser Unterscheid ist zwischen dir / und der leichtverliebten Apatilevcheris? wie gläntzen deine Tugenden / in der Finsternuß ihrer Laster? Wie schimmert deine Zucht / in der verdunckelten Verführung ihrer Begierde? O weg mit Apatilevcheris: Macarie behält den Preiß für allen. Ach! was hab ich doch gethan / daß ich Laster /vor Tugend / erwählet habe? Wie hab ich mich selber / so heßlich / betrogen? Doch hoffe ich / die Tugend der allerschönsten Macarien wird das Verbrechen nicht mir; sondern der Verführung jener lieb-bietenden Betrügerin / zurechnen / und mir Gnade widerfahren lassen.

In diesen Gedancken / sahe er die allerkeuscheste Macarien zum öfftern an / welche ihn hinwieder / so[583] züchtig / als höflich / bestrahlete. Und weil er / durch solche Freundlichkeit / in die vorige Tugend-Liebe /gegen Macarien / gäntzlich wieder versencket wurde /daß ihm sein Hertz / in einer hefftigen Gluth / brannte / fieng er abermal / mit tief-geholten Senfftzern /seine Liebs-Beschwerde an zu eröffnen; dem / als Macarie / eine gute Weile / mit gleichmächtiger Verwirrung / zuhörete / sich aber dennoch nicht erklären wolte / fieng er / mit gar zu kläglicher Stimm an: Will sie dann / allerschönste Macarie! sich meiner noch nicht erbarmen / so muß ich den Himmel flehen / daß er ihr Hertz erweichen / und zu mir wenden wolle /weil es / durch keines Menschen Stimm / zu erweichen ist. Ach! allerliebste Macarie! daß sie wissen solte / in was Unglück / mich ihre Widerwertigkeit gestürtzet / ich weiß / sie würde bereuen / daß sie mein Verlangen / nicht eher erfüllet hätte.

Darauf fragte Macarie: Was verlangt ihr dann? Polyphile! meine Freundschafft? die hab ich euch gegeben. Meine Liebe? die hab ich euch / mit vielen Zeichen / bewähret. Meine Gesellschafft? die hab ich euch nie versagt. Und solt ich wissen / daß euer Hertz mehr begehrte / es solte nicht gewäigert seyn / dafern es euch und mir / nicht mehr schädlich / dann zuträglich. Das war ein Wort / das Polyphilus / schon lang /gern gehöret hätte / darum sprach er: Ach! schönste Macarie! Was ich mehr begehre / ist die besondere Liebe / so keinen / ausser den einiggeliebten / bey sich leidet: ehe mein Hertz nicht dessen versichert ist /kan ich in keiner Zufriedenheit ruhen. Was solte Macarie machen / sie sahe / daß sie nichts richte; sondern Polyphilus nur immer hefftiger anhielt / deßwegen sie ihm auch endlich diß versprach /[584] weil eine solche Liebe / mehr ihren Vorsatz der Einsamkeit stärcken /als verhindern werde: aber gefehlet. Dann da Polyphilus das Versprechen hatte / sprach er: Nun so liebt sie keinen / ausser mich / und will sich keinem / dann mir / vertrauen / so bleibt sie ja die Liebste Polyphili /die ausser dem Tod / keiner / von mir / nehmen wird. Und / mit diesem Wort / bebte er sie / in seinen Schoß / und küssete sie hertzlich / beschloß auch die zarte und schöne Hände / mit den Seinen / in solcher Versüssung / daß sie sich / als die angenehmste Freundinnen / untereinander hertzeten. Macarie aber /die gleichwol ihrer Zucht und Schamhafftigkeit nicht vergaß / widerstrebte noch immer fort dem Schluß Polyphili / und behaubtete / daß nicht folge / wann sie ihn gleich vor allen / und ausser ihn keinen liebe / alsobald ihm verbunden sey / und ihre Liebe schuldig. Auch sprach sie: Geliebter Polyphile! dafern ich nicht wüste / was vor grosse Widerwertigkeit meine erste Liebe / die sich nun in der Vollkommenheit / der himmlischen Versüssung verschlossen hält / bestritten / und daher fürchten müste / daß unsre Freundschafft gleiches Ubel treffen möchte / hätte ich /Krafft der Gewogenheit / die ich gegen euch trage /schon längsten Polyphilum zu meinen Liebsten erwählet; aber nun gibt mir diese Furcht dessen Verbot / und ermahnet mich / meine ruhige Einsamkeit nicht muthwillig zu verschertzen: auch eure Würde /die gebohren ist / viel grösser Glück zu erwerben / erinnert mich / daß ich dieselbe / durch meine Unseeligkeit / nicht zu verderben suche / sondern andern / die weit glückseliger dann ich / zu befördern und zu erheben gönne.

