21. An meine Geschwister

[53] 1774.


Wir wollen unser Lebenlang

Uns süßen Freuden weihen!

Der Wiese Duft, der Waldgesang

Soll immer uns erfreuen!

Uns grünen Saaten, Trift und Hain,

Uns rauschen Wasserfälle,

Uns malt des Himmels Wiederschein

Rot, weiß und blau die Quelle.


Aus Blumenkelchen lächelt uns

Der süße Blick der Freude!

Wir sehen ihn, und freuen uns

Wie Lämmer auf der Weide!

Es danket unser frohe Blick

Dem Gott, der uns ins Leben

Gerufen, und so manches Glück

Aus Vaterhuld gegeben!


So wallen wir auf sanfter Bahn

Der Freude stets entgegen!

Uns lächelt mancher guter Mann,

Und giebt uns seinen Segen!

Auch ist der Freunde Zahl nicht klein,

Die gern sich an uns schließen!

Wie selig ist's, ein Mensch zu sein

Und Freundschaft zu genießen!


O daß wir alle Hand in Hand

Durchs Leben könnten gehen,

Und unser liebes Vaterland

Mit Thränen wiedersehen!

Und an dem Ziele noch zugleich

(So wolle Gott es lenken!)

Mit Ruhe, reifen Früchten gleich,

Das Haupt zur Erde senken!

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50,2, Stuttgart [o.J.], S. 53-54.
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