292.

[35] Weihnachten auf Wangerooge. Am Abende des 23. Dezember kam Sünner Klaus (289 und 327). Einer hing eine Kuhhaut mit zwei großen Hörnern um, vor dem[35] Gesichte hatte er eine Maske. Dies war Sünner Klaus. Bei sich hatte er einen Knecht Greifan. Sünner Klaus klopfte an die Türe und fragte: »Sind hier auch unartige Kinder?« Dann wurde er eingelassen und fragte weiter: »Kannst du auch beten?« Die Kinder mußten nun beten und tanzen und versprechen artig zu sein, worauf Sünner Klaus Kringel aus einem Beutel nahm und den Kindern schenkte. Am Weihnachtsabend nach dem Läuten blieb alles zu Hause und sang geistliche Lieder. Am Festmorgen um halb drei Uhr begann das Läuten aufs neue und dauerte bis halb sechs; dann wurde vom Kirchturm herab ein Weihnachtslied gesungen, und dies war das Zeichen für alle Wangerooger, aufzustehen und Licht zu machen und jeder mit den Seinigen ein Morgenlied zu singen. Die Bescherung erfolgte am Morgen des zweiten Weihnachtstages, Stäfens; der erste Festtag war zu heilig. Am Abend des ersten Tages wurden die Geschenke zurecht gemacht und auf die Teller gelegt. Am andern Morgen stand der Vater heimlich auf, schlug ein weißes Laken um und ging im Zimmer umher, schnaubend wie ein Pferd. Dann holte er etwas trockenen Kuhmist (Pferdemist war auf der Insel nicht zu haben) und streute ihn auf den Boden der Stube. Hierauf legte er sich noch eine Weile ins Bett, bis der Tag anbrach und die Kinder gerufen wurden, die Geschenke in Empfang zu nehmen. Die Vorstellung war, Stephan komme, vom heiligen Christ, Helkirs, geschickt, auf einem weißen Pferde über das Watt und habe eine Kiste mit Stephansgütern bei sich. Er bleibe so lange im Leuchtturm, bis es Zeit sei. (Nach Ehrentraut, Fries. Archiv II., S. 9 ffg.)

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 35-36.
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