Was solte Polyphilus antworten? Das theure[585] Versprechen seiner Bereitwilligkeit / in Glück und Unglück / Freud und Leid / Noth und Tod / ein getreuer Gefert / und beständiger Helffer / oder / da ihm das seine Kräffte versagten / dennoch ein starcker Tröster zu seyn / muste da die Antwort führen / welches er auch / mit so beglaubten Worten / bewähren konte /daß Macarie / durch seine Treu und Beständigkeit bewogen / die Arm ausschlug / und ach! mit wie verliebter Umfahung / um ihn schranckete / sprechend: So bleibet / mein Kind! mir günstig / und liebet mich / in eurem Hertzen / mit solcher Beständigkeit /wie ihr versprochen / was der Himmel wird geschehen heissen / werde ich geschehen lassen.

Da solte eins eine heilige Brunst / der beyden Tugend-Verliebten / gesehen haben / und derselben / die geschändete Liebe der Apatilevcheris / die auf blosse Thorheit gegründet war / entgegen setzen / würde er jenen Schatten / vor dieser Sonne / jene Finsternuß /vor diesem Liecht / kaum haben sehen können. Die Tugend verbandt sich / mit der Tugend / Weißheit mit Weißheit / und Kunst mit Kunst / daß das Hertz Polyphili gantz himmlisch wurde / welches / vor dem /nicht unrecht / höllisch hätte können benahmet werden. Viel liebkosende Gespräch verführeten sie untereinander / welche zu bezeichnen / die Meng derselben Verbot gibt. Das wollen wir noch erinnern / was Macarie erinnerte.

Es fielen ihr / unter andern / die Wort Polyphili bey / so er / in dem dritten Brief / an sie geschrieben /und berichtet / wie er die Zeit seiner Verstossung / mit nichts / dann traurig-betrübten Gedichten / zubringe /die sie leicht ermessen konte / daß sie von ihr reden werden. Weil nun Macarie / nicht allein eine Liebhaberin[586] der teutschen Poesi: besondern / so gar / eine gelehrte Poetin selber war / die ihren herrlichen Verstand / in dieser Kunst / mercklich vermehrete / und ihre Sinnen rühmlich erlustigte / begehrte sie von Polyphilo dieselbe / mit dem Versprechen / daß sie unversehrt wieder zuruck kommen solten.

