Der alte Leyersänger an Hamburgs Krieger

[271] Im April 1813.


Wachst du, Alter? Traumgebilde,

Schmeichelt meinem Wunsch ihr nicht?

Statt der Geier, Hamburgs Schilde?

Wo der Zöllner Raubgezücht?


Frischer Bursche reges Leben

Wallt auf Straß' und Markt einher!

Wogt's nicht, wie sich senken, heben

Fluthen auf erregtem Meer?


Eifer glüht in jedem Schritte,

Sprühend strahlt der Flammenblick.

Kehrt der alten Hansa Sitte

Zur bejochten Stadt zurück?
[272]

Dieser prüft des Säbels Hiebe,

Jener tummelt rasch sein Roß –

Zauber ist's, der junger Triebe

Kraft in welke Sprossen goß.


Fähnlein wehn vor jeder Schwelle,

Jubel schallt und Freudenschuß,

Schon der flinke Kriegsgeselle

Küßt der Braut den Abschiedskuß.


Seht! Der alte Leyersänger

Wankt aus seiner Zell' hervor,

Auf! erzählt die Wunder! länger

Harrt umsonst mein dürstend Ohr –


Schweigt! Mir flüstert's schon die Leyer,

Schon des Sehers Augen schaun

Sanft auf eure Freiheitsfeier

Himmelssegen niederthaun.


Alles neu und alles anders,

Was in Aug' und Ohr mir dringt. –

Füllt die Becher! Alexanders

Nam' ertöne! Kinder, trinkt!
[273]

Heil Ihm! Gürtet euch, ihr Krieger,

Wallt der guten Sache Pfad!

Leyersang umschwebt den Sieger,

Ruhm bekränzt des Helden That!

Quelle:
Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Band 2, Hamburg 1820, S. 271-274.
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