Sterbelied

1808.


Lieg' ich einst an jener Schwelle,

Die der Zukunft Schleier hebt,

Sinkt des Pulses Abschieds-Welle,

Schweigt der Odem und entschwebt;

Send' erbarmend Fried' und Ruh'

Aus dem Himmel dann mir zu,

Daß an Dich, Versöhner, hefte

Sterbend ich die letzten Kräfte.


Eh', an ihres Kampfes Ende,

Nun der Seele Band zerreißt,

Gieb, daß ich in deine Hände,

Herr, befehle meinen Geist.

Trübt sich schwüler mir die Luft

In des Todesthales Gruft,

Laß in Lieben, Glauben, Hoffen,

Dann mich schaun den Himmel offen!
[240]

Nicht im Tod' erst; weil mein Leben

Noch in regen Stunden kreis't

Will ich weihend übergeben

Deinen Händen meinen Geist;

Ihm, den Funken deines Lichts,

Gnüge nicht der Erde Nichts,

Ach, schon hier, auf Sehnsuchts-Schwingen,

Mög' empor er heimwärts dringen!

Quelle:
Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Band 2, Hamburg 1820, S. 233-234,240-241.
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