Es hatte Polyphilus dieselbe zusammen / in ein Buch getragen / neben vielen andern / die wir / wegen der Meng / hie nicht her setzen können: und weil das Zorn-Gedicht / so wir am 542. Blat aufgezeichnet /gleich mit in dem Buch verfasset: selbsten auch das jenige / welches er der Apatilevcheris zu Ehren verfertiget: trug er anfangs Scheu / ihr Begehren einzuwillen / weil er diese Gedichte / ohne Verletzung der andern / nicht heraus reissen konte / und aber besorgte /sie möchten Macarien zum Wider willen bewegen: deßwegen er nicht ohne Schrecken / ja sagte. Gleichwol / weil der Bitte der hertzgeliebten Macarien /auch das Leben nicht zu versagen war / versprach er /allerdings ihrem Willen zu gehorsamen / doch mit der Erinnerung / daß sie sich / durch ein Gedicht / welches die Unbedachtsamkeit seiner Ungedult / sträflich heraus geworffen / da ihm Agapistus die Verachtung seiner Liebe und Treue / angesagt / nicht erzürne /auch viel weniger gedencke / daß solches der Warheit gleich stimme / weil er sich selbsten schon / der Unwarheit beschuldet / und mit besserm Verstand / widersprochen / was er / in erzürnter Thorheit / fälschlich bejahet. Das versprach ihm Macarie alles / mit billiger Zufriedenheit / anzunehmen / ihn versicherende / daß nichts so kräfftig seyn würde / welches ihr Hertz von seiner Liebe abwenden / oder ihre Freundschafft trennen könne.[587]

Mit diesem Versprechen / stund Polyphilus auf /und wolte wieder zu seiner Behausung. Weil sie aber / wegen besserer Freundschafft / auch vertrauter reden dorfften / fassete Macarie Polyphilum bey der Hand / und fragte / wenn er sie wieder besuchen werde? darauf er antwortete: Ach! daß ich morgen wiederkommen dörffte / oder gar da bleiben. Das wird sich nicht schicken / sagte Macarie; aber weil ich noch / eine wenige Zeit hie verweilen werde / da ihr /wieder ander Wissen und Aufsehen / aus- und eingehen könnet / auch so nahe bey eurer Wohnung / daß ihr euren Zutritt / mit einem Spatzier-Gang / entschuldigen dörffet; so nehmet / vor dißmal / die Gelegenheit / die uns der Himmel gibt / und besuchet mich öffters / weil wir doch zweiffeln müssen / ob wir /nach dem / so unverhinderte Gelegenheit / unsrer Zusammenkunfft / haben werden. Was hätte Polyphilus lieber versprochen / als das / er befand sich / durch feine eigene Liebe / gezwungen / jederzeit / seiner Macarien zu dienen / willig und schuldig. Darum war das die letzte Abrede: morgen wolle er seine Gedichte übersenden / übermorgen aber sich selbsten wiederbringen: mit welchen Worten / sie voneinander scheideten.

Es begleitete Macarie ihren Polyphilum / biß durch den Garten / und weil sie / im durchgehen / die bund-gefärbte Blumen erblickte / die sie erinnerten / die schöne Hände Polyphili zu verehren / brach sie deren etzliche / und gab sie Polyphilo / als ein angenehmes Garten-Geschenck / welcher dieselbe / als mächtige Trösterinnen / in seiner Einsamkeit / mit schuldigem Danck / annahm / und ihrer dabey zu gedencken / versprach. Endlich kamen sie für die Garten-Thür[588] / unter einen belaubten und Fruchttragenden Maulbeer-Baum / darunter sie sich nochmaln / aufs schönste und liebste hertzten / die nächste Wiederkunfft versprachen / und also / aber mit was Schmertzen! scheideten.

Es war diß nicht die Thür / da er eingangen war /besondern nächst dabey / ein verborgener Gang / da ihn kein sterbliches Aug beschauen konte / sondern gantz frey und sicher aus- und eingehen ließ / deßwegen ihm Macarie / die Wiederkunfft hiedurch zu befördern / Befehl that / die er auch fleissig beobachtete. Er muste durch etliche Thüren gehen / die ihn in einen langen Gang führeten / der ihn / wie ferne von dem Haus der Macarien / verleitete / und da er auf freye Weg kam / suchte er den Eichbaum wieder / darunter er sein Pferd verlassen; welches er aber nicht fand /weil es indessen heimgeloffen / und den Polyphilum zu Fuß folgen heissen / das er gerne that.

