302.

[57] Im Amte Vechta steckte man in mehreren Dörfern einen Hahn in einen Bienenkorb, in welchem oben ein Loch war, durch das der Kopf des Hahnes hindurchgezogen wurde. Dann bildeten die jungen Leute um den Korb einen Kreis und einer nach dem andern wurde mit verbundenen Augen in diesen Kreis geführt und mußte mit einem Säbel den Kopf des Hahnes abzuschlagen suchen. Wer den Kopf abschlug, wurde von den jungen Mädchen mit Bändern und Blumen geziert und war Fastnachtskönig, nach dessen Befehlen sich alles richten mußte. In anderen Dörfern wurde der Hahn mit zusammengebundenen Füßen an einen Baum gehängt. Die jungen Leute setzten sich zu Pferde und ritten um den Baum herum, bis es einem gelang, im Jagen dem Hahn den Kopf abzureißen. Der Hahn wurde aber gewöhnlich so hoch gehängt, daß man, um ihn zu erreichen, auf dem Pferde stehen mußte, was manchen Purzelbaum absetzte. Um die Schwierigkeit zu erhöhen, wurden Kopf und Hals des Hahnes wohl mit Seife oder Talg beschmiert. Wieder in andern Dörfern wurde ein toter Hahn auf einen Pfahl befestigt und dadurch zu aufrechter Stellung gebracht, daß man einen Stock der Länge nach durch den Hals steckte. Dann ritten die jungen Bauernburschen rasch um den Pfahl und suchten mit einem Säbel den Kopf des Hahnes abzuschlagen, was des Stockes wegen[57] selten mit einem Hiebe, wenn dieser auch traf, gelang. In Steinfeld soll man einem Hahn den Kopf abgeschlagen und diesen Kopf so in die Erde gepflanzt haben, daß Kopf, Kamm, Schnabel und Bartlappen heraussahen. Dann wurde jeder, der auf das Amt eines Königs spekulierte, mit verbundenen Augen herangeführt, und er mußte mit einem Säbel oder Knüttel den Kopf zu treffen suchen. Wer diesen aus den Boden herausschlug, war Fastnachtskönig. Wieder anderswo wurde bei dem Hahnenschlag bestimmt, daß der Gewinner einen Hut oder Pfeife oder dgl. erhielt, ohne auf die Ehre eines Fastnachtskönigs Anspruch machen zu können. Die Sitte des Kopfabschlagens kam schließlich in den meisten Orten nach und nach ab, und es wurde Brauch, den König für Fastnacht auszulosen. Im übrigen ging das Würste- und Eiersuchen im Amt Vechta vor sich wie überall im Lande, in Verkleidung und zu Pferde zogen die Burschen durch das Dorf von Haus zu Haus und machten Beute.

Im Fastnachtshause wurde das Erbeutete in einen großen Kessel geworfen, gekocht und verzehrt. Auch hier liebte man es, in Nachbarorten Besuche zu machen, die Vechtaer erschienen z.B. in Lohne und die Lohner in Vechta. – Den Aschermittwoch nannte man in Holdorf und Steinfeld »Kattenaschertag.« Am Aschermittwoch kamen nämlich die Fastnachtsfreunde im Fastnachtshause nachmittags wieder zusammen, verzehrten, was übrig geblieben und brachen dann auf, um den Kater zu begraben. Man erschlug einen alten Kater, trug ihn hinaus; einer kletterte mit demselben auf einen Baum und hielt an die Versammelten eine launige Ansprache. Nach Schluß der Rede warf er das tote Tier herunter und unter allerlei Possen wurde der Kater verscharrt. – Den Sonntag nach Aschermittwoch nannte man »Allemannsfastnacht.« Er bildete den Schluß der Feier. Manche Beule, blaue Stelle oder Wunde wurde aus derselben nach Hause getragen, aber das Leid wurde bald vergessen, es bewies, daß die Fastnachtszeit nicht untätig zugebracht worden. – Von uralter Zeit her war es Brauch, daß auch die Schulen (ursprünglich die scholae triviales, später die Volksschulen) sich an dem Fastnachtstreiben beteiligten. Die Lehrer zogen mit ihren Schülern und Schülerinnen, alle in fastnachtsmäßiger Verkleidung, durch die Straßen, sangen in den Häusern, trieben allerlei Possenspiel und bekamen dafür Geld und Nahrungsmittel geschenkt. Man[58] nannte das die Fastnachtskollekte. Das Gesammelte blieb den Lehrpersonen. Auf den Dörfern in der Gemeinde Löningen ging der Lehrer am Fastnachtsdienstage mit 10 bis 12 Knaben von Haus zu Haus und ließ überall einige Lieder singen, die er mit der Geige begleitete. Die daraufhin geschenkten Würste, Schafschinken usw. trugen 2 Knaben auf einer Stange zwischen sich. Der Lehrer selbst trug einen Korb, der die gespendeten Eier aufnahm. Öfters gaben die Leute auch Geld. Die Kollekte fiel ganz dem Lehrer zu, die Sänger wurden für ihre Bemühungen am ersten Fastensonntag in der Lehrerwohnung bewirtet.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 57-59.
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