Sie an Ihn zu seinem Geburtstage

[217] den 31sten Januar 1805.


Im Namen Seiner Gemahlinn, an den Grafen Friedrich von Reventlow.


Wo such' ich, wo find' ich zum würzigen Strauß

Ein Blümchen und eins noch? ich kann nicht hinaus,

Und könnt' ich's, erstorben ist Wies' und ist Flur,

Im Schleier der Flocken verhüllt ist Natur.

O, wenn ich sie finde,

Zum Angebinde

Dem neugebornen Kinde.


O, wenn ich sie finde so starr und so kalt,

Geschirmt und gepfleget, erwarmen sie bald,

Hier lodert der Heerd und in's Kämmerlein blickt

Die Sonn', o ihr Blümchen, kommt, werdet erquickt!

Kommt, Blümchen, geschwinde,

Zum Angebinde

Dem neugebornen Kinde.
[218]

Da sind sie! So bunt und so prangend, so schön,

Wie Iris im schimmernden Bogen zu sehn,

Als Königinn Aller die Rose – doch nein,

Sie hat ja den Stachel! – Mein Sträuschen soll seyn

So sanft und so linde,

Zum Angebinde

Dem neugebornen Kinde.


Ich weiß wohl ein Gärtchen, das keiner entdeckt,

Im heimlichsten Schooße des Thales versteckt,

Hoch über ihm leuchtet der Himmel so blau

Und labend erfrischt es der duftende Thau.

Dort schonen die Winde

Die Angebinde

Dem neugebornen Kinde. –


Die Blümchen der Liebe, in Wonne beglückt,

Auf heimischem Beete die Gärtnerinn pflückt,

Ein dornenlos Röschen und, herzend so warm

Den stützenden Stab mit umschlingendem Arm,

Die rankende Winde,

Zum Angebinde

Dem neugebornen Kinde. –


Ist's Odem der Liebe, ist's zaubernde Macht?

Der Heutegeborne zum Mann' ist vollbracht,

Zum Mann'! und ich Liebende bin's, die so warm

Umschlinge den Trauten mit rankendem Arm![219]

Nun Sträuschen verschwinde

Als Angebinde

Dem neugebornen Kinde!


Zum Kranze nun flecht' ich euch, Blümchen, zum Kranz,

Seht, zu euch gesellt sich in purpurnem Glanz

Das Blümchen Unsterblich und längst mir bewährt,

Jelängerjelieber, durch wachsenden Werth.

Ich küß' euch und winde

Das Angebinde

Dem neugebornen Kinde.


Genügt Ihm mein Kränzchen? – Nur mir nicht! O schon

Umflicht Ihn mit Kränzen ein höherer Lohn!

Dem Herzen entquillet des Heldenmuths Born,

Sein Ruhm oft ein Würfel, oft Frevel sein Sporn.

Ich suchte, ich finde!

Zum Angebinde

Dem neugebornen Kinde.


Wohl schön ist der Sieg! Oft den schönsten erringt

Ein Sieger, den Fama's Posaune nicht singt! –

Wie wallt's mir im Herzen! Auf Fittigen hebt

Empor mich die Lieb! – Ihr Unsterblichen, gebt

Mir Sproßengewinde

Zum Angebinde

Dem neugebornen Kinde!
[220]

Sie kommen, sie schweben im festlichen Tanz,

Sie flechten aus Lorbeer und Palm' Ihm den Kranz,

Aus Wipfel der Eiche, sie weben hinein

Das Oelblatt des inneren Friedens und weihn

Das Segengewinde

Zum Angebinde

Dem neugebornen Kinde.

Quelle:
Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Band 2, Hamburg 1820, S. 217-221.
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