Sehnsucht nach Milde

[105] Ode


Gern wohl träuft' ich einst mit gelind'rem Wohllaut

Übers Herz Euch hin den geklärten Sangstrom,

Gern in süß aufatmende Träume rauscht' ich

Säuselnde Schwermut.


Gern der Lieb' aufkeimende Frühlingsbildung

Malt' ich und perlwerfender Kelche Goldgrund,

Doch es reißt von süßem Gesang und Bild mich

Wildere Lust fort.


Übers Scherenriff, das ob Norwegs Meerstrand

Dunkelstirnig in das Gewog' hineintrotzt,

Beug' ich mich und neide der wucht'gen Schaumflut

Markigen Sturmtakt.


Auf der Vorzeit sagenbegrüntem Blachfeld,

Wie des Kriegsmanns, der nach dem Hufschlag hinhorcht,

Liegt mein Ohr und höret ergrimmter Stahlschlacht

Heldengewaltschritt.


Männer will ich, Zorn und granitner Tatkraft

Bergsturzgleichen Schwung, und ein andrer Kadmus,

Möcht' ich sä'n zwieträchtigen Zahn des Lindwurms,

Frevelnd aus Kampflust.


Wann verhallt der Ruf der behelmten Ehrsucht,

Wann verklingt die Harfe der Schlacht von Eros

Samt'nem Fingerdruck und erfüllt das Herz mit

Silbernem Echo?

Quelle:
Moritz von Strachwitz: Sämtliche Lieder und Balladen, Berlin 1912, S. 105-106.
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