41. Die Mädchen

[84] An einen Freund.


1775.


Ich sehe mit Schmerzen,

Du kennest die Herzen

Kupidens noch nicht;

Du hoffest mit Herzen

Der Mädchen zu scherzen,

Es reizet die Rose dich, ehe sie sticht.
[84]

Zu spielen mit Rosen,

Und Mädchen zu kosen

Läßt lieblich und fein!

Du trauest den Losen?

Sie lachen und stoßen

Ganz freundlich den Dolch in das Herz uns hinein!


O Jüngling, dann müssen

Mit Thränen wir büßen,

Mit brennendem Schmerz!

Es fliehen die Süßen

Zu andern, und küssen

Auch ihnen Verzweiflung ins wehrlose Herz.


Sie können mit Blicken

Die Herzen bestricken,

Und scheinen so gut!

Kaum kehrst du den Rücken,

So winken und nicken

Die Falschen, und freun sich der wachsenden Glut!


Wenn endlich dich eine

Von Künsten noch reine

Mit Innigkeit liebt,

So wisse, der kleine

Kupido hat seine

Geheimeren Ränke, wodurch er betrübt.


Oft spinnet er Fädchen

Am goldenen Rädchen,

Wie Haare so fein;

Kaum glaubst du am Drähtchen

Zu halten dein Mädchen,

So reißt es und läßt dich Bethörten allein!
[85]

Viel hab ich gelitten,

Hab dreimal gestritten

Für Thränen zum Sold!

Bei dörflichen Sitten,

In moosigen Hütten,

Dort wohnet die Liebe noch lauter wie Gold!

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50,2, Stuttgart [o.J.], S. 84-86.
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