Wie ist aber Polyphilus gangen? In freudigen Springen / und solte eins freylich / die wunderbahre Schickung / des gnädigen Himmels / verwundern. Polyphilus gehet aus / Apatilevcheris zu suchen / und findet Macarien: die er ihm in Ewigkeit nicht eingebildet hätte. Ja / er findet die Liebe Macarien / und das noch wunderbahrer ist / mit seinem Widerwillen /die er / vor dem / mit so viel bitten und flehen / nicht erhalten kunte. Er suchet die Gunst / die er verfluchet / und findet die Freundschaft / an der er verzweiffelt. So kan eins leicht dencken / wie er muß erfreuet worden seyn. Das erste / so er verrichtete / war die Vermehrung der Gedichte / die sein Buch würdiger machen möchten / denen schönen[589] Händen der allerschönsten Macarien überreichet zu werden / deßwegen er denen obgesetzten Gedichten / auch andere /die wir nicht alle daher setzen können / noch mehr beyfügte / darinnen er die Glückseligkeit und Verbesserung / seiner so lang erdulteten unseligen Liebe /auch sonsten andere Begebenheiten beschrieben / wie der Inhalt derselben lehren wird. Wir wollen dem Gunst-geneigtem Leser / dafern er die Dicht-Kunst liebet / zum bessern Gefallen / die vornehmste daher setzen / die er nach Belieben durchsehen / oder vorbey gehen kan. Das erste hält in sich / die Beschreibung seiner nunmehr glücklichen Liebe / nachdem er von seiner Geliebten wieder aufgenommen worden / welche er mit diesen Worten ausdrucket:


Jetzt bist du meine Freud: vor warst du mein Betrüben;

Da schröckte mich dein Zorn: jetzt tröstet mich dein Lieben /

du tausend-liebes Kind! nun fällt der Zweifel hin /

die Hoffnung stehet fest: jetzt weiß ich / wer ich bin.

Ach! könt ich / Liebste! nun / dir einen Dienst erweisen /

der dir gefällig wär; ach! könt ich sattsam preisen /

dein Freundlich-sehn und Thun: ich fasste freudig an

die Feder / hebte dich / biß an den Stern-Altan.

Doch weil das nicht kan seyn: will ich viel lieber schweigen /

als preisen irrdisch dich: dein Ruhm wird selber steigen /

hin an das Himmel-Dach. Dann / was nicht irdisch ist /

bleibt doch nicht auf der Erd: wie du / Hertzliebste! bist.


***


Ihren Garten redete er im folgenden zweyen Sonnetten an:


Ist diß der liebe Ort / der offt-verlangte Platz /

der mir / nach meinem Wunsch / will stillen mein Verlangen /

will geben wiederum / mit Freuden / zu umfangen

das hochgeliebte Kind / den hertz-gehertzten Schatz?

will gönnen / daß ich auch verträulich mit ihr schwatz /[590]

und was ich sonst begehr? Du Won-hauß meiner Freuden

du meins Lusts Pallast! Ach solt ich nimmer scheiden

von dir hinwieder weg! ich wolte meinen Satz

in dich versetzen gantz: und wolte lassen bringen /

was dir beliebte nur: die Säiten müssten klingen /

zu Ehren / Traute! Dir: selbst Flora warten auf /

die Freude gehn vor an: ich folgte mit der Schönen /

die meine Liebe bleibt: wirst du ein Wort erwähnen /

bin ich fürwar so keck / daß ich nicht ferne Lauf.


***


Du bist es / und dann sie / die du in deinem Schoß

offtmals verschlossen hältst; du bist es schönster Garten!

du wohlgelegner Plan / da sie will meiner warten /

und führen mich / in dich: du wirst mich machen loß

der Schmertzen / Freuden-voll. Ist dieser Dienst so groß /

als meine Hoffnung bleibt / so will ich dir versprechen /

daß keiner sonst / zu dir / soll / durch die Pforten / brechen /

nicht ich / nicht wieder sie: auch keiner dieses Schloß

eröffnen / daß er nicht alsbald daran gedencke /

was du ihm hast gegönnt: und forderst du Geschencke /

so nimm die theure Wort / die ich ihr geben will /

und halt sie fest in dir: daß / wann wir müssen ziehen /

sie ja nicht in der Lufft / bald hie / bald dorthin fliehen /

und öffnen / was wir da geredet in der Still.


