295.

[38] Der Neujahrsabend wird im ganzen Lande mit reichlichem Essen gefeiert. An vielen Orten ist er der Dickbuuksabend, dessen schon (290) gedacht ist. In den Bauernhäusern des Butjadingerlandes wird dem Gesinde Milch und Reis oder Milch mit Zwieback als Vorspeise gereicht, dann folgen als Hauptspeise Nulken mit Kartoffeln. Im Jeverlande gibt es satt Speck und Fleisch. Im Wüstenlande heißt der Abend Stippabend; sämtliche Hausbewohner sitzen[38] auf Stühlen um das Herdfeuer, jeder einen Teller mit Fettbrühe, Fleisch, Speck und Mettwurst auf dem Schoße, tunken (stippen) Brot in die Brühe, und essen sich am fettgetränkten Brote und den Fleischspeisen tüchtig satt; die Sitte ist im Verschwinden. Im Münsterlande ist das Leibgericht grüne Vietsbohnen mit Mettwurst. Ehedem ragte aus der Kumme, woraus die Essenden ihren Bedarf auf die Schüsseln legten, ein Schweineschwanz hervor. Im Jeverlande geben die Wirte ihren Gästen Waffelkuchen, Neujahrskuchen und Bambaisches zum besten. Überall auf dem Lande backt man zu Neujahr besondere Roll- oder Krullkuchen in dünnen eisernen Formen; sobald dieselben aus der Form kommen, werden sie aufgerollt. Mitunter sind den Formen Figuren eingepreßt, als Mond, Sterne, Lilien u. dgl. Im Saterlande haben die Kucheneisen auf der einen Seite ein Pferd, zuweilen mit einem Reiter in weitem Mantel. Hat das germanische Sommerfest auch die runde Form der Neujahrskuchen veranlaßt? Am Neujahrstage selbst wird in vielen Häusern des Jeverlandes Kohl gegessen. Auch im Kreise Berssenbrück bildet Kohl mit Mettwurst am Sylvesterabend das Festgericht.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 38-39.
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