1787.
Mit Rabenfittig deckte die Urnacht noch
Die Ungestalten; starrender Schlummer lag
Noch ausgegossen über rohe
Felsengerippe des öden Weltalls;
Noch ungesondert lagen die Trümmer der
Gestirne, lagen Trümmer des Mondes und
Der Sonn' und Erde, lagen graunvoll
Noch in dem Schooße des alten Chaos.
Erbarmend schaute Gott, in dem Vaterblick
Der Liebe Fülle, nieder vom strahlenden
Olympos – schnell verwandelt war in
That der Gedank', in der Thaten schönste.
[27]
In sanftem Säuseln schwebte die Liebe, Wärm'
Und Leben athmend, unter der Schwebenden
Erwachtest du, Natur, und schloß sich
Auf dein gebärender Schooß, Allmutter!
So dehnt sich brütend über die Werdenden
Des Schwanes Fittig, ehe die Schwänlinge
Sich hoch im Glanz der Schöne, hoch im
Silbergelispel des Flügels heben.
So hoben Sterne, so in der Schöne Strahl
Sich Mond und Sonne, so sich im Jubelklang;
Geläutert floß der Strom des Aethers
Hell um die schwimmenden goldnen Inseln.
Mählich ründete da sich um den marmelnen
Kern die Erde; das Meer, wie es auch brausete,
Schwieg, und Wellchen an Wellchen
Netzte leise den Ufersand;
Wälder kränzten ihr Haupt, Wälder begürteten
Sie, und über dem Gurt wölbten, der Nährerinn
Brüste, wölbten, von Milch und
Fülle triefend, sich Berg' empor.
[28]
Ströme stürzten herab, tränkten die Fluren des
Mutterschooßes, und sanft flossen in rankendem
Bachgeäder die Quellen,
Säugten Auen und Blumenthal.
Erde, jugendlich schön lächeltest, Erde, du!
Sei auch stolz, denn auf dir weilte das Auge der
Liebe segnend, und schöner
Ward die Schöne der Lächelnden.
Purpurn hub sich empor tief aus des Oceans
Schooß ein Jüngling, das Haupt strahlend mit goldenem
Haar, die Sonn', und sein erster
Blick war flammender Liebesgruß.
Ueber Wangen und Stirn streuten der Erde da
Rosen, Unschuld und Schaam, daß durch den bräutlichen
Nebelschleier der Schimmer
Ihrer Blüthe noch röthelte.
Iris prangt nicht so schön, wie in dem Glanze des
Duftgewandes die Braut, doch vor dem Flammenden
Thaute nieder der Schleier,
Schwollen Wolken zum Liebesbett.
[29]
Ausgegossen um sie lagen zum Brautgeschenk
Schöne Gaben, die ihr freundlich im Tanze die
Horen brachten, des Lenzes
Kranz und Fülle des Traubenmonds.
O Liebe! Liebe! wehend umsäuselten
Da deines Odems Hauche mit Wonneduft
Der Neuvermählten gürtellosen
Schooß, und beseelten die Lebenskeime.
Und schnell entfaltet blühte die Knospe mit
Des Himmels Blüthe, prangte mit Himmelsfrucht,
Da schwirrt' es zahllos, sonnte junges
Lebengewimmel im Freudenstrahl sich.
O Liebe! Liebe! Quelle des Lebens, dir
Entströmt des Segens lauterste Fülle, da,
Wo deines Blickes Weihe ruhet,
Wandeln sich Wüsten in Paradiese!
Dir scholl der Hymnus, dir in der wonnigen
Entzückung, scholl in süßen Gefühlen dir
Des Daseyns! Zahllos, wie des Meeres
Tropfen, erschollen die Preisgesänge –
[30] Des Einen Hymnus! Sonne, du hallst in ihm
Des Chores Leyer, Cymbel und Harfe tönt
Von Stern zu Stern, und sanfter athmet,
Sanft wie ihr Schimmer, Selena's1 Laute!
Ein Hymnus! liebend neigt ihm das Vaterohr
Der Allbeleber, neigt es dem Abendgesang
Der Mücke, wie den Harmonien
Tanzender Sphären im Feier-Chore.
1 Selena, Luna.
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