***


An Amorn hieß er solche Wort ergehen / als er neben ihr saß.


Jetzt hab ich meine Lust / heut muß ich erst verstehen /

daß Amor redlich zahlt / wer ihm nur nach kan sehen /

und borgen eine Zeit. Er zahlet mit Gewinn /

verzinset noch wol gar / was man geliehen hin.

Ich muß es nur gestehn: da ich fieng an zu lieben /

ward alsbald böse Schuld / die unbezahlt ist blieben /

biß heut / da kommt er selbst / und führet mich dahin /

da ich / nach meinem Wunsch / bezahlet worden bin.

Ich muß es rühmen noch: er giebt mir die Geliebten /

die mich vor dem so offt / und wieder offt betrübten /

Er gibt mirs / an dem Ort / der mir so viel gegönnt /

daß ich ein mehrers nicht / noch bessers wünschen könnt.[591]

In seiner Floren Schoß / setzt er mich höflich nieder /

aufs nächste neben mich / setzt er die Liebste wieder /

spricht: sey zu frieden so / du haft es alles Macht /

darffst reden wie du wilt / weil heut dein Glücke lacht.

Wer ist nun mehr erfreut / als die vor-krancke Seele /

die neben dir / mein Kind! in dieser kühlen Höle /

alleine sitzen darff / und dir sich trauen nun:

sie ist zu frieden schon / wann sie nur das darff thun.


***


Daß er nur die eine liebe / beweiset er aus des Ovidii Lateinischen: Cui placeo, protinus illa placet; im folgenden Sonnet:


Ich lieb den / der mich liebt / und dem ich thu gefallen /

der wieder mir gefällt; sey Er gleich oder Sie /

verachtt mich keiner nicht / veracht ich keinen nie /

gefall ich sonders dir? Gefällst du mir vor allen;

so fühl ich offt und offt mein Hertz / im Leibe / wallen /

vom Lieben hart gerührt; das macht die Freundlichkeit

bey manchem Damen-Bild / die mir zu jederzeit /

sie komme / wann sie woll / gleich einem runden Ballen

fällt immer recht und gut / dann ich bin so gesinnt /

daß ich mich allen geb: ich liebe gar geschwind!

So schreibt der Liebs Poet: ich sprach ihm gantz zuwider:

liebt mich die Bauren-Dirn / sie liebe immer hin /

nur eine / keine mehr / ligt mir in meinem Sinn /

die ich von Hertzen lieb: drum sind wir keine Brüder.


***


Als er aus dem Garten scheiden solte / bat er selbigen / die Macarien öffters an Polyphilum zu erinnern /auch mit diesem Sonnet:


Du schönes Lust-Hauß / du! ihr Blätterreiche Bäume /

an keinerley Frucht arm; du buntes Blumen-Feld!

das meiner Liebsten sich / zu ihren Diensten / stellt;

ihr Nelcken mancher Art / helfft / daß sies nicht versäume /

was sie versprschen mir: schafft / daß ihr stätig träume /

so offt sie bey euch schläfft / von dem / der ohne sie

nicht seyn / nicht leben kan: daß sie vergesse nie /

deß / der ihr nicht vergisst: noch aus dem Hertzen räume /[592]

der standhafft liebet sie; sagt / wann sie euch sieht an:

Vergiß nit / schönes Kind! was jüngsthin der gethan;

was er versprochen dir / der sich gab deinem Willen /

wolt heissen nur dein Knecht / versprach dir seine Treu:

gab dir sein Hertze hin: daß diß das Zeichen sey /

daß er / was er geredt / im Wercke / woll erfüllen.


***


Den Maulbeer-Baum / darunter er von ihr scheidete /redet wieder ein anders Sonnet / auf solche Art / an:


So schickt sichs eben recht! wo konntst du besser stehen?

Du dicker Maulbeer-Baum / als hie vor dieser Thür /

da ich von meinem Schatz: und wieder sie von mir

muß Urlaub nehmen jetzt; muß / ach! muß von ihr gehen /

und weiß nicht / wann ich sie / die Schöne / wieder sehen /

auch wieder sprechen kan: so schickt sichs eben recht /

wann deine Frucht zu letzt / uns beyden Maulbeer brächt

Auch wann du decktest uns / daß keiner könte sehen /

wann sie zu guter letzt mir gönnet einen Kuß /

ey ja! es soll so seyn / dieweil ich scheiden muß.

Du aber habe Danck vor deinen kühlen Schatten /

und halte reinen Mund / so will ich wünschen dir /

daß nie dein Safft vergeh: ich will dir auch gestatten /

daß du dergleichen Frucht noch mehr verehrest ihr/mir.


***


Ihre Hände / als sie ihm die Blumen prœsentirte / bekrönte er / mit folgendem Danck-Sonnet:


Kluges Paar der Künstlerinnen /

am Verstand und Schöne reich /

über alles niemand gleich /

Meisterstuck der klugen Sinnen /

schöner Künste Meisterrinnen /

habet / Schöne! schönen Danck /

daß ihr willig / ohnen Zwang /

diese Blumen mir wolt gönnen![593]

ich behalte sie zum Pfand /

|ihr meine Treu |

daß

;155;

;139;erkannt / |ich eure Gunst |

die auch soll so lange bleiben /

als ich selber bleibe noch /

und das angenehme Joch /

soll kein Wider-Sinn vertreiben.


Uber seine Vergnüglichkeit / hatte er solche Gedancken.


Jetzt hab ich wohl getroffen /

mein Hoffen /

in allen:

Gott hat geschickt /

daß mich beglückt

mein Wallen.

Nun kanst du seyn zu frieden /

entschieden

vom Leiden /

betrübtes Hertz!

auch allen Schmertz

jetzt meyden.

Drum will ich / Gott! Dir dancken;

nicht wancken:

Dich ehren.

So wirst du mehr /

als ich begehr /

mich mehren.


Nach diesen / und vielen andern mehr / setzte er / zu letzt einen solchen Befehl und Erinnerung / an das Buch selber:


So wilt du / schlechtes Buch! dich dennoch unterstehen /

zu meiner Liebsten hin / weil sies begehrt / zu gehen?[594]

bist du denn so viel werth / daß sie die schöne Hand

soll strecken aus nach dir? du wirst für Ehre / Schand;

für Gunst verdienen Zorn: doch weil du / was ich dencke /

fast besser weisst / als ich / und was mein Hertze kräncke /

ihr einig sagen kanst: so geh nur immer fort /

eröffne alles ihr / behalt in dir kein Wort.

Und wann du mit ihr redst / merck / ob sie dir wird trauen /

und sag mirs wieder an: solt aber sie nicht bauen

auf das / was du versprichst: so schwere nur ein Eyd /

bey Gott und auch bey ihr / auf meine Redlichkeit.

Auch dieses leg ihr vor / daß / was ich dir getrauet /

nicht darum sey geschehn / daß sie dasselbe schauet /

und also nur ein Dunst / nicht wahre Warheit sey /

was du ihr sagest an: Nein / nein bekenne frey /

daß du allein vor mich / und in geheim zu klagen /

von mir bereitet seyst: Nun daß dus ihr solt sagen /

hat sie gefordert selbst: so wird sie ja verstehn /

daß sie / mein gantzes Hertz / in dir / jetzt könne sehn.


Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 1, Nürnberg 1669, S. 578-